BGS - Defensive Verteidigung
#20
(23.08.2024, 05:43)muck schrieb: Was die Organisation, die sich auf diese Verankerung beruft, sein, tun und lassen darf, ergäbe sich aber ebenfalls aus dem geschriebenen bzw. gesetzten Verfassungsrecht. Eine solche Organisation wäre zwangsläufig eine Neuauflage des BGS alter Schule. Und wo sie sich erheblich davon zu unterscheiden beginnt, müsste die Verfassung dennoch geändert werden.
Meines Erachtens nach kommt es nur darauf an, dass die Ausgestaltung dieses BGS nicht dem Wortlaut oder der anzunehmenden Intention der entsprechenden Grundgesetzartikel widerspricht. Das ist aber keine große Hürde, da der BGS als Vorläufer, sowohl der Bundespolizei, als auch der Bundeswehr, zu all dem gedacht war, was wir heute auch von einer solchen Institution zu erwarten hätten. Bspw. ist die Auslegung des Art. 12a GG, der die Ableistung des Wehrdienstes beim BGS begründet, auf den BGS von 1968 intentional zu bewerten. Dieser verfügte damals sogar noch über eine Fliegerstaffel und war mit militärischen Aufgaben an der innerdeutschen Grenze beauftragt, war aber zudem für polizeiliche Aufgaben im Inneren vorgesehen, bspw. zur Unterstützung der Landespolizeien bei Großeinsätzen sowie im Katastrophenschutz, allerdings im Verteidigungsfall ausschließlich im Bundesgebiet (Art.115f GG). Das wäre also alles auch heute noch möglich. Spätere Veränderungen der Ausgestaltung des BGS spiele dafür dann erstmal keine Rolle, sofern nicht andere später erlassene Regelungen von Verfassungsrang dem entgegenstehen sollten, was mir nicht bekannt wäre.
Zitat:Dieser Ansatz ist meines Erachtens schon deswegen abzulehnen, weil er den (aus militärischer und geostrategischer Sicht) Trugschluss salonfähig macht, dass Landes- und Bündnisverteidigung nicht dasselbe seien.
Da gibt es für mich zwei mögliche Sichtweisen:
1. BV ist zugleich LV, weil wir unser Land am besten im Vorfeld verteidigen, statt auf eigenem Gebiet.
2. LV ist lediglich die unmittelbare Verteidigung des eigenen Staatsgebietes und keine "Vorwärtsverteidigung" in Osteuropa.
Die Frage ist also: Was verstehen wir unter Landesverteidigung? Aus rein militärischer Sicht hast du natürlich Recht, BV und LV sind militärisch gleichzusetzen, eine LV ohne BV wäre absolut falsch.
Nun kann man aber eben trotzdem den Begriff Landesverteidigung als den Teil der Verteidigung betrachten, der ausschließlich auf eigenem Territorium stattfindet. Und der beschränkt sich dann halt auch nicht nur auf den klassischen Heimwehr-Jäger, sondern umfasst zunehmend auch Elemente der Resilienz, Stichwort hybride Kriegsführung. Und darum geht es eben in dem Fall eines neuen BGS.
Zitat:Ein solcher Vorstoß könnte nach der heutigen Rechtsprechung durchaus verfassungswidrig sein.

Das Grundgesetz verbietet den Streitkräfteeinsatz im Innern im Regelfall. Dabei geht es ihm aber um die abstrakte Gefahr, die eine schwer bewaffnete, streng hierarchisierte Organisation für das Primat des Zivilen darstellt; denn die theoretische Möglichkeit, per Gesetz oder Verordnung die Befugnisse der Streitkräfte im Inlandseinsatz auf das Maß der Polizei (oder sogar darunter) zu beschränken, reicht ja gerade nicht aus, die Bedenken des GG zu zerstreuen (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Depenheuer GG Art. 87a Rn. 167-171). Wenn das GG aber aufgrund des bloßen "Was wäre wenn" die innere Sicherheit der Bundeswehr nicht anvertrauen will, muss das Gleiche auch für eine Armee gelten, die sich Bundesgrenzschutz nennt, aber militärisch ausgestattet und organisiert ist.

Der paramilitärische Aspekt des alten BGS war nur verfassungsrechtlich zulässig, weil die Organisation einen recht begrenzten Umfang hatte. Würde man den BGS heute militärisch neuaufstellen und ihn per entsprechender Ausstattung und Befüllung mit Wehrpflichtigen zur Landesverteidigung befähigen, dürfte Karlsruhe das als Versuch werten, § 87a Abs. 2 GG zu umgehen.
Der o.g. historische Bezug zur Einführung des Art.12a hilft auch an dieser Stelle weiter. Denn ab der Verabschiedung der Notstandsgesetze wurde der BGS eben auf eine polizeiliche Struktur umgestellt, auch wenn er tlw. militärische Aufgaben behielt. Es ist also eine Frage der konkreten Aufstellung und Ausgestaltung.
Zitat:Es braucht also zur Herstellung von Wehrgerechtigkeit gar keinen organisierten Wehrersatzdienst. Es könnte z.B. genügen, den Wehrdienstverweigerer zu einem finanziellen Beitrag zur Landesverteidigung zu verpflichten. Dann zahlt er eben für soundsoviel Jahre einen erhöhten Steuersatz.
Das wiederum halte ich für nicht verfassungskonform, weil der Grundsatz der Gleichwertigkeit des Ersatzdienstes nicht gewahrt wäre und die Freiheit der Gewissensentscheidung stark durch monetäre Aspekte beeinflusst würde. (MMn war schon die spätere Form des Zivildienstes nicht mehr GG-konform, weil dieser in vielen Fällen einfach die sehr viel angenehmere Alternative darstellte, als in den 90ern Verweigerungen nur noch Formsache waren.) Außerdem wäre das auch nur dann möglich, wenn wirklich jeder die freie Wahl zwischen Dienst und kostenpflichtiger Verweigerung hätte, die Musterung wäre also nur noch für die konkrete Verwendung entscheidend, nicht aber mehr für die grundsätzliche Eignung. Ausgemustert werden könnten dann nur noch absolute Härtefälle, die berühmte Schreibstube wäre dann wohl zukünftig rollstuhltauglich zu gestalten.

Vorteil allerdings: Wenn wir das passend abstimmen, könnte die Wehrpflicht durch diese Gegenfinanzierung dann sogar kostenneutral umgesetzt werden. Wink
Zitat:Kehren wir zur Wehrpflicht zurück. Der Wehrersatzdienst entfällt; die Verweigerer ... gehen zu Feuerwehr und THW.
Das sind doch bereits mögliche Ersatzdienste. Nirgendwo steht geschrieben, dass Ersatzdienst im sozialen Sektor stattfinden muss. Wir könnten auch das THW als einzigen möglichen Ersatzdienst definieren, das wäre verfassungsrechtlich in Ordnung.
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