22.08.2024, 02:30
Zum ukrainischen Vorstoß auf Kursk:
Der Milblogger-Kanal 'Rybar' (~1,3 Mio. Follower) meldet einen ukrainischen Vorstoß auf das Kirchdorf Snagost, was die Einschließung Korenewos ermöglichen würde. Der ukrainische Vorstoß halte weiter an und sei in keiner Richtung wirklich zum Stehen gebracht. Russische Verstärkungen träfen jedoch ein und würden bald die Wende bringen. (Quelle) Z-Blogger Swjatoslaw Golikow (~55.000 Follower) geht aus der Froschperspektive noch weiter: "Übrigens, wenn einer denkt, dass der Feind seine Erfolge [nördlich von Sudscha] übertreibt, lautet die Antwort: Nein! Die Situation ist wirklich sehr schwierig. Und das ist nicht der einzige Bereich, in dem alles sehr schwierig ist." (Quelle)
Mit dem Angriff Steiners wird das alles in Ordnung kommen …
Zur militärischen Lage Russlands:
Letzte Nacht kam es zu einem erfolglosen ukrainischen Angriff auf Ziele in Moskau. (Quelle) Insgesamt wurden wohl 10 Drohnen abgeschossen.
Zur geopolitischen Lage:
Die Werchowna Rada hat das Römische Statut angenommen und die Ukraine der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterworfen. Allerdings wurde ein Vorbehalt erklärt: Kiew wird keine Staatsangehörigen an den IStGH überstellen, wenn diese zwischen 2024 und 2031 eines Verbrechens gegen internationales Recht beschuldigt werden. (Quelle)
Sehr ambivalente Sache. Auf der PR-Ebene halte ich diesen prinzipiell richtigen Schritt in dieser Form für problematisch. Denn zwar sind solche Vorbehalte einerseits (leider) völlig normal; Deutschland bspw. hat in seiner Unterwerfungserklärung bestimmt, dass es keine Bundeswehrsoldaten für im Ausland begangene Taten ausliefern wird. Doch hat Russland sich dem IStGH überhaupt nicht unterworfen, und die Ukrainer sollten, wenn sie die Bestrafung russischer Entscheidungsträger durch internationale Gerichte fordern, sich selbst keine Vorzugsbehandlung einräumen. Ich wüsste auch nicht, warum das überhaupt nötig wäre. Die ukrainischen Streitkräfte achten das Völkerrecht ohnehin.
Zu Entwicklungen in Russland, die sich auf den Krieg auswirken können:
Apropos Milblogger …
Auf Telegram und im russischen Fernsehen wird gerade auf regierungsnahen Kanälen massiv Stimmung gemacht gegen die im Volk beliebten Z-Blogger. "Der Hauptfeind ist gefunden!", verkündet etwa der nationalistische Kanal 'Unser Königreich' (~83.000 Follower) und behauptet: "Seit Tagen wird im Fernsehen über den gewaltigen Schaden berichtet, den "Milblogger" während der ukrainischen Invasion verursacht haben. Ein argloser Mensch könnte sogar denken, dass es die Blogger waren, die unsere Dörfer und Weiler angegriffen, besetzt und Zivilisten gemordet haben." Für den Autor ist klar: "Wenn die Blogger fallen, fällt Kiew. Wer das nicht versteht, ist ein Feind und ein Verräter." Behauptet wird auch, dass die Blogger "1,5 Mio. Uniformen aus den Lagern", Munition und sogar Drohnen gestohlen hätten, wovon kaum jemand etwas wisse. (Quelle)
Fernsehen wie Regierung lenken ganz offensichtlich nur von ihrer eigenen Verantwortung ab. Denn zwar wurde der vernichtende HIMARS-Angriff bei Rylsk, wo gut 400 russische Soldaten auf einmal fielen, wirklich durch einen Verstoß gegen die Prämisse Feind hört mit! ermöglicht; nur war es eben das Fernsehen, das die Truppenbewegungen in die Welt hinausposaunte, und nicht die Blogger.
'Dostojewski-Club' (Politologe und Armeeangehöriger, ~110.000 Follower) spottet daher an die Adresse der Kritiker: "'So, lasst uns alle Blogger einsperren, und sofort werden wir gewinnen'. So verkünden es sinngemäß die föderalen Medien. [Igor Girkin alias] Strelkow aber sitzt im Gefängnis, er sagt und schreibt nichts. […] Na, siegen wir schon? Und wer kann den Kern dessen widerlegen, was Strelkow gesagt hat? Wann hat Strelkow von der Notwendigkeit gesprochen, in Belgorod und Kursk die Territorialverteidigung aufzubauen? Im Sommer 2022 etwa?!" (Quelle)
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Wenn die Milblogger verschwinden, gerät Russland ernstlich in Gefahr, den Krieg zu verlieren.
Denn sie berichten nicht nur von der Front und dienen mit der Propaganda, die sie mehrheitlich betreiben, durchaus den Kriegsanstrengungen. Sie stellen auch die Kommunikation zwischen Einheiten und Verbänden sicher, verbreiten schneller als jeder offizielle Kanal Informationen über neue ukrainische Vorstöße, Waffen, Taktiken; sie versorgen die Freiwilligen mit einem insgesamt recht zutreffenden Bild davon, was sie an der Front erwartet, erklären ihnen, wie sie sich zu verhalten haben, und welche Ausrüstung sie sich beschaffen sollten. Nicht zuletzt organisieren sie im quasi-industriellen Maßstab Material- und Lebensmittelspenden für die Frontverbände, darunter auch Drohnen und Schutzwesten.
Ihr Einfluss auf die russischen Kriegsanstrengungen kann meines Erachtens kaum überschätzt werden. Denn spätestens ab der Ebene der Verbandskommandeure (Bataillon aufwärts) ist die russische Armee keine Meritokratie mehr, sondern ein wie zu Napoleons Zeiten quasi-aristokratisch organisierter Komplex, wo Führungsverantwortung erhält, wer mächtige Freunde bzw. Verwandte hat oder reich ist.
Sie ist gekennzeichnet durch eine Führung, die den unteren Ebenen relevante Informationen vorenthält, weil sie dem Propagandanarrativ widersprechen, und von militärischen Führern, die lieber Männer in den Tod schicken, als ihren Vorgesetzten Misserfolge melden zu müssen. Die Milblogger helfen, diese erheblichen Mängel zu kompensieren. Sind sie nicht mehr da, werden es die Russen schmerzhaft spüren.
Verdrängt werden Bestenauslese und Kritikfähigkeit auch in der zivilen Verwaltung, wo Russland nun den Umbau des Staates von der Bundesrepublik zum zentralistisch-autoritären System weiter vorantreibt. Seit dem 08.08. haben die Gouverneure die Befugnis, gewählte Amtsträger aller Ebenen nach einmaliger Verwarnung abzusetzen, wenn diese nicht binnen eines Monats tun, was ihnen in der Verwarnung aufgetragen wurde. (Quelle)
Dazu muss man wissen, dass seit 2021 die russischen Gouverneure, die zwar weiterhin gewählt werden, vom Präsidenten jedoch ihrerseits verwarnt und widrigenfalls abgesetzt und ausgetauscht werden können. Das ist faktisch das Ende der Demokratie in Russland. Denn nicht nur können so unliebsame Volksvertreter aus jedem erdenklichen Grund entfernt werden. Es wird auch sichergestellt, dass sich andersdenkende Russen kaum mehr um öffentliche Ämter bewerben werden, es hat ja keinen Sinn. Wofür man vorher Schmutzkampagnen in den Medien, Schlägertypen und Fensterstürze brauchte, das kann jetzt hochoffiziell auf dem Dienstweg erfolgen: Wer sich nicht auf Linie bringen lässt, der fliegt.
Zu Kriegsverbrechen:
Laut Danielle Bell, der Beauftragten der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage im Russo-Ukrainischen Krieg, erleiden fast alle ukrainischen Gefangenen in russischer Hand Folter. Dem niederländischen Fernsehen sagte sie: "Sie werden schon bei der ersten Befragung gefoltert. Sie werden mit Metallstangen geschlagen und starken Elektroschocks ausgesetzt. Sie werden nackt ausgezogen. Es ist schrecklich. Es ist das Schlimmste, was ich in meiner 20-jährigen Laufbahn der Gefangenenbesuche im Auftrag der VN gesehen habe. Folter ist weit verbreitet und wird systematisch angewendet. 95 % der ukrainischen Kriegsgefangenen werden gefoltert [.]" Bell unterstrich auch: "Die ukrainischen Behörden gewähren uns ungehinderten Zugang zu den Lagern und provisorischen Gefängnissen, in denen Kriegsgefangene untergebracht sind. Obwohl es zu Beginn der Invasion einige Probleme gab, haben wir in den letzten 1,5 Jahren Bedingungen beobachtet, die dem Humanitären Völkerrecht entsprechen" (Quelle).
Der Milblogger-Kanal 'Rybar' (~1,3 Mio. Follower) meldet einen ukrainischen Vorstoß auf das Kirchdorf Snagost, was die Einschließung Korenewos ermöglichen würde. Der ukrainische Vorstoß halte weiter an und sei in keiner Richtung wirklich zum Stehen gebracht. Russische Verstärkungen träfen jedoch ein und würden bald die Wende bringen. (Quelle) Z-Blogger Swjatoslaw Golikow (~55.000 Follower) geht aus der Froschperspektive noch weiter: "Übrigens, wenn einer denkt, dass der Feind seine Erfolge [nördlich von Sudscha] übertreibt, lautet die Antwort: Nein! Die Situation ist wirklich sehr schwierig. Und das ist nicht der einzige Bereich, in dem alles sehr schwierig ist." (Quelle)
Mit dem Angriff Steiners wird das alles in Ordnung kommen …
Zur militärischen Lage Russlands:
Letzte Nacht kam es zu einem erfolglosen ukrainischen Angriff auf Ziele in Moskau. (Quelle) Insgesamt wurden wohl 10 Drohnen abgeschossen.
Zur geopolitischen Lage:
Die Werchowna Rada hat das Römische Statut angenommen und die Ukraine der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterworfen. Allerdings wurde ein Vorbehalt erklärt: Kiew wird keine Staatsangehörigen an den IStGH überstellen, wenn diese zwischen 2024 und 2031 eines Verbrechens gegen internationales Recht beschuldigt werden. (Quelle)
Sehr ambivalente Sache. Auf der PR-Ebene halte ich diesen prinzipiell richtigen Schritt in dieser Form für problematisch. Denn zwar sind solche Vorbehalte einerseits (leider) völlig normal; Deutschland bspw. hat in seiner Unterwerfungserklärung bestimmt, dass es keine Bundeswehrsoldaten für im Ausland begangene Taten ausliefern wird. Doch hat Russland sich dem IStGH überhaupt nicht unterworfen, und die Ukrainer sollten, wenn sie die Bestrafung russischer Entscheidungsträger durch internationale Gerichte fordern, sich selbst keine Vorzugsbehandlung einräumen. Ich wüsste auch nicht, warum das überhaupt nötig wäre. Die ukrainischen Streitkräfte achten das Völkerrecht ohnehin.
Zu Entwicklungen in Russland, die sich auf den Krieg auswirken können:
Apropos Milblogger …
Auf Telegram und im russischen Fernsehen wird gerade auf regierungsnahen Kanälen massiv Stimmung gemacht gegen die im Volk beliebten Z-Blogger. "Der Hauptfeind ist gefunden!", verkündet etwa der nationalistische Kanal 'Unser Königreich' (~83.000 Follower) und behauptet: "Seit Tagen wird im Fernsehen über den gewaltigen Schaden berichtet, den "Milblogger" während der ukrainischen Invasion verursacht haben. Ein argloser Mensch könnte sogar denken, dass es die Blogger waren, die unsere Dörfer und Weiler angegriffen, besetzt und Zivilisten gemordet haben." Für den Autor ist klar: "Wenn die Blogger fallen, fällt Kiew. Wer das nicht versteht, ist ein Feind und ein Verräter." Behauptet wird auch, dass die Blogger "1,5 Mio. Uniformen aus den Lagern", Munition und sogar Drohnen gestohlen hätten, wovon kaum jemand etwas wisse. (Quelle)
Fernsehen wie Regierung lenken ganz offensichtlich nur von ihrer eigenen Verantwortung ab. Denn zwar wurde der vernichtende HIMARS-Angriff bei Rylsk, wo gut 400 russische Soldaten auf einmal fielen, wirklich durch einen Verstoß gegen die Prämisse Feind hört mit! ermöglicht; nur war es eben das Fernsehen, das die Truppenbewegungen in die Welt hinausposaunte, und nicht die Blogger.
'Dostojewski-Club' (Politologe und Armeeangehöriger, ~110.000 Follower) spottet daher an die Adresse der Kritiker: "'So, lasst uns alle Blogger einsperren, und sofort werden wir gewinnen'. So verkünden es sinngemäß die föderalen Medien. [Igor Girkin alias] Strelkow aber sitzt im Gefängnis, er sagt und schreibt nichts. […] Na, siegen wir schon? Und wer kann den Kern dessen widerlegen, was Strelkow gesagt hat? Wann hat Strelkow von der Notwendigkeit gesprochen, in Belgorod und Kursk die Territorialverteidigung aufzubauen? Im Sommer 2022 etwa?!" (Quelle)
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Wenn die Milblogger verschwinden, gerät Russland ernstlich in Gefahr, den Krieg zu verlieren.
Denn sie berichten nicht nur von der Front und dienen mit der Propaganda, die sie mehrheitlich betreiben, durchaus den Kriegsanstrengungen. Sie stellen auch die Kommunikation zwischen Einheiten und Verbänden sicher, verbreiten schneller als jeder offizielle Kanal Informationen über neue ukrainische Vorstöße, Waffen, Taktiken; sie versorgen die Freiwilligen mit einem insgesamt recht zutreffenden Bild davon, was sie an der Front erwartet, erklären ihnen, wie sie sich zu verhalten haben, und welche Ausrüstung sie sich beschaffen sollten. Nicht zuletzt organisieren sie im quasi-industriellen Maßstab Material- und Lebensmittelspenden für die Frontverbände, darunter auch Drohnen und Schutzwesten.
Ihr Einfluss auf die russischen Kriegsanstrengungen kann meines Erachtens kaum überschätzt werden. Denn spätestens ab der Ebene der Verbandskommandeure (Bataillon aufwärts) ist die russische Armee keine Meritokratie mehr, sondern ein wie zu Napoleons Zeiten quasi-aristokratisch organisierter Komplex, wo Führungsverantwortung erhält, wer mächtige Freunde bzw. Verwandte hat oder reich ist.
Sie ist gekennzeichnet durch eine Führung, die den unteren Ebenen relevante Informationen vorenthält, weil sie dem Propagandanarrativ widersprechen, und von militärischen Führern, die lieber Männer in den Tod schicken, als ihren Vorgesetzten Misserfolge melden zu müssen. Die Milblogger helfen, diese erheblichen Mängel zu kompensieren. Sind sie nicht mehr da, werden es die Russen schmerzhaft spüren.
Verdrängt werden Bestenauslese und Kritikfähigkeit auch in der zivilen Verwaltung, wo Russland nun den Umbau des Staates von der Bundesrepublik zum zentralistisch-autoritären System weiter vorantreibt. Seit dem 08.08. haben die Gouverneure die Befugnis, gewählte Amtsträger aller Ebenen nach einmaliger Verwarnung abzusetzen, wenn diese nicht binnen eines Monats tun, was ihnen in der Verwarnung aufgetragen wurde. (Quelle)
Dazu muss man wissen, dass seit 2021 die russischen Gouverneure, die zwar weiterhin gewählt werden, vom Präsidenten jedoch ihrerseits verwarnt und widrigenfalls abgesetzt und ausgetauscht werden können. Das ist faktisch das Ende der Demokratie in Russland. Denn nicht nur können so unliebsame Volksvertreter aus jedem erdenklichen Grund entfernt werden. Es wird auch sichergestellt, dass sich andersdenkende Russen kaum mehr um öffentliche Ämter bewerben werden, es hat ja keinen Sinn. Wofür man vorher Schmutzkampagnen in den Medien, Schlägertypen und Fensterstürze brauchte, das kann jetzt hochoffiziell auf dem Dienstweg erfolgen: Wer sich nicht auf Linie bringen lässt, der fliegt.
Zu Kriegsverbrechen:
Laut Danielle Bell, der Beauftragten der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage im Russo-Ukrainischen Krieg, erleiden fast alle ukrainischen Gefangenen in russischer Hand Folter. Dem niederländischen Fernsehen sagte sie: "Sie werden schon bei der ersten Befragung gefoltert. Sie werden mit Metallstangen geschlagen und starken Elektroschocks ausgesetzt. Sie werden nackt ausgezogen. Es ist schrecklich. Es ist das Schlimmste, was ich in meiner 20-jährigen Laufbahn der Gefangenenbesuche im Auftrag der VN gesehen habe. Folter ist weit verbreitet und wird systematisch angewendet. 95 % der ukrainischen Kriegsgefangenen werden gefoltert [.]" Bell unterstrich auch: "Die ukrainischen Behörden gewähren uns ungehinderten Zugang zu den Lagern und provisorischen Gefängnissen, in denen Kriegsgefangene untergebracht sind. Obwohl es zu Beginn der Invasion einige Probleme gab, haben wir in den letzten 1,5 Jahren Bedingungen beobachtet, die dem Humanitären Völkerrecht entsprechen" (Quelle).