15.08.2024, 22:39
@Quintus Fabius
Und wenn das politische Mandant oder besser gesagt der Wille in der Bevölkerung nicht da ist, dann kann da ein israelischer Regierungschef nicht länger erfolgreich dagegen angehen. Das Parteiensystem ist viel zu volatil und elastisch, ein Akteur der plötzlich einschneidende Schritte favorisieren würde wäre im Handumdrehen seine Mehrheiten los und stünde vor Neuwahlen.
Für die immer wieder vorgeschlagenen Lager gilt – Israel hat für eine solche Aktion keinen außenpolitischen Spielraum. Der politische Flurschaden die Palästinenser einzufangen und in Israel irgendwelche Lager zu stecken und sie dort zu filtern und zu deradikalisieren wäre gigantisch viel höher als die Kritik die man bekommt während die UN die Zivilbevölkerung versorgt. Die internationale Gemeinschaft würde völlig durchdrehen wenn die Israelis Konzentrationslager einrichten würden. Das der Vergleich Schwachsinn ist und solche Lager sinnvoll wären spielt da überhaupt keine Rolle. Zudem dann, wer soll die Versorgung übernehmen? Die UN würde sich weigern. Soll Israel sie wie genau zwingen? Soll sie die Versorgung selbst übernehmen? Man hat schon Schwierigkeiten bzw. ist in weiten Teilen der Politik und Gesellschaft völlig unwillends gefangene Hamaskämpfer zu versorgen oder Hilfslieferungen nach Gaza zu lassen. Da soll die Politik jetzt durchsetzen, dass Reserveeinheiten des Militärs (wer sonst?) die Verwaltung von Internierungslagern übernehmen? Das ist in relevanten Größenordnungen nicht umsetzbar und wird zwangsläufig in sehr unschönen Vorfällen enden. Die richtige Lösung wäre es die Palästinenser nach Ägypten ausreisen zu lassen. Aber nicht mal das ist in der realen Welt möglich. Ägypten wäre dazu sogar rechtlich verpflichtet, aber die machen es einfach nicht.
Insofern, die Perspektive der Israelis ist auch nicht irgendwie vom Himmel gefallen, sondern über Generationen und insbesondere in den letzten zwanzig Jahren durch unmittelbares Erleben geprägt worden. Noch ganz ohne den 7. Oktober, der die Einstellung der Israelischen Gesellschaft nochmal ganz grundlegend auf rechts gedreht hat.
Zitat: Das Hauptargument jedes wahrhaft Konservativen ! Es hat doch bisher immer funktioniert, also wird es auch immer weiter so funktionieren. Der Verweis auf die katastrophale Politik der Merkel-Zeit den du hier tätigst sollte eigentlich schon aufzeigen, dass dies nur dann gilt, wenn die Umstände entsprechend sind.Das ist in Israel aus dieser Blickrichtung auch wieder nicht anders als bei uns in der Endphase der Regierung Merkel. Fliehkräfte (dort natürlich andere als hier) mögen da sein und auch an Stärke gewinnen, gleichwohl oder gerade trotzdem setzen die Menschen auf die Bewahrung des Status Quo. Das schränkt die Optionen der politisch Handelnden ein, verstoßen sie gegen diese Erwartung zahlen sie einen politischen Preis. Siehe Merkel und ihre Flüchtlingspolitik. In Israel ist der Einsatz natürlich ungleich höher und entsprechend sind die Menschen nocheinmal sehr viel reservierter gegenüber irgendwelchen kühnen Schachzügen.
[…] Wie willst du eigentlich in einer derart instabilen und volatilen Situation von Stabilität und konservativer Politik sprechen ?
Und wenn das politische Mandant oder besser gesagt der Wille in der Bevölkerung nicht da ist, dann kann da ein israelischer Regierungschef nicht länger erfolgreich dagegen angehen. Das Parteiensystem ist viel zu volatil und elastisch, ein Akteur der plötzlich einschneidende Schritte favorisieren würde wäre im Handumdrehen seine Mehrheiten los und stünde vor Neuwahlen.
Zitat: Allein das letztgenannte zeigt auf, dass die Situation in keinster Weise stabil ist. Und das ist gerade mal die innenpolitische Seite. Und außenpolitisch ernsthaft von einer stabilen Situation zu sprechen, angesichts dessen was da gerade real geschieht entzieht sich meinem Verständnis. Wo bitte sehr ist da außenpolitische Stabilität ?!Die Betrachtung der politischen Philosophie die Netanyahu an die Macht gebracht und dort belassen hat endet notwendigerweise mit den 7. Oktober. Die Verhältnisse heute sind völlig andere als sie vor einen oder zwei Jahren gewesen sind. Das ändert aber nichts daran, das Netanyahu für Stabilität und den Status Quo steht und deswegen gewählt wurde. Seit potentieller Nachfolger Ganz steht übrigens genauso für Stabilität und Status Quo. Der steht auch nur da wo er steht, weil ihm die Menschen noch am ehesten zutrauen so wie Netanyahu nicht irgendwelchen Blödsinn in Hinblick auf die Palästinenser zu machen. Allerdings traut man ihm das (in meinen Augen zurecht) doch deutlich weniger zu als Netanyahu, weswegen dieser mittelweile demoskopisch besser dasteht als Gantz. Dritter im Bunde wäre Bennett, der anders als progressivere Alternativen wie Lapid oder gar Golan für sicherheitspolitische Kontinuität steht.
Zitat:Ich habe im Laufe der Zeit schon sehr viele ganz konkrete Vorschläge gemacht. Ob die alle taugen oder nicht, könnte man diskutieren, aber von dir hörte und höre ich zu absolut allem immer nur eine Antwort: geht nicht, weil die Israelis wollen nicht.Naja ich würde sagen, dass ich dir mitunter im Detail erklärt habe, dass deine Vorschläge durch die politisch Handelnden nicht umsetzbar sind weil sie eben ua konträr zum vorherrschenden Willen in der israelischen Gesellschaft stehen. Insofern ja, wenn da eine Regierungskoalition aus zig Parteien mit sehr deutlichen nationalistischen Einschlägigen mit knappen Mehrheiten dilettiert geht halt vieles nicht. Wenn Netanyahu morgen einfallen würde, dass es Sinn macht die illegalen Außenpostne im Westjordanland dichtzumachen und die Entgrenzten Radikalinskis unter den Siedlern einzusammeln würde er damit soviel Unruhe erzeugen, dass er seine Regierungskoalition im handumdrehen los wäre. Und das nicht nur wegen Otzma Yehudi, das wäre auch nicht anders wenn hypothetisch Gantz und Bennett eine Regierungskoalition geschmiedet hätten.
Zitat: Im weiteren bezogen sich meine Vorschläge in der letzten Zeit primär auf Gaza und nicht auf das Westjordanland. Beispielsweise wäre es erforderlich, dass man Gaza besetzt, die Bevölkerung dort sortiert, dafür Lager verwendet, die Bevölkerung in diesen zugleich Schutz und ausreichende Versorgung findet usw. Und deine viel zu simple Antwort darauf ist: geht nicht, weil das wollen die Israelis nicht und das können sie nicht. Richtig davon ist nur, dass man es nicht will, aus einer Vielzahl von Gründen, und in Bezug auf eine Mehrheit der Israelis auch vor allem aus völliger Ignoranz gegenüber ihren Nachbarn.Wenn die Gesellschaft etwas nicht mitträgt dann geht es nicht. An diesem Fakt kommst du nicht vorbei. Israel ist eine pluralistische überaus volatile Parteiendemokratie mit freier Presse und Wehrpflichtigenarmee. Es gibt keine Bereitschaft auf Jahre hinaus Divisionen nach Gaza zu schicken nur damit junge wehrpflichtige Söhne sich beim Dorfpolizistspielen in Khan Yunis von der Hamas oder sonstwem abknallen lassen. Es ist dabei völlig belanglos, dass man die Mannstärke und die finanziellen Mittel hat, diese Divisionen zu generieren. Es geht nicht weil diese Kurs nicht mitgetragen wird. (Auch aus gutem Grund, eine dauerhafte Besatzung des Streifens durch Israel wäre völlig sinnlos)
Für die immer wieder vorgeschlagenen Lager gilt – Israel hat für eine solche Aktion keinen außenpolitischen Spielraum. Der politische Flurschaden die Palästinenser einzufangen und in Israel irgendwelche Lager zu stecken und sie dort zu filtern und zu deradikalisieren wäre gigantisch viel höher als die Kritik die man bekommt während die UN die Zivilbevölkerung versorgt. Die internationale Gemeinschaft würde völlig durchdrehen wenn die Israelis Konzentrationslager einrichten würden. Das der Vergleich Schwachsinn ist und solche Lager sinnvoll wären spielt da überhaupt keine Rolle. Zudem dann, wer soll die Versorgung übernehmen? Die UN würde sich weigern. Soll Israel sie wie genau zwingen? Soll sie die Versorgung selbst übernehmen? Man hat schon Schwierigkeiten bzw. ist in weiten Teilen der Politik und Gesellschaft völlig unwillends gefangene Hamaskämpfer zu versorgen oder Hilfslieferungen nach Gaza zu lassen. Da soll die Politik jetzt durchsetzen, dass Reserveeinheiten des Militärs (wer sonst?) die Verwaltung von Internierungslagern übernehmen? Das ist in relevanten Größenordnungen nicht umsetzbar und wird zwangsläufig in sehr unschönen Vorfällen enden. Die richtige Lösung wäre es die Palästinenser nach Ägypten ausreisen zu lassen. Aber nicht mal das ist in der realen Welt möglich. Ägypten wäre dazu sogar rechtlich verpflichtet, aber die machen es einfach nicht.
Zitat:Und zugleich erklärst du mir, dass eine Besatzung von Gaza nicht möglich sei ! (wie war sie dann früher möglich ?) und dass das eine Besatzung von Gaza falsch sei ! (warum war sie dann der Erzfehler der direkt zum Krieg geführt hat ?)Es gab doch keine Besatzung. Man hat in Gaza mit viel Aufwand einige Siedlungsblöcke gesichert und war ansonsten in die Fläche noch weniger präsent als im Westjordanland damals. Das Problem im engeren Sinne war dann auch, dass man nach dem Abzug die kühne Idee hatte die Palästinenser Wahlen abhalten zu lassen, die der Hamas in Gaza prompt die Legitimität verschafften die vergleichsweise israelfreundliche Fatah 2007 zu überwerfen. Da man abgezogen war hatte man dann seitens Israels kein Mandat und kein Verlangen den Coup zu unterbinden. Ein schwerer Fehler, aber der Kern des Abzuges war eben rauszugehen und die Palästinenser selber und eigenverantwortlich machen zu lassen.
Zitat:Es wäre daher schon allein mal ein Anfang, seitens der Regierung die Palästinenser als zu vor der Hamas zu rettende Menschen darzustellen und nicht als eine nicht-menschliche Entität die man nach elieben weiter töten muss, weil das halt der Status Quo ist.Gerade die Israelis würden ihrer Regierung den Vogel zeigen und sich von in ihren Augen Unfug nicht beeinflussen lassen. Das funktioniert vielleicht hierzulande, aber sicherlich nicht bei den notorisch respektlosen und obrigkeitsverachtenden Israelis.
Insofern, die Perspektive der Israelis ist auch nicht irgendwie vom Himmel gefallen, sondern über Generationen und insbesondere in den letzten zwanzig Jahren durch unmittelbares Erleben geprägt worden. Noch ganz ohne den 7. Oktober, der die Einstellung der Israelischen Gesellschaft nochmal ganz grundlegend auf rechts gedreht hat.