03.08.2024, 21:05
(03.08.2024, 11:52)Schneemann schrieb: Da könnte man nun schon fragen, wem die Ermordung Hanijas genutzt hat?
Die Ermordung dient jedem, dem ein Waffenstillstand weniger dienlich ist, als eine weitere Eskalation und Ausweitung. Keine der Parteien vertritt hier in sich geschlossene Meinungen zu dem Thema, aber diese Interessensträger gibt es nach meiner Einschätzung innerhalb jeder der möglichen Kriegsparteien. Zündelei. Die Ermordung Haniyahs verzögert bzw. vergiftet die Verhandlungsoptionen mit der Hamas über einen Geiseldeal und Waffenstillstand. Ist schon etwas absurd, dass der Mossad mit höchstem Person nur zwei Tage nach der Ermordung des gegnerischen Verhandlungsführers zu ebensolchen Verhandlungen mit der Hamas in Kairo antanzt. Was soll dabei heraus kommen? Die Ermordung und die Geschichten über die Durchführung in Teheran in einem Sicherheitsbereich der IRGC dienen auch jedem, der den iranischen Staatsapparat verunsichern möchte, um zu signalisieren: Wir treffen JEDEN ÜBERALL. In der Summe der Motive sehr dienlich für Netanjahu, das genau so zu tun und hat ja auch funktioniert. Chapeau.
Zitat:Ich meine, es ist bislang immer noch unklar, wer genau hinter der Tat steckt
Wirklich?
Zitat:Und dieser ganze Aufruhr wegen eines toten Terroristen lässt zudem das Gefühl aufkommen, dass es völlig egal ist, wer hinter dem Attentat steckt - denn es hat seinen "strategischen" Zweck erfüllt, völlig egal ob nun der Mossad tatsächlich die Fäden zog oder nicht.
Egal wer dahinter steckt ist es keinesfalls. Die Frage ist sogar im Kern, welcher Akteur einen solchen Angriff wagt, weil es zutiefst ungerecht wäre, wenn Gegenschläge in die falsche Richtung verteilt werden. Das wäre ja dann sonst ein sogenannter "False Flag". Den tödlichen Raketeneinschlag auf von Israel besetzten syrischen Golan halte ich für eine mögliche False Flag Aktion. Die Tötung Haniyahs in Teheran dient dem Ansehen der IRGC irgendwie nicht. Schon gar nicht in einem IRGC Haus. Das wären dann aus staatlicher Sicht eher subversivere Kreise, wie die staatsfeindlichen Volksmujaheddin, sunnitische Extremisten der Jundallah oder IS, ggf. kurdische Separatisten. Aber IRGC in einem IRGC Haus als False Flag. Ne. Es ist relativ offensichtlich wer dahinter steckt.
Zitat:Gleichwohl sollte man aber wegen eines Attentats, dessen Hintergründe immer noch dezidiert unklar sind, nicht Hals über Kopf einen Konflikt lostreten, von dem man nicht wissen kann, wie er ausgeht. Man sollte sich also davor hüten, in der Tötung Hanijas eine Art von Sarajewo-1914-Moment sehen zu wollen...
Die Iraner sind gar nicht interessiert an einem offenen Krieg. Krieg hilft der iranischen Wirtschaft nicht und das hat eigentlich Fokus. Der frisch gewählte Präsident aus dem Lager der Reformer ist ohne näheren Bezug zu den Streitkräften eigentlich auch nicht der Richtige für einen Krieg. Der kann die Wirtschaft beleben, Kontakte in den Westen verbessern, irgendwie so. In der aktuellen Situation können sich die Iraner von Israel aber nicht auf eigenem Territorium auf der Nase herumtanzen lassen. Nicht nachdem man bereits kürzlich Israel erklärt hat wo die roten Linien liegen, nicht während Allianzpartner erheblichen Blutzoll bezahlen. Es ist unmöglich das auszusitzen und das war auch der iranischen Führung unmittelbar klar. Ein eigenes Bombenattentat mit besten Grüßen wäre zwar irgendwie cleverer und gegenüber dem Mossad wahrscheinlich sogar abschreckender, aber reicht vom Signalling in der aktuellen Lage definitiv nicht aus. Mit Sicherheit ist das auch die Kalkulation des Attentäters.