03.12.2023, 14:32
Eine recht interessante Darstellung über die Lage im Westjordanland:
Schneemann
Zitat:«Wir leben hier in einer Bubble» – die Palästinenser in Ramallah wollen nichts vom Krieg in Gaza wissenhttps://www.nzz.ch/nzzas/in-ramallah-wol...ld.1768716
Ramallahs Einwohnerinnen und Einwohner sind anders, sie wollen ihr Leben leben, arbeiten, gut essen. Sie sind stolz auf ihre Mini-Oase. Wie lange bleibt sie noch friedlich?
«Willkommen im Zentrum der Welt», sagt Omar Samir und bringt eine Flasche Taybeh an den Tisch, «garantiert palästinensisches Bier». Es ist Samstagabend, Anfang November, das Restaurant «Sajiyeh» ist gut besucht. An den Tischen sitzen auffallend viele Frauen, mit aufgeklappten Laptops, man raucht Shisha, spricht Arabisch und Englisch. [...] Vor vier Jahren haben die beiden das Restaurant übernommen, das Paar teilt sich die Arbeit auf, in der Küche und an der Theke. Die Kundschaft stammt aus der gehobenen Mittelschicht, die meisten haben studiert, auch Geschäftsleute kehren hier zum Essen ein oder Ausländer, die bei NGO arbeiten – an die tausend sollen ihren Sitz in Ramallah haben. [...]
Das Zentrum der Welt liegt rund 15 Kilometer nördlich von Jerusalem auf einem Hügel und heisst Ramallah. Einst ein beschauliches Bauerndorf, ist die Stadt inzwischen mit 60 000 Einwohnern zu einer boomenden Mini-Metropole geworden, der heimlichen Hauptstadt des Westjordanlandes. [...] «Über Politik reden die Leute hier selten, sie möchten abschalten, sich mit Freunden treffen oder ihren Geschäften nachgehen – sie wollen ein normales Leben führen. So schlimm es klingen mag: An den Rest haben wir uns gewöhnt», sagt Samir. Er schüttelt den Kopf und zeigt auf den Bildschirm im Hintergrund, wo al-Jazeera in Dauerschleife grauenhafte Bilder aus Gaza zeigt. [...]
Oh nein, nicht schon wieder, habe er als Erstes gedacht, als sich am 7. Oktober die ersten Nachrichten zum Hamas-Angriff auf Israel verbreitet hätten. Murad Abdel will seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. «Jetzt war es doch eine Weile so gut.» Der 30-Jährige machte bereits früh die Erfahrung, dass der Kampf gegen die israelische Besatzung aussichtslos ist und die eigene Regierung unfähig, die internationale Gemeinschaft für einen palästinensischen Staat zu gewinnen. Als die zweite Intifada um 2003 ihren Höhepunkt erreichte, war Abdel 10 Jahre alt und warf Steine gegen die gepanzerten Jeeps der israelischen Armee. Doch schon als Teenager wollte er von Politik nichts mehr wissen, von diesem ewigen Konflikt und dem Gerede von den zwei Staaten.
Schneemann