09.06.2023, 09:07
(09.06.2023, 07:31)Quintus Fabius schrieb: 1. Sind die Ukrainer überhaupt ausreichend dazu befähigt ? Insbesondere - sind sie befähigt zum Gefecht der verbundenen Waffen und zur Ausnutzung eines tatsächlich selbst erzeugten Durchbruches ? Denn die bisherigen "Offensiven" der Ukraine resultierten einfach aus einem Kollaps der russischen Einheiten, deren Flucht und die Ukrainer wurden da mehr in das folgende Vakuum hinein gezogen als dass sie offensiv agierten.Das gerät IMO ja auch immer mehr zum Mythos. Also die 'Befähigung zum Gefecht der verbundenen Waffen'. Denken wir uns mal die direkte Luftkomponente weg - die Ukrainer haben schlicht nichts - nach dem was man liest unterstützten sie im Rahmen des möglichen durchaus massiv artilleristisch und agieren offensichtlich in gemischten Verbänden mit MBT und APC/IFV.
Was soll dort jetzt groß anders gemacht werden oder wie soll das sonst aussehen?
Die Aufgabe heißt nunmal (warum auch immer es ausgerechnet dort sein soll) Angriff mit mechanisierten Verbänden auf ausgebaute Stellungen gegen einen offensichtlich vorbereiteten und kampfeswilligen Gegner. Im Schwerpunkt auf einer Breite von bestenfalls 20km mit nach meiner Beobachtung / SWAG mit Elementen aus drei Brigaden.
Da gibt es keine elegante Lösung, kampfunterstützende Elemente treten soweit überhaupt vorhanden deutlich in den Hintergrund. Freilich wäre es schön wenn man die russischen Stellungen vorab aus der Luft zerschlagen und die Artillerie soweit niederhalten könnte, das auch das letzte Minenfeld vorab geräumt werden könnte, aber das lassen die Möglichkeiten auf beiden Seiten nicht zu.
Sprich, ich sehe jetzt nicht unbedingt, was da mehr gemacht werden könnte als augenscheinlich passiert. Man rückt vor und drückt ein, ein rascher Durchbruch durch 3, 4, 5 gestaffelte Verteidigungslinien kann allerdings nicht erwartet werden. Das ist ein abnutzendes Gefecht, primäres Ziel kann es nur sein den Gegner möglichst abzunutzen anstatt markante Punkte auf Landkarten zu erreichen.
Und ob das gelingt wissen wir aktuell schlicht nicht.
Quintus Fabius schrieb:2. Der wesentlichste Erfolgsfaktor für eine solche Offensive dürfte Überraschung sein. Nun erwartet aber jeder, auch die Russen, seit Monaten schon den Angriff im Süden in Richtung Asowsches Meer. Entsprechend dort auch die stärksten Befestigungen usw. Was wenn all diese Annahmen falsch sind, die aktuellen Angriffe dort also der Täuschung dienen (Ablenkungsangriff) damit die Russen hektisch noch mehr Truppen dorthin verschieben und der Angriff dann ganz woanders angesetzt wird ? Spezifisch der Norden (Bereich Sawtowe) wäre meiner Meinung nach leichter durch eine Großoffensive befreibar. Dies wäre auch politisch-strategisch weniger problematisch als der sofortige Stoß in Richtung der Krim und würde meiner Einschätzung nach viel geringere Verluste für die Ukraine erzeugen.Es wäre halt auch politisch weniger relevant Gebiet nördlich von Luhansk zu befreien als die Krim mindestens zu isolieren.
Ich glaube auch nicht an einen Ablenkungsangriff in der Form, dass die Ukrainer plötzlich komplett woanders noch mit mehreren Divisionäquivalenten angreifen werden. Schlicht weil man sehr auf die Krim fokussiert sind und nicht genügend begleitende Assets für zwei räumlich weit getrennte Offensiven haben.
Ich glaube allerdings nicht, dass sie so dumm sind und lediglich beabsichtigten mit aller Gewalt auf direkten Weg an der am schwersten befestigten Stelle der Front durchbrechen zu wollen. IMO gibt das auch das Ausmaß der Gefechte nicht her. Unzweifelhaft agieren da mehre Brigaden, aber wenigstens 2/3 der allein durch die Nato ausgebildeten und ausgerüsteten Verbände sind nach wie vor nicht zu sehen.
Es könnte daher sein, dass hier sehr brutal auf Abnutzung gesetzt wird dann einige Dutzend Kilometer weiter östlich der eigentliche Schlag kommt, wenn die russischen Reserven gebunden sind.
Wenn ihnen aber tatsächlich nicht mehr eingefallen sein sollte, als halt möglichst direkt zwei Korps über die Äcker auf Tokmak vor Meltipol zu schieben wäre das schon ein ziemliches Armutszeugnis. Nicht nur für die ukrainische Militärführung sondern auch die involvierten Nato-Planer.
Und zwar völlig unabhängig davon wie es am Ende ausgeht.
Quintus Fabius schrieb:3. Wie führt man eine mechanisierte Offensive ohne ausreichende Luftunterstützung durch, hinein in feindliches Gebiet über welchem die feindliche Luftwaffe durchaus recht frei agieren kann?! Deshalb müssten die Ukrainer eigentlich erhebliche Verluste vor allem auch durch die russische Luftwaffe erleiden. Und reicht das ukrainische Konterbatteriefeuer aus ? Den ansonsten wird man nur seine mühsam aufgebauten Reserven abnutzen, ohne dass dabei viel Geländegewinn heraus kommt.Und irl glänzt die sagenumwobene russische Luftwaffe mit Abwesenheit. Eigentlich müsste die russische Luftwaffe massiv in die Bereitstellungsräume hinein wirken, inklusive Niederhaltung der gegnerischen Flugabwehr. Ist während des ganzen Krieges in koordinierter Form so noch nicht passiert und wird IMO auch weiterhin nicht passieren. Schon schlicht weil sie nicht genügend Schlagkraft generieren können und komplexe Gefechtsfeldabriegelung nicht drauf haben.