(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
(10.04.2023, 23:53)Quintus Fabius schrieb: Und um das nochmal zu betonen: mir geht es nicht um den Status Quo. Hier und heute sind Kampfhubschrauber auch meiner Ansicht nach vollumfänglich einsetzbar, und ironischerweise wäre meiner Meinung nach das Konzept des Tiger exakt das was wir hier und heute benötigen würden bzw. was inzwischen besser geeignet wäre als das Konzept des AH-64. Mir geht es aber eben nicht um die Frage, was hier und heute ist, sondern da der Strang ja explizit sich um einen Nachfolger für den Tiger drehen soll geht es mir nur um die Frage, was in zwei oder mehr Dekaden sein wird und dem folgend um die Frage, ob man den Tiger überhaupt ersetzen soll und falls ja (was ich ganz allgemein bezweifle) mit was ?!

Auch mir geht es nicht um das Hier und Jetzt, und was ich zum Ausdruck gebracht habe war meine persönliche Ansicht zur kurz- und mittelfristigen Entwicklung. Naturgemäß wird so eine Betrachtung aber auf lange Sicht immer ungenauer und schwieriger, und irgendwann ergibt das Spekulieren für mich dann eben nur noch wenig Sinn. Zumindest wenn es in die revolutionäre Richtung geht, denn evolutionär sind entwicklungen ja durchaus absehbar (bei Systemlaufzeiten von 50+ Jahren). Im übrigen stimme ich dir mit deiner Bewertung des Tiger-Konzepts zu, aber ich glaube, darüber haben wir uns hier schon mehrfach ausgetauscht.

Zitat:Beispielsweise will Japan seine Kampfhubschrauber vollständig abschaffen, weil das japanische Militär sie für überkommen erklärt hat und deshalb ein Nachfolger für die Japaner keinen Sinn macht. Die japanischen Streitkräfte gehen davon aus, dass man die Aufgaben von Kampfhubschraubern durch andere Einheiten bereits hier und heute vollumfänglich ersetzen kann.

Die japanische Entscheidung ist Teil einer neuen Doktrin, bei der die immer geringere Zahl an Soldaten und eine offensivere Verteidigungsstrategie die Zusammensetzung der Streitkräfte bestimmen. Und man ist bereit, viel Geld dafür auszugeben. Die Kampfhubschrauber (Japan verwendet da noch eine teure, klassische Aufteilung der Fähigkeiten auf verschiedene Muster) passen da nicht mehr in dieses Konzept, können und sollen aber entsprechend auch nicht 1:1 ersetzt werden. Das kann man nun natürlich zu Ungunsten der Kampfhubschrauber auslegen, aber es würde inhaltlich der Sache nicht gerecht. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, die Mittlere Kräfte als Indiz dafür zu verwenden, dass man schwere Kräfte für überkommen und ersetzbar hält. Wink

Zitat:Wie soll man Kampfhubschrauber in zwei Dekaden aufwärts bewerten, wenn man nicht auch alternative Möglichkeiten der Kriegsführung diskutiert und die ganze Diskussion etwas ganzheitlicher führt?

Es ist doch kein Problem, hier in zwei Strängen zwei Diskussionen parallel zu führen. Ansonsten müssten wir überall immer über alles diskutieren, weil man doch letztlich nichts losgelöst von den Gesamtstrukturen und deren Entwicklungen betrachten kann.

Zitat:Man hat aber bereits hier und heute jede Menge sehr aufwendige Sensorik.

Das habe ich nicht in Abrede gestellt, sondern explizit die Kosten mit angeführt. Sensoren sind teuer, sehr teuer sogar im Vergleich zu anderen Komponenten. Gleiches gilt auch für die Gegenmaßnahmen, das sieht man ja gut an Aspekten wie Soft- oder Hardkill-Systemen. Hinzu kommt die mit der Größe und Gewicht skalierenden Leistungen. Heutige Flugabwehrsysteme sind in der Hinsicht komplexer aufgebaut, weil man diese Leistungsfähigkeit immer weiter ausdehnen will. In gewisser Hinsicht ist das sinnvoll oder auch notwendig, in anderer wird das immer wieder an die Grenzen des finanziell Machbaren stoßen. Und das gilt es zu berücksichtigen, insbesondere auch wenn es um die jeweilige Art
der Bedrohung geht, aber auch um die Art des jeweiligen Einsatzmittels.

Du sprichst von “ausreichender” Sensorik, das ist ein dehnbarer Begriff der von vielen Faktoren abhängig ist. Gleiches gilt ja auch umgekehrt, etwa bei “ausreichenden” Gegenmaßnahmen (deren Entwicklung ja auch fortschreitet), oder bei “ausreichend” geringen Signaturen. Wie gesagt, ich bin davon weit weniger überzeugt als du es bist, insbesondere wenn ich es im Kontext der generellen Kampfkraft betrachte.

Zitat:Es ist das Verhältnis von Preis- Leistung und Risiko welches nicht (mehr) stimmt.

Dein plakatives Beispiel beschreibt das Prinzip, und du wirst sicher wieder darauf hinweisen, dass die Zahlen rein fiktiv sind. Das ist alle schön und gut, aber mir ist durchaus bewusst, um was für Rechnungen es geht und wie man diese anstellt - ich komme nur zu anderen Ergebnissen. Und das hängt gar nicht so sehr an den Kosten für den Kampfhubschrauber selbst, sondern an der Gesamtheit der Faktoren die ich anders bewerte. Und wenn ich andere, in meinen Auge realistischere mögliche Kosten und andere Wahrscheinlichkeiten ansetze, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Aus dem Grund sage ich, dass der Kampfhubschrauber meines Erachtens auch auf absehbare Zeit auch kriegsökonomisch sinnvoll sein kann - wenn man ihn entsprechend ausstattet und optimiert. Das ist beim Tiger ja nun eindeutig nicht erfolgt, darf aber kein Maßstab sein. Ansonsten müssten wir diesen auch für alles andere anlegen, wodurch sich am Ergebnis dann auch wieder nichts ändern würde.

Zitat:Aber meine Schlußfolgerung ist hier halt, dass man sie eben am besten insgesamt fallen lassen sollte. (...) Und für mich ist er halt so fragwürdig, dass ich ihn inzwischen eher als ein Hinderniss auf dem Weg zu mehr Kampfkraft insgesamt sehe, denn als eine Steigerung dieser Kampfkraft insgesamt und dass ist völlig unabhängig davon, ob er als Einzelsystem eine hohe Kampfkraft hat oder nicht.

Beides ist völlig legitim, aber letzterem kann ich so halt nicht zustimmen bzw. sehe es anders. Und das ist ja, wie du auch schreibst, nichts schlechtes. Interessant fand ich den Austausch durchaus, aber das ist eigentlich bei jeder unserer Diskussionen so. Smile

Zitat:Aber ist das realistisch ? Kann man Kampfhubschrauber mit entsprechender Sensorik (!) welche zwingend notwendig ist so bauen, dass sie duellfähig sind, eine sehr hohe Gefechtsautonomie haben, auch in die Zukunft gedacht bei einer deutlich stärkeren Luftraumverteidigung (welche ja zwingend eine Folge der aktuellen Dialektik sein wird) trotzdem mit vertretbarem Risiko eingesetzt werden können und dass sie trotz all dem deutlich günstiger sind ?!

Wie soll das technisch gehen (ernstgemeinte Frage)? Wie baue ich einen Heli der ein vollumfänglich verwendbarer richtiger Kampfhubschrauber ist so günstig, dass er diese Problemstelllung auflöst und trotzdem über all die hier angeführten notwendigen Fähigkeiten (und noch mehr) verfügt?

Ist das technisch möglich und falls ja, wie ?

Aus technischer Sicht sollte die Grundlage prinzipiell sein, nur das neu zu entwickeln, was in ausreichender Qualität nicht am Markt verfügbar ist oder nicht angepasst werden kann. Dann sollte sowohl bei Einzelteilen als auch beim Gesamtsystem nicht die wortgetreue Erfüllung fiktiver Leistungsdaten, sondern die kosteneffiziente Erfüllung von Aufgaben entwicklungsbestimmend sein. Zudem sollte das Hauptaugenmerk nicht auf den Anschaffungskosten liegen, sondern auf den Gesamtprogrammkosten. Schon bei der Beschaffung wird deutlich, wie stark die Nebenkosten zur Gesamtrechnung beitragen, noch relevanter wird das bei der Einberechnung der Unterhalts- und Einsatzkosten. Das klingt alles furchtbar banal, ist aber gerade nicht selbstverständlich, was sich gerade bei den aktuellen Problemfällen zeigt.
Konkret auf einen Kampfhubschrauber bezogen bedeutet es beispielsweise, existierende Triebwerke mit guten ökonomischen Leistungen und einer entsprechenden Serviceinfrastruktur militärisch zu modifizieren (Signaturreduzierung), den Antriebsstrang mit entsprechenden Reserven auszulegen und auf funktionierende Technik zurück zu greifen. Das Leistungsgewicht muss keine neuen Rekorde brechen, 10-15% weniger Zuladung sind überhaupt kein Problem, wenn man dafür einfachere Konstruktionen und Materialien verwendet, die unter Extrembedingungen bessere Haltbarkeiten und einen geringeren Verschleiß aufweisen. Die militärische Härtung kann stärker über Redundanz und etablierte Systeme erfolgen, für die Signaturreduzierung gilt ähnliches. Die Sensorik ist natürlich teuer, aber auch da kann man auf bestehende Systeme aufsetzen. Dort ist das Geld zudem besser ausgegeben als bei irgendwelchen Speziallösungen in anderen Bereichen, für die es ausreichende Alternativen gibt.
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Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger - von Helios - 18.03.2023, 10:45
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