07.04.2023, 11:15
(06.04.2023, 21:37)Broensen schrieb: Das hat Helios ja auch schon mal als Option angesprochen. Mich würde da interessieren, wie Ihr Euch den Verbund zwischen einem Tiger-Upgrade/Nachfolger und einem H145M-basierten leichten Aufklärer vorstellen würdet. Das H-Force-Paket wäre ja eher ein Waffenträger / LUH / PAH (light) o.ä., aber kein dezidierter Aufklärer. Welche Aufgaben würden so einem leichten Aufklärer im Verbund zufallen, was müsste er für Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen, die der H-Force noch nicht hat?
Von einem Verbund habe ich bisher nicht gesprochen, tatsächlich sehe ich eher eine Paarung H145M/NH90, und das insbesondere in asymmetrischen Konflikten. In meinen Augen wäre beispielsweise eine Führungs- und Überwachungsversion des NH90 gepaart mit zwei H145M in einem solchen Umfeld sehr durchsetzungsfähig und deutlich sinnvoller als echte Kampfhubschrauber einsetzbar. Die notwendigen Anpassungen würden sich da durchaus auch in Grenzen halten, während sie für einen echten Scout-Hubschrauber größer ausfallen müssten. Der ganze Sinn der Paarung liegt ja darin, durch Trennung von Sensor und Effektor per Verbund multiple Angriffsvektoren auf die Ziele zu ermöglichen und gleichzeitig einen besseren Überblick über das Gefechtsfeld zu erhalten. Das kann man aber auch rein mit Kampfhubschraubern machen, sofern diese entsprechende Sensorik mitbringen, und hätte dann den Vorteil einer viel höheren Flexibilität, ohne dass der gesamte Verbund durch die Einzelleistungen eines schwächeren Typs eingeschränkt werden würde.
In symmetrischen Konflikten wäre ein solcher "leichter Kampfhubschrauber" (je öfter ich den höre, desto schwieriger finde ich den Begriff) eher geeignet im Grenzbereich zwischen einem frontnahen Einsatz und den von Quintus angesprochenen Einsätzen auf größere Distanzen. Hier könnte er beispielsweise als hochmobile Waffenplattform dienen, die ihre Zieldaten von den Frontkräften bekommt und in einem engen Verbund mit Abstandsmitteln Nahunterstützung leistet. Dies wäre natürlich auch in Kombination mit einem Kampfhubschrauber möglich. Hinsichtlich der Aufklärungsfähigkeiten und damit auch der Fähigkeit zum autonomen Waffeneinsatz definiert sich ein solcher Hubschrauber über die eigene Sensorik, aufgrund der Anfälligkeit sprechen wir da dann aber schon eher von Mastsystemen (allenfalls noch von aktiven Dachsensoren).
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(07.04.2023, 09:30)Quintus Fabius schrieb: auch wenn du nun sagst, dass du die Gefährungspotentiale nicht relativierst, meiner Wahrnehmung nach tust du das aber. Du relativierst die Gefährung der Kampfhubschrauber welche dadurch entsteht, dass diese "Näher" an den Feind heran gehen und die dadurch entsteht, dass die Aufklärung auch im Krieg der Zukunft unzureichend sein wird, und der Nebel des Krieges weiter bestehen wird, denn in diesem Punkt sind wir uns ja beide absolut einig. Selbst in einem mit Sensoren vollgemüllten gläsernen Schlachtfeld wird es weiterhin einen Nebel des Krieges geben, dieser wird allenfalls seine Form ändern (ein Übermaß an Informationen in Echtzeit erzeugt auch den gleichen Effekt durch Informationsüberladung, durch Übernutzung der verfügbaren Bandbreiten für den Informationstransporr, durch feindliche Störmaßnahmen usw usw)
Du vermischt die Gefahr durch Einsätze näher am Feind mit der Gefahr durch Einsätze über feindlichem Gebiet, über dem sich die Bedrohungslage kontinuierlich verändert. Und das hängt durchaus mit einem wichtigen Punkt zusammen, den du selbst ansprichst, nämlich den jeweiligen Fähigkeiten zur Luftraumverteidigung. Wenn wir hier von symmetrischen Fähigkeiten ausgehen, dann kann sich in einem mehr oder weniger breiten Streifen eine fliegerische Todeszone entwickeln, in denen keinerlei Operationen im von beiden Seiten kontrollierten Luftraum mehr möglich sind. Das bedeutet aber auch, dass in diesem Gebiet keine Hubschrauberjagd durch die feindlichen Starrflügelkräfte möglich ist, was in meinen Augen prinzipiell eine der Hauptbedrohungen auf einem symmetrischen Gefechtsfeld darstellt. Es fehlen also die Aufklärungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten aus der Höhe und damit auch der Distanz, so dass sich das tatsächliche Einsatzrisiko vor allem auf die bodengestützte Kurzstreckenflugabwehr und feindliche Kampfhubschrauber konzentriert, wobei letztere wiederum dem gleichen Bedrohungspotenzial ausgesetzt sind.
Hubschrauber selbst agieren in symmetrischen Szenarien unterhalb dieser kontrollierten Lufträume und sind dadurch in der Lage, durchaus in derartigen Todeszonen zu agieren. Natürlich ist dabei das Risiko umso höher, je näher man am Feind agiert oder wenn man aus welchen Gründen auch immer "über den Feind" gerät, eine Situation, die man durch ein gesteigertes eigenes Situationsbewusstsein verringern aber nie ganz vermeiden kann. Kein Waffensystem ist unverwundbar, und es wird natürlich auch bei den Kampfhubschrauber selbst bei der zu präferierenden defensiven und vorsichtigen Herangehensweise zu Verlusten kommen, noch mehr, wenn situationsabhängig offensivere Taktiken notwendig sind. Ich teile nur nicht deine Ansicht, dass das Gefährdungspotenzial von Kampfhubschrauber so hoch ist, dass es keine Duellfähigkeit mehr gibt oder eine generelle Überlegenheit der bodengestützten Hubschrauberabwehr besteht.
Man kann Cobra und Apache durchaus mit 30 mm abschießen, auch mit (deutlich) kleineren Kalibern. Sie sind aber auch in der Lage, größere Kaliber zu überleben. Extreme spielen letztlich keine Rolle, die Frage ist, welche Systeme kommen zum Einsatz und wie hoch sind das Trefferrisiko sowie die statistischen Trefferfolgen. Und da hat die Realität gezeigt, dass ein gut konstruierter Kampfhubschrauber durchaus recht robust sein kann, wichtiger noch aber sind seine Fähigkeiten, sich den Treffern überhaupt zu entziehen. Und die sind Flugdynamisch und durch Schutzsysteme (auch wenn Hardkill-Systeme, wie hier ausgeführt, wenig sinnvoll sind) durchaus auch in Zukunft noch gegeben.
Zitat:Aufklärung und Bekämpfung möglichst weitgehend autark in einer Plattform zu haben, ist daher durchaus ein Argument für Kampfhubschrauber aus genau diesem Aspekt heraus: der Erhöhung der Geschwindigkeit. Simpkins schrieb nicht umsonst von einem Race to the Swift. Aber ich verschließe mich dieser Logik ja gar nicht: sondern mein Argument ist ein ganz anderes:
Aufklärung und Wirkung können heute zunehmend in den Effektor selbst verbaut werden.
Mit entsprechenden Kosten und Einschränkungen. Und genau diese Kosten und Einschränkungen sind es, die ich hier deutlich höher einschätze. Denn zu der Kombination aus Aufklärung und Wirkung kommt ja auch noch die Distanz, die insbesondere an ersteres nochmals deutlich höhere Ansprüche stellt. Es braucht also erstmal die notwendige technologische Reife dieser Systeme, bis sie in meinen Augen eine wirklich vollumfänglich brauchbare Alternative darstellen. Bis dahin können sie in meinen Augen höchstens als Ergänzung dienen. Vielleicht liege ich damit falsch, gut möglich, dann wird mich die Zukunft korrigieren.
Zitat:Ich will diesen Punkt sogar noch mal steigern, denn meiner Überzeugung nach werden wir schon bei Kriegsbeginn erhebliche Informationsdefizite haben. Diese werden also in meinem Kriegsbild nicht erst mit dem voranschreiten des Krieges entstehen.
Das habe ich explizit so geschrieben, es wird nur im weiteren Verlauf eines Krieges weiter zunehmen.
Zitat:Deshalb ist es hier eigentlich mal eine amüsante Konstellation, dass ich hier eher der Technologie das Wort führe, während du vor ihrer Überschätzung warnst, normalerweise ist das letztgenannte ja eher meine Rolle.
Umso genauer sollten wir unsere eigenen Argumentationen kritisch prüfen.
Zitat:Sieh dir beispielsweise mal die Theorien bezüglich RMA in den 90ern an, in welchen dann der Kampf aus der Distanz die primäre Kampfweise aller Einheiten wäre, oder die Planungen der USA zum FCS. Im Prinzip hat man hier bereits sehr vieles was heute zunehmend Realität wird vorweg genommen. Die Tendenz geht daher durchaus in diese Richtung, wie ja auch die praktische Kriegsrealität immer mehr und mehr belegt.
Letzteres wage ich zu bezweifeln. Sicherlich lassen sich einzelne Aspekte herausgreifen, aber insgesamt erleben wir de facto nur einen Bruchteil der Kriegsrealitäten, die uns in naher und mittlerer Zukunft in symmetrischen Konflikten bevorstehen könnten. Der Ukrainekrieg, der technisch und taktisch fast wie eine Vision eines Spiegeluniversums anmutet, ist dabei das beste Beispiel, selbst wenn es aufgrund der begrenzten Informationen inhaltlich sehr schwer überhaupt als Beispiel taugt.
Zitat:Bezüglich Kampfhubschraubern wirft das meiner Meinung nach die Frage auf, wie frei solche Verbände agieren können und sollen, und wie es mit der tatsächlichen realen Gefechtsautonomie in einer vernetzten Kriegsführung aussieht, in welcher die Vernetzung der Einheiten für ein Übersteuern der geführten unteren Ebenen und zu viel Mikromanagement führt.
Das ist eine berechtigte und wichtige Frage, die Gefechtsautonomie darf natürlich nicht bei irgendwelchen technischen Fähigkeiten enden, sondern muss sich auch in der Führung niederschlagen. Und das, wie du schon sagst, weit über die Kampfhubschrauber hinaus.
Zitat:Selbstverständlich, dass steht außer Frage. Du könntest auch noch viel einfacher von einer hochmobilen, sehr schnellen und sehr kampfstarken Reserve sprechen, dass wäre meiner Meinung nach noch präziser.
Meinetwegen auch so.
Zitat:Und selbstaufklärende Abstandswaffen, spezifisch also zielsuchende Munition, bieten nun mal faktisch die gleichen Fähigkeiten, insbesondere die Gefechtsautonomie in der Kombination von Aufklärung und Wirkung in einem System und stellen damit den Kampfhubschrauber gerade eben deshalb in Frage.
Wie bereits mehrfach gesagt, das sehe ich sehr deutlich anders. Wenn man mit entsprechenden Effektoren die faktisch gleichen Fähigkeiten abbilden wollte, würden daraus hochkomplexe Systeme werden, deren Kosten in meinen Augen nicht mehr gerechtfertigt wären. Man beschränkt sich also darauf, einen vermeintlichen wesentlichen Teil der Fähigkeiten abzubilden, und genau da liegt für mich der Schwachpunkt. Derartige Waffen haben ihre Zukunft, definitiv, aber sie werden in ihrer Bedeutung aktuell deutlich überhöht. Das verwundert natürlich nicht, denn was sie versprechen ist natürlich sowohl in politischer wie industrieller Sicht verlockend. Auch deshalb bin ich skeptisch.
Zitat:Ich schrieb ja auch schon explizit, dass die Transporthelis entsprechend auch Einheiten am Boden absetzen können...............
Das war der zweite Teil der schon in den siebziger Jahren für eine Panzerabwehr quantitativ überlegener Kräfte aufgestellten Einheiten, in meinen Augen ist dieser Ansatz auch heute noch zielführend.