(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
(30.03.2023, 19:06)Quintus Fabius schrieb: Zum einen ist der Kampfhubschrauber dazu aber nicht ausreichend in der Lage, weil seine Wirkungsmöglichkeiten gegenüber einem modernen Gegner dafür zu beschränkt sind, er zu anfällig ist, zu sehr auf Abstand bleiben muss und man einen Einsatz von Raketen auf so große Distanzen anders, wesentlich kostengünstiger, einfacher und effizienter gestalten kann

Butter bei die Fische, welche Anfälligkeiten meinst du? Und noch wichtiger, du erwähnst immer diese "anderen Möglichkeiten", wie sehen die konkret aus? Mir reicht es argumentativ nicht zu hören, dass es besser geht, ohne zu erfahren, wie es besser geht. Ich möchte ja etwas aus der Diskussion mitnehmen, die Alternativen kennenlernen um sie genauer studieren und Schlussendlich berücksichtigen zu können.
Der Kampfhubschrauber ist eine Feuerwehr, es geht also ganz konkret um Situationen, in denen die notwendigen Fähigkeiten zur Bekämpfung des Feindes nicht unmittelbar zur Verfügung stehen - welche Alternativen gibt es realistisch betrachtet und auf die Bundeswehr bezogen? Und jetzt bitte keine Allgemeinplätze, dass man solche Situationen gefälligst zu vermeiden hat. Wir müssen davon ausgehen, dass es in einem Konflikt immer wieder dazu kommt, oder siehst du das anders und gehst davon aus, dass die Zahl derartiger Situationen überschaubar und damit auch ignorierbar sein wird? Dann wäre der Kern des Dissens gefunden.

Zitat:Dem kann ich schon zustimmen, aber die Frage ist dann für mich, ob man die Gefechtsautonomie im Sinne dieser Definition so hoch gewichten sollte.

Man muss sie bei der Feststellung der Kampfkraft auf jeden Fall berücksichtigen, weil sie darüber entscheidet, wie viele Mittel zur Erfüllung der verschiedenen Aufgaben im besten Fall und im Normalfall gebunden werden. Und darum geht es bei der Frage der Einsatzeffizienz. Wenn ich am Ende zum Erreichen eines Einsatzziels wahlweise entweder vier Kampfhubschrauber losschicken muss, oder zwei Jagdbomber plus einen Begleitstörer zur Sicherung gegen die feindliche Flugabwehr, zwei Jäger gegen die Bedrohung durch feindliche Luftstreitkräfte, eine Drohne für die Zielaufklärung und einen Lufttanker weil die einsatznahe Flugplatzinfrastruktur zerstört wurde, dann mag heruntergebrochen auf die tatsächliche Wirkung das Kampfflugzeug effektiver sein als der Kampfhubschrauber, in der Summe der Aufwand aber mit Flugzeugen viel höher ausfallen.
Und ja, das ist ein polemisches und plakatives Bild, das keinerlei verallgemeinerte Aussagekraft besitzt. Mir geht es nur darum zu verdeutlichen, dass zum einen zur Bewertung der Kampfkraft der Gesamtaufwand berücksichtigt werden muss, und zum anderen die Gefechtsautonomie durchaus einen Wert darstellt, insbesondere wenn die sonstigen Ressourcen begrenzt sind. Denn wenn es in dem konkreten (und inhaltlich völlig belanglosen) Fall keine Drohne für die Zielaufklärung gibt oder kein Tanker zur Verfügung steht, oder der Begleitstörer gerade einen wichtigen anderen Angriff begleiten muss, dann kann diese Mission gar nicht durchgeführt werden. Neben dem Aufwand selbst müssen also auch die Abhängigkeiten berücksichtigt werden, und je mehr es davon gibt, desto geringer muss man die Kampfkraft in einem echten Konflikt einschätzen.

Zitat:Die Grenzen des Einsatzes von Raketen auf große Distanzen zwischen Kampfhubschraubern, Panzerjägern (bspw. Spike NLOS (welche ja auch nun von Kampfhubschraubern eingesetzt wird)) und Raketenartillerie verschwimmen meiner Ansicht nach zunehmend. Und auch Kampfhubschrauber setzen zunehmend auf einen Verbund mit Drohnen beispielsweise, welche für sie aufklären sollen.

Für Einsatz von Wirkmitteln auf große Distanzen ist der Kampfhubschrauber eh das falsche Mittel, und der Verbund mit Drohnen ist wie hier im Strang schon erwähnt ein recht komplexes Thema. Es gibt ja durchaus inzwischen reale Erfahrungswerte, die Möglichkeiten und Grenzen auch auf absehbare Zeit aufzeigen. Und da muss man klar festhalten, dass derartige Verbünde keine kurzfristige Lösung sein werden, und dass sie auch am Grundprinzip der Gefechtsautonomie nicht so viel ändern werden, weil sie absehbar zum Erreichen der notwendigen Leistungsfähigkeit wie geschlossene Systeme agieren müssen. Zumindest in symmetrischen Konflikten, für asymmetrische Einsätze gelten ja andere Voraussetzungen, und da habe ich meines Erachtens deutlich gemacht, dass ich da keine Einsatzperspektive für Kampfhubschrauber sehe.

Zitat:Was recht gut zu dem Punkt von voyageur überleitet: ein zukünftiger Kampfhubschrauber wird in jedem Fall in den Gesamtverbund eingebunden, anders wäre es ja auch nicht sinnvoll. Entsprechend ist er eben nicht ein autonomes System dass für sich alleine agiert, sondern er agiert ganz genau so in einem Verbund.

Ich kann diese Logik nicht nachvollziehen. Die Einbindung in den Gesamtverbund muss aus verschiedenen Gründen erfolgen, schon allein aus Selbstschutzgründen etwa, das bedeutet aber nicht, dass dieser Verbund immer gleich ausgeprägt zur Verfügung steht oder mit diesem geplant werden kann. Ansonsten müsste man doch alles in Frage stellen, was über den Verbund ersetzt werden kann - warum beispielsweise eigene Zieloptiken für Kampfpanzer, die notwendigen Daten könnten doch durch die Drohnen generiert werden? Ja, Polemik, ich weiß. Aber das ist in meinen Augen ein durchaus relevanter Punkt, insbesondere wenn einzelne Systeme ins Zentrum rücken und dadurch eine fundamentale Relevanz erreichen.
Können wir in einem Krieg davon ausgehen, dass uns ein so elementares System ständig zur Verfügung steht? Mal abgesehen davon, dass es bei dem Argument der Gefechtsautonomie vor allem um den Einfluss auf den Gesamtaufwand ging, sehe ich darin durchaus einen sehr großen eigenen Wert. Insbesondere wenn es um die direkte Konfrontation geht, und dafür sind die Kampfhubschrauber gebaut und so müssen sie eingesetzt werden, sind für mich persönlich autonome Fähigkeiten sehr wichtig, eben weil sie bis zur Grenze der Einsatzfähigkeit des Einzelsystems zur Verfügung stehen.

Zitat:Und genau darauf wollte ich hinaus: in der geringen Stückzahl, bei derart hohen Kosten, mit derartigen und zunehmenden Einschränkungen was die Einsetzbarkeit angeht und bei der meiner Meinung nach sinkenden Gefechtsautonomie, machen dezidierte konventionelle Kampfhubschrauber wie man sie bisher beschafft hat meiner Meinung nach keinen Sinn mehr.

Aber auch in diesem Fall ist die Art und der Umfang wie man diese Systeme bisher beschafft hat für mich nicht das entscheidende Kriterium, außer natürlich, dass mir die Quantität nicht gefällt. Für die Flugabwehr ist der bisherige Umgang ja auch nicht relevant, und darf nicht darüber entscheiden, welches Gewicht sie in Zukunft hat.

Die ursprüngliche Planung sah knapp über 200 Kampfhubschrauber vor, in meinen Augen sollten wir uns eher in diese Richtung als im Bereich des aktuellen Bestandes bewegen. Das wäre durchaus eine Quantität, die Deutschland bereitstellen könnte und sollte. Im Zweifel halte ich sie für wichtiger als die Beschaffung von beispielsweise 60 schweren Transporthubschraubern. Wink

Zitat:In den frühen Werken über die Luftmechanisierung, bspw. von Senger und Etterlin oder Simpkin ging man ja noch davon aus, dass die Kosten für Hubschrauber abnehmen würden, dass sie also mit der Zeit günstiger würden und man verfolgte auch noch die Idee technisch vereinfachter Hubschrauber etc

Solange diese Hubschrauber von gut ausgebildeten Piloten gesteuert werden müssen werden sie immer gewisse Kosten mit sich bringen. Der ganze Hype um die Drohnentechnologie war ja auch davon beseelt, dass man diese Faktor ausschließen kann, vordergründig um menschliches Leben zu schonen, tatsächlich aber weil man sich viel Geld sparen wollte und will. Bei allen aktuellen Kampfhubschrauberprojekte ist die Kostenreduktion allerdings ein wichtiger Aspekt geworden, wohl auch, weil die immer weiter ausufernde Hochtechnologiespirale nirgendwo mehr bezahlt werden will.

Zitat:Davon ist man hier und heute weit weg. Deshalb fand ich deine Aussage so interessant, dass 80% der Leistung des Tigers reichen würden. Und ich fand auch die Idee von Jason77 bezüglich der Cobra aus diesem Grund interessant, oder deshalb habe ich mich lange für den Rooivalk begeistert etc: der Grundidee ein technisch einfacheres, günstigeres System zu beschaffen, ich kann deshalb auch die Kritik beispielsweise am Raider X oder Defiant X deshalb nachvollziehen.

Wobei FARA tatsächlich gewisse Zielkosten erreichen soll, es bleibt abzuwarten, wie das dann real ausschaut (wobei wir die Opportunitätskosten nie erfahren werden). Der AW249 wurde sehr explizit auf ökonomische Aspekte hin ausgelegt, auch mit dem Wissen, dass man dadurch keine technologischen Sprünge machen kann. Letztlich müsste man bei jedem Projekt schauen, was technisch möglich ist, um dann für die Umsetzung einen Schritt zurück zu gehen. Das so gesparte Geld kann man in kürzere Fortentwicklungszyklen und die Technologieforschung investieren.

Zitat:Worauf es aber meiner Befürchtung nach wieder hinaus laufen wird ist, dass man erneut nichts halbes und nichts ganzes tun wird, und dies für das doppelte der Kosten aufwärts.

Die Realität holt uns Träumer halt immer wieder ein.

(30.03.2023, 19:43)Broensen schrieb: Natürlich wäre das die zu bevorzugende Lösung. Und vielleicht bringt eine Ambitions-Reduktion bei Mk.III/II+ ja sogar wieder etwas Spielraum in dieser Richtung. Nur dürfte man dann jetzt nicht auf deutscher Seite das ganze System an sich abschreiben.

Das habe ich ja durchaus auch schon als Möglichkeit genannt, wobei der Umgang mit dieser Aufwertung inzwischen zeigt, wie unsinnig die Vorgehensweise teilweise geworden sind. Eine höhere Leistungsstufe nur deshalb anzustreben, weil die finanziellen Mittel dafür da sind, da man sie auf mehr Partner verteilen kann ist doch dermaßen unsinnig, dass man sich nur die Haare raufen kann. Das ist für mich kein pragmatischer Umgang mit den Problemen, das ist von vorn herein ausgemachter Unsinn.

Zitat:Inwieweit bestehen denn da technische Parallelen zum NH90 über das Triebwerk hinaus? wären da irgendwelche sinnvollen Synergien herzustellen?

Erstmal muss man festhalten, dass der AW189 mit zwei verschiedenen Triebwerken angeboten wird, und sich Italien beim AW249 für den Antrieb von General Electric entschieden hat, weil man diesen auch bereits beim NH90 nutzt. Bei einer germanisierten Version müsste man den umgekehrten Weg gehen, was aber kein größeres Problem sein sollte, weil diese Lösung von Anfang an vorgesehen war und im AW189 auch schon umgesetzt wurde. Die Synergien zum NH90 müssten über die Auswahl der Subsysteme hergestellt werden, sofern man das überhaupt will. Denn dieser ist ja nicht unbedingt der Maßstab in Sachen Wirtschaftlichkeit. Relevant ist, dass der gesamte dynamische Bereich und damit ein Großteil der mechanischen Kostentreiber beim AW249 zivil abgeleitet sind und damit sehr ökonomisch zu betreiben sein sollten. Es hängt dann an der Elektronik, in wie weit sich das dann insgesamt niederschlägt.
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