08.03.2023, 21:48
Nach dem Winterkrieg wurden die Luftstreitkräfte in mehreren Schritten neu organisiert, dazu gehörte auch ein Neubauplan für die Infrastruktur, der mit der ersten Phase im Herbst 1940 startete und dem bis Frühling weitere drei Phasen folgten. Insgesamt sollten so im ganzen Land bis Ende 1941 etwa 800 zusätzliche Plätze entstehen und bestehende Plätze verbessert werden. Schon die erste Stufe konnte nicht eingehalten werden, sowjetische Quellen sprechen von 254 bis 261 nachgewiesenen Neubauten bis Juni 1941, davon Zweidrittel (etwa 180) in den vier westlichen Militärbezirken (also Baltischer, Westlicher, Kiewer und Odessaer). Diese Fokussierung ergab sich aus der Ausgangslage. So gab es in den vier genannten Militärbezirken vor dem Neubauplan ganze 148 dauerhaft verwendbare Flugplätze, benötigt wurden für die Umsetzung der Neustrukturierung fast 200 infrastrukturell ausgebaute Plätze allein für die tatsächlich aufgestellten Regimenter (und über 300 für die eigentlich geplante Zahl an Regimentern). Hintergrund dieser Zahlen sind die Forderungen nach insgesamt stets drei zugewiesenen Flugplätzen pro Regiment (ein gut ausgebauter Heimat- sowie je einen für den Dauerbetrieb tauglichen Einsatz- und und einen behelfsmäßigen Ausweichflugplatz), zusätzlich zu den Behelfsflugplätzen, von denen im Wechsel einzelne Regimentsteile zeitlich begrenzt operieren sollten. Es gab bis zum deutschen Angriff keine Priorisierung beim Bau von Flugplätzen in Grenznähe.
Neben der Gesamtbetrachtung der Infrastrukturentwicklung ist auch die Dislozierung der Einheiten interessant. So waren in den genannten vier Bezirken im Juni 1941 nominell 39 Bomberregimenter, 44 Jagdregimenter und 6 gemischte Regimenter stationiert, tatsächlich befanden sich davon aber 14/17/3 in der Umrüstung auf modernere Maschinen und waren nicht einsatzbereit.
Um diese Zahlen einzuordnen, im Sommer 1940 besaßen die Luftstreitkräfte insgesamt 163 Regimenter, zusätzlich wurde Anfang 1941 beschlossen weitere 106 Regimenter aufzustellen. Bereits zu dem Zeitpunkt war absehbar, dass die Neuaufstellung und Umrüstung auf moderne Muster sich deutlich bis in der Jahr 1942 hinziehen wird.
Es war also rein nominell gerade einmal knapp die Hälfte der tatsächlich verfügbaren Regimenter und weniger als ein Drittel der insgesamt geplanten Regimenter in den vier westlichen Bezirken stationiert. Zudem waren kaum moderne Muster dort tatsächlich einsatzbereit, der Großteil der Maschinen bestand aus dem Jagdflugzeug I-16 und dem leichten Bomber SB-2, beides veraltete Muster, über die Stalin in der hier ja auch schon erwähnten Rede am 5. Mai sinngemäß sagte, dass diese gegen Deutschland nicht gefechtsfähig waren.
Stalin war der Zustand der eigenen Luftstreitkräfte durchaus bewusst, er selbst hat auf die Entwicklung und den Bau moderner, konkurrenzfähiger Maschinen bestanden. Im Laufe des Jahres 1941 liefen diese tatsächlich zu, die Angriffsflugzeuge Il-2 und Pe-2 waren ein deutlicher Schritt nach vorne, ebenso die Jak-1, die anders als etwa die für Fronteinsätze angedachte LaGG-3 und die vor allem für die Luftverteidigung der Städte abgestellte MiG-3 ein würdiger Gegner für die deutschen Jagdflieger sein konnte. Zum Zeitpunkt des Angriffs und auch im weiteren Verlauf des Jahres 1941 waren die Stückzahlen aber viel zu gering, um tatsächlich einen Unterschied zu machen. Auch dies war Stalin bekannt, der ja tatsächlich auch versucht hat auf diplomatischem Wege einen Krieg möglichst lange hinaus zu zögern.
Ja, Fakten lügen nicht, aber man darf sie auch nicht nur selektiv betrachten. Die Sowjetunion rüstete für den Krieg, und es dürfte unbestritten sein, dass man diesen im Zweifel auch begonnen hätte - je nach Entwicklung im Westen etwas früher oder später. Aber es spricht doch sehr viel dafür, dass wir hier eher von 1942 oder 1943 sprechen, und nicht von Juli 1941.
Falls Interesse besteht, trotz des Alters empfehle ich noch immer "Red Phoenix" von Hardesty, auch wenn man die Zahlen mit aktuellen Quellen gegenprüfen sollte. Hier empfehlt sich etwa "Lend-Lease and Soviet Aviation" von Kotelnikow oder auch "Air Battle over the Baltic" von Timin. Aus den genannten Werken sowie den Aufsätzen von deZeng stammen die von mir genannten Zahlen. Wie gesagt habe ich zu wenig Zeit um das jetzt ausführlich zu diskutieren, aber ich wollte aufgrund der letzten Beiträge mal eine andere Perspektive in die Diskussion einbringen.
Neben der Gesamtbetrachtung der Infrastrukturentwicklung ist auch die Dislozierung der Einheiten interessant. So waren in den genannten vier Bezirken im Juni 1941 nominell 39 Bomberregimenter, 44 Jagdregimenter und 6 gemischte Regimenter stationiert, tatsächlich befanden sich davon aber 14/17/3 in der Umrüstung auf modernere Maschinen und waren nicht einsatzbereit.
Um diese Zahlen einzuordnen, im Sommer 1940 besaßen die Luftstreitkräfte insgesamt 163 Regimenter, zusätzlich wurde Anfang 1941 beschlossen weitere 106 Regimenter aufzustellen. Bereits zu dem Zeitpunkt war absehbar, dass die Neuaufstellung und Umrüstung auf moderne Muster sich deutlich bis in der Jahr 1942 hinziehen wird.
Es war also rein nominell gerade einmal knapp die Hälfte der tatsächlich verfügbaren Regimenter und weniger als ein Drittel der insgesamt geplanten Regimenter in den vier westlichen Bezirken stationiert. Zudem waren kaum moderne Muster dort tatsächlich einsatzbereit, der Großteil der Maschinen bestand aus dem Jagdflugzeug I-16 und dem leichten Bomber SB-2, beides veraltete Muster, über die Stalin in der hier ja auch schon erwähnten Rede am 5. Mai sinngemäß sagte, dass diese gegen Deutschland nicht gefechtsfähig waren.
Stalin war der Zustand der eigenen Luftstreitkräfte durchaus bewusst, er selbst hat auf die Entwicklung und den Bau moderner, konkurrenzfähiger Maschinen bestanden. Im Laufe des Jahres 1941 liefen diese tatsächlich zu, die Angriffsflugzeuge Il-2 und Pe-2 waren ein deutlicher Schritt nach vorne, ebenso die Jak-1, die anders als etwa die für Fronteinsätze angedachte LaGG-3 und die vor allem für die Luftverteidigung der Städte abgestellte MiG-3 ein würdiger Gegner für die deutschen Jagdflieger sein konnte. Zum Zeitpunkt des Angriffs und auch im weiteren Verlauf des Jahres 1941 waren die Stückzahlen aber viel zu gering, um tatsächlich einen Unterschied zu machen. Auch dies war Stalin bekannt, der ja tatsächlich auch versucht hat auf diplomatischem Wege einen Krieg möglichst lange hinaus zu zögern.
Ja, Fakten lügen nicht, aber man darf sie auch nicht nur selektiv betrachten. Die Sowjetunion rüstete für den Krieg, und es dürfte unbestritten sein, dass man diesen im Zweifel auch begonnen hätte - je nach Entwicklung im Westen etwas früher oder später. Aber es spricht doch sehr viel dafür, dass wir hier eher von 1942 oder 1943 sprechen, und nicht von Juli 1941.
Falls Interesse besteht, trotz des Alters empfehle ich noch immer "Red Phoenix" von Hardesty, auch wenn man die Zahlen mit aktuellen Quellen gegenprüfen sollte. Hier empfehlt sich etwa "Lend-Lease and Soviet Aviation" von Kotelnikow oder auch "Air Battle over the Baltic" von Timin. Aus den genannten Werken sowie den Aufsätzen von deZeng stammen die von mir genannten Zahlen. Wie gesagt habe ich zu wenig Zeit um das jetzt ausführlich zu diskutieren, aber ich wollte aufgrund der letzten Beiträge mal eine andere Perspektive in die Diskussion einbringen.