(Zweiter Weltkrieg) Unternehmen Barbarossa
#41
(03.03.2023, 08:47)Schneemann schrieb: Erstens: Wenn dem so wäre, wieso dann der 01.07.? Die sowjetische Seite wusste spätestens ab dem Herbst 1940, dass die Wehrmacht in Ostpolen an der Grenze aufmarschiert. Wieso dann erst sieben Monate später aktiv werden? Folgt man der Annahme, dass die Sowjets den Präventivkrieg wollten, dann hätten sie schon viel früher aktiv werden müssen. Wollte man der Wehrmacht netterweise die Chance einräumen, erst alle Kräfte schön in Stellung zu bringen? Es ergibt keinen Sinn.

Natürlich weiß ich nicht, warum nach dem 1.7. Da hätte man schon den Generaliissimus Stalin befragen müssen. Ich denke, das ist die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Rote Armee die notwendige Aufrüstung erreicht haben konnte.

Wir sind hier im Bereich der Vermutungen. Ich denke, vorher waren sie nicht bereit und die Idee war schon, uns kurz vor dem Angriff zu überraschen und unerwartet in den Bereitstellungsräumen anzugreifen und den Erfolg dann weiter offensiv auszunutzen. Genau so also, wie es uns dann gelungen ist.


(03.03.2023, 08:47)Schneemann schrieb: Zweitens: Es gibt keine Angriffsforderungen. Weder Schukow noch Timoschenko oder Kusnetzow verlangten einen Angriff bzw. eine Offensive, um dem Gegner zuvor zu kommen. Das Maximum was sie im aggressiven Sinne verlangten, war, dass man deutsche Aufklärer über sowjetischem Terrain bekämpfen dürfe (was Stalin aber bekanntlich ablehnte). Bei allen Besuchen der Militärs bei Stalin in den sechs Monaten vor "Barbarossa" wurde in keinem Fall der Vorschlag einer Offensive gegen die Deutschen unterbreitet oder ein Angriff gefordert. Auch wurden keine Pläne dahingehend dem Kremlherrn vorgeschlagen. Alles drehte sich in den letzten Monaten - grob zwischen März und Juni 1941 - nur darum, dass man die Truppen "irgendwie" kampfbereit und verteidigungsbereit machen wollte. Aber selbst hierfür gab Stalin nur in sehr geringem Maße die Erlaubnis. Hinzu kommt, dass man durch Geheimdienstinformationen wusste, dass die Truppen faktisch in der Masse nicht kampfbereit waren, geschweige denn angriffsbereit. Selbst wenn man also die Verlegung von Verbänden näher an die Grenze als "Angriffsabsicht" deuten mag, so gibt es keine Angriffspläne und waren die Truppenteile nicht kampffähig.

Schneemann

Tut mir leid, da bin ich grundsätzlich anderer Meinung und seit der Öffnung der Archive ist da vieles bekannt geworden, was allerdings von der bundesdeutschen Historikerzunft eher beschwiegen wird.

Der letzte Operationsplan war vom 15.5.41. Er trägt handschriftliche Anmerkungen Schukows und war wie stets an Stalin adressiert. Eine Erwartung eines Überfalls wird hier nicht zum Ausdruck gebracht, aber es wird die Möglichkeit geäußert, daß Deutschland dem eigenen Aufmarsch präventiv zuvorkommt.
Wörtlich wurde geäußert: "...die deutsche Armee in dem Moment anzugreifen, wenn sie sich im Stadium der Entfaltung befrindet und die Front und das Zusammenwirken der Waffengattungen noch nicht rechtzeitig organisieren konnte."

Dem kann man zwei Sachen ganz klar entnehmen, die Sowjetunion war nicht ahnungslos und sie selbst hielten die Rote Armee für kampffähig.

In diesem Operationsplan wurde der eigene Aufmarsch weiter beschleunigt, um der Gefahr eines möglichen Präventivschlages zuvorzukommen.

Der Operationsplan war absolut offensiv ausgelegt:

Erstes Ziel die Vernichtung der südl. Demblin vermuteten deutschen Hauptkräfte und am Tag 30 die Frontlinie Ostrolenka. Fluß Narew, Lowitsch, Lodz, Kreuzburg, Oppeln und Olmütz zu erreichen.
Strategisches Ziel, Hauptschlag: aus dem Raum Kattowitz die starken Kräfte des Zentrums und des nördl. Flügels der WH zu vernichten sowie Polen und Ostpreußen in Besitz zu nehmen.
dazu die deutsche Armee östl. der Weichsel zu vernichten und Ri. Krakau entlang Narew und Weichsel vorzurücken und den Kattowitzer Raum einzunehmen
Nebenschlag: mit dem linken Flügel die Kräfte bei Warschau binden und Vernichtung des Gegners bei Lublin
aktive Verteidugung gegen Finnland, Ungarn, Rumänien

"Auf diese Art und Weise beginnt die Rote Armee Angriffshandlungen an der Front Tschishow, Motowisko mit den Kräften von 152 Divisionen gegen 100 Divisionen der Deutschen." Auf einem Angriffsstreifen von ca. 400 km. Teile wie die Pripjetsümpfe usw. herausgerechnet ergab sich eine Dichte von unter 2km/Division. Es handelt sich um eine reine Offensivplanung.

Und wie gesagt, die Truppenbewegungen, Mobilmachungen, Befehle und Direktiven zeigen alle, daß dieser Operationsplan nach dem 1.Juli umgesetzt werden sollte.

Dies widerspricht alles ganz konkret Deinen Aussagen:

-Bei allen Besuchen der Militärs bei Stalin in den sechs Monaten vor "Barbarossa" wurde in keinem Fall der Vorschlag einer Offensive gegen die Deutschen unterbreitet oder ein Angriff gefordert. Auch wurden keine Pläne dahingehend dem Kremlherrn vorgeschlagen. Das stimmt so nicht, alle Operationspläne hatten offensiven Charakter. Den letzten habe ich ja angerissen.

-Alles drehte sich in den letzten Monaten - grob zwischen März und Juni 1941 - nur darum, dass man die Truppen "irgendwie" kampfbereit und verteidigungsbereit machen wollte. Aber selbst hierfür gab Stalin nur in sehr geringem Maße die Erlaubnis. Die Rote Armee hatte eine atemberaubende Aufrüstung hinter sich und in den Wochen vor dem Unternehmen Barbarossa war sie bereits in Gefechtsbereitschaft versetzt worden. Die entsprechenden Befehle habe ich weiter oben angeführt. Ich verzichte auf eine Wiederholung.

- Weder Schukow noch Timoschenko oder Kusnetzow verlangten einen Angriff bzw. eine Offensive, um dem Gegner zuvor zu kommen. Der Operationsplan enthält handschriftliche Anmerkungen Schukows.

-Das Maximum was sie im aggressiven Sinne verlangten, war, dass man deutsche Aufklärer über sowjetischem Terrain bekämpfen dürfe (was Stalin aber bekanntlich ablehnte). Das entspricht absolut nicht dem Operationsplan. Ich weiß nicht, welche Quellen Du da hast ?

(03.03.2023, 12:23)Quintus Fabius schrieb: Ansonsten kann ich mich Helios nur anschließen: die Sowjets hatten eine explizite Offensiv-Doktrin / Vorwärtsstrategie für ihre Verteidigung. Die Dislozierung ihrer Truppen diente daher nicht einem Angriffskrieg, sondern entsprach ihrer Doktrin.

Auch bei einer offensiven Verteidigungsdoktrin setze ich bspw. meine Flugplätze nicht in einen Streifen von 1 - 40 km hinter der Grenze, teilweise im Bereich der deutschen Artillerie. Das mache ich nur, wenn ich angreifen möchte.


(03.03.2023, 12:23)Quintus Fabius schrieb: Beschließend: zweifelsohne hätte die Sowjetunion irgendwann das Deutsche Reich angegriffen, eventuell sogar schon 1942, aber nicht zu dem Zeitpunk, zu dem die Deutschen die Sowjets angriffen. UND: der deutsche Angriff hatte eben nicht das Ziel einen Präventivangriff durchzuführen um den Sowjets zuvor zu kommen, sondern er wurde intentional völlig losgelöst von allen sowjetischen Plänen und Absichten geführt.

Er wäre in jedem Fall gekommen, völlig unabhängig davon, was die Sowjetunion tut oder nicht, auch wenn die Sowjetunion ihre Truppen tief im Landesinneren aufgestellt hätte oder die sowjetische Doktrin eine andere gewesen wäre. Der Krieg gegen die Sowjets war ein primäres Ziel der Nationalsozialisten schon vor Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Da sind wir einer Meinung. Und ich halte den Angriff auch für einen großen Fehler. Aber im Nachhinein ist man auch immer schlauer.
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