(Zweiter Weltkrieg) Unternehmen Barbarossa
#23
(24.02.2023, 07:39)Quintus Fabius schrieb: Stichwort Sowjetische Doktrin: die Doktrin dieser Zeit sah in jedem Fall einen möglichst frühen Gegenangriff vor. Das heißt, auch bei einer Defensive war es das Ziel, so schnell wie nur irgendwie möglich von der Defensive in eine Gegenoffensive überzuwechseln. Noch darüber hinaus war Stalin ein Befürworter einer Vorwärts-Verteidigung und ging davon aus, dass die Wehrmacht gar nicht tief in den sowjetischen Raum eindringen könne, wie schon beschrieben schätzte man auf sowjetischer Seite die Zahl der deutschen Truppen dafür als viel zu gering ein.

Seit der Schlacht bei Nomonhan waren die Sowjets von der Grundidee überzeugt, jeden feindlichen Angriff sofort und unmittelbar an der Grenze mit Truppenmassen ersticken zu können, um dann ohne dass der Feind überhaupt voran gekommen war diesen dann der erfolgreichen Abwehr folgend offensiv angehen zu können.

Und genau deshalb diese Vorwärtslozierung der Verbände.

Das ist ironischerweise gar nicht so verschieden von der Aufstellung und der grundsätzlichen Doktrin der NATO in Westdeutschland vor allem zu Beginn des Kalten Krieges - Vorwärtsstrategie, dann Vorwärtsverteidigung genannt. Auch hier war die Idee, die Russen so weit östlich wie möglich, also unmittelbar in Grenznähe abzufangen. Und entsprechend waren die Verbände der NATO aufgestellt.

Nun zur Frage wie Schwipper überhaupt zu seinen Auffassungen kommt:

Er ist ein NVA Offizier, welcher in der Doktrin der Sowjetarmee des Kalten Krieges militärisch sozialisiert wurde. Diese Doktrin war sehr viel offensiver als die der Sowjets vor dem 2WK. Die Offensive wurde während des Kalten Krieges zur Zeit von Schwippers aktivem Dienst extrem überhöht, jedes Vorgehen der Sowjets war zu dieser Zeit immer als sofortige Offensive gedacht. Entsprechend seiner praktischen realen Erfahrung als Ost-Offizier, seiner militärischen Lehrgänge in Russland welche er besuchte und damit seiner praktisch-realen Erfahrungen mit der Roten Armee floß diese Überhöhung des Offensiv-Gedankens daher auch in seine Auffassungen wie das militärische Geschehen 1941 gewesen sein muß.

Auch das stützt ja ganz klar die Behauptung, daß die Rote Armee in Angriffsstellung lag. Denn in vier Tagen kann man nicht aus Defensivstellungen angreifen. Das schaffen die Armeen selbst heute nicht.

Mal abgesehen davon dass man das damals durchaus konnte, und sowohl in Nomonhan die Japaner wie auch die Sowjets exakt so etwas praktiziert hatten, lagen diesem Vorschlag mehrere Fehlannahmen zu Grunde. Zum einen eine extreme Unterschätzung der quantitativen und auch der qualitativen Stärke der deutschen Verbände, eine heillose Überschätzung der eigenen MIttel, der Umstand dass viele Sowjetverbände nur auf dem Papier vollständig und einsatzbereit waren, und die Annahme, dass man in den deutschen Bereitstellungsraum vorstoßen könne, bevor die deutschen Truppen dort ihre Gefechtsaufstellung eingenommen hätten bzw. bevor sie dort zum Kampf und zur Defensive befähigt werden.

Jede dieser Annahmen war falsch. Ein sowjetischer Angriff auf die deutschen Einheiten im Osten wäre genau so katastrophal verlaufen wie der Versuch einer Vorneverteidigung den Stalin hier anstrebte, und hätte allenfalls den Deutschen propagandistisch immens genutzt, wären sie ja dann eben nicht die Angreifer gewesen.

Die Rote Armee unterschätzte den Gegner nicht, wie Du schreibst, sondern sie überschätzte ihn. Im Operationsplan vom 11.3.41 ging sie von 200 Verbänden aus (real am 21.6. 120), 10.000 Panzern (tatsächlich 3.332), 10.000 Flugzeugen (real 2.253). Einem solch massivem Angriff kann man nur mit einer umfassend vorbereiteten Verteidigungsoperation begegnen und von von dort aus zum Gegenangriff antreten. Ein Gegenangriff vom ersten Tag an ist illusorisch. Das dem sowj. Generalstab zu unterstellen ist naiv. Und wer mit einem solchen Angriff rechnet, kann seine Truppen nicht in absoluter Grenznähe aufstellen. Das also die Truppen in Grenznähe aufgestellt wurden, bestätigt die sowj. Angriffsabsichten, andere Absichten snd bei dieser Aufstellung nicht vorstellbar oder realistischerweise anzunehmen.

(01.03.2023, 23:42)Quintus Fabius schrieb: Es sei denn man ist unfähig, und/oder zu arrogant - und/oder unterliegt sonstigen Fehlwahrnehmungen, wobei bei den Sowjets dieser Zeit alle drei genannten Aspekte reichlich vorhanden waren.

Nach dem Angriff Deutschlands wurde nun nicht ein Verteidigungsplan umgesetzt, sondern am 23.6. der Angriff gem. obigem Operationsplan befohlen. Erst nach den starken Erfolgen der Wehrmacht wurde am 25.6. zur strategischen Verteidigung übergegangen. Die Rote Armee war so stark auf den befohlenen Angriff fixiert, daß der Angriffsplan trotz des deutschen Angriffs noch befohlen wurde.

Wie ich es weiter oben schon ausgeführt habe, entsprach dies der Doktrin der Roten Armee dieser Zeit. Die hätten auf alles und jedes mit einem Angriff reagiert. Aber eine Reaktion ist und bleibt eine Reaktion und wird eben nicht dadurch zur Aktion, indem sie derart offensiv ist.

Aber am 25.6. sind sie ja doch zur strategischen Verteidigung übergegangen, das widerspricht Deiner Behauptung.

Soweit ich weiß gab es gar keinen Verteidigungsplan, deswegen haben sie erstmal den Operationsplan ausgelöst, der eben den Angriff vorsah. Zumindest ist kein Verteidigungsplan bekannt. Und der Übergang zur strategischen Verteidigung ist dann einfach aus der Not geboren und improvisiert. Sie konnten ja in diesen Anfangstagen eh nur reagieren.

Mich erinnern diese krampfhaften Argumente an die Kriegsschuldlüge, die genauso krampfhaft jahrzehntelang verteidigt wurde, bis durch Clark eine Neubewertung vorgenommen wurde, unter der auch die bundesdeutsche Argumentation zusammenbrach. Wäre Schwipper Schotte, würde sein Buch wohl auch reichen. Aber natürlich kann so eine Neubewertung nicht durch einen Deutschen erfolgen.

Da wir bei der Luftwaffe sind. Alle Termine der Aufgaben an die Luftwaffe, wie Reorganisation der rückwärtigen Sicherstellung der Fliegerkräfte, Bau betonierter Startbahnen, 54 Räume der Basierung der Fliegerkräfte, Bestellung von neuem Kartenmaterial für die Fernfliegerkräfte, Beseitigung von Mängeln an der MIG 3, Tarnung von Flugzeugen und Flugplätzen, waren der 1.Juli 1941.

Wie oben ausgeführt, später wurde die weitere gedeckte Teilmobilmachung vom 25. - 27.6. beschlossen.

Alles lief auf den 1.Juli hin. Mein Eindruck, ab dem 1.Juli war eine militärische Spezialoperation geplant. Muß ja nicht gleich der Überfall auf ein anderes Land sein.
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