Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
(05.02.2023, 15:58)Ottone schrieb: "Not gegen Elend" liest sich aus aktuellen Fähigkeitsperspektive der Bundeswehr seltsam. Alleine Russland hat heute 320.000 Soldaten in der Ukraine und noch ca. 10 Mio Artilleriegranaten, während die Bundeswehr insgesamt auf 270.000+ Soldaten und zwei Tage Munition kommt. Wir können von der Ukraine lernen - jede Menge.

Meine Aussage betraf aber nicht die Bw, deren prekäre Lage wir alle kennen und für die die Wähler die Verantwortung tragen.

Das Konzept einer Artilleriearmee, welches die Russen schon seit jeher vertreten, hat m.M.n. gegen einen gleichwertigen oder gar überlegenen Gegner, der die Luftherrschaft, präzise Aufklärung und weitreichende präzise Ari sowie Drohnen hat (unsere Regierung hat sich ja bis zuletzt geweigert, bewaffnete Drohnen anzuschaffen), keine Chance. Genauso gegen einen Gegner, der den Bewegungskrieg beherrscht. Da hat die gezogene Rohrartillerie große Schwächen, wie man schon im 2.WK erfahren mußte, der eigentlich sieben Jahrzehnte später nicht mehr das Maß sein sollte.

Und ja, wir können von der Ukraine viel lernen.

(05.02.2023, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Die Wehrmacht ist meiner Ansicht nach eine Streitmacht, die heute stark überschätzt wird. Die spektakulären Erfolge der ersten Jahre täuschen hier über viele gravierende Defizite hinweg.

Und man kann sich durchaus fragen, wie man eigentlich die Bundeswehr gewichten soll, wenn sowohl Ukrainer wie Russen Not und Elend sind ?! Ist die Bundeswehr im Vergleich dann ein längst verhungertes totes Pferd ?

Ich muss aber ede144 trotzdem zustimmen: Fragen der Doktrin, der Strategie, der Taktik, der Führung und ich möchte ergänzen: der moralischen, psychologischen und sozialkulturellen Seiten des Krieges werden auch meiner Ansicht nach zu wenig diskutiert und man konzentriert sich zu sehr auf die Technik und das Material.

Einer der am seltensten diskutieren Bereiche ist meiner Ansicht nach die Frage der Kultur und wie diese mit dem Krieg interagiert. Und das Krieg meiner Überzeugung nach immer vor allem von Versagen bestimmt wird, auf beiden Seiten, und die Seite sich durchsetzt, welche es dann schafft weniger zu versagen. Eine Perspektive die viele meiner Meinung nach nicht haben.

Schlussendlich ist Krieg meinem Verständnis nach ein zu komplexes, zu dynamisches System, als dass dieses - sein Wesen - nicht in erheblichem Umfang ständiges Scheitern und Versagen nach sich zieht. Je größer der Krieg, je massiver die Kampfhandlungen, je größer der Kampfraum und die eingesetzten Streitkräfte, desto mehr Chaos und desto mehr fortwährendes Scheitern. Entsprechend stehe ich der aktuell bei vielen Bundeswehr-Offizieren et al vorherrschenden Auffassung von perfekten Plänen, perfekten allumfassenden Befehlen, einer Feinststeuerung aller Prozesse, einer Überlegenheit durch überlegene Führung, überlegene Operationen und überlegene Taktik sowie überlegenes Material etc etc sehr skeptisch gegenüber. Die Auffassung die da viele haben, wie man einen ernsthaften großen Krieg führen kann, wiederspricht meiner Meinung nach der Realität eines großen Krieges. Sie entspringt einem Nicht-Verständnis des Krieges an sich und dem Versuch bürokratische Prozesse des Friedensbetriebes, die aktuellen Vorstellungen ritualisierter Kriegsführung und de facto polizeiliches Vorgehen gedanklich auf ernsthafte Kriegsführung zu übertragen. Dies kann eigentlich nur mehr scheitern, als der Feind scheitern wird und folglich in der Niederlage enden.

Mir ging es gar nicht um die Wehrmacht selbst, wobei ich die WH für die wahrscheinlich beste Armee halte. Natürlich gab es auch dort Probleme, zumal wenn man bedenkt, daß die Aufrüstung und Wehrpflicht erst vier Jahre vorher begangen. Diese Probleme haben sich ja im Polenfeldzug deutlich gezeigt. Aber letztendlich wird man am Erfolg gemessen. Und wenn man sich die Kriege/Feldzüge seitdem anschaut, erscheinen die Leistungen der WH wie ein Wunder. Ob es nochmal eine Armee schafft, solche Bewegungskriege durchzuführen und reihenweise deutlich stärkere Gegner zu schlagen ?

Unsere Soldaten sollten wieder mehr den alten Clausewitz lesen, der Krieg ist ein chaotisches System (zumindest unter ebenbürtigen Gegnern) und in diesem ist der erfolgreich, der rasch neue Lagen erkennt und sie ausnützt, improvisieren kann und große Selbständigkeit fördert. Und genau dahin wurde der deutsche Soldat früher erzogen und ausgebildet, weil wir immer in einem Zweifrontenkrieg gegen überlegene Gegner kämpfen mußten.

Und genau das war in diesen Einsätzen/Kriegen geringer Intensität gegen zumindest technologisch stets deutlich unterlegenen Gegner nicht mehr gefordert und verkümmerte bzw. wurde bei manchen Armeen aus unterschiedlichen Gründen nie in dem Maße ausgebildet.

Heute sind manche Einsätze eher ein bürokratischer Vorgang, der weitgehend unbeeinflußt vom Gegner abgewickelt wird. Aber damit wird man in einem Krieg auf Augenhöhe nicht bestehen können. Wobei ich hier eigentlich nur China sehe, wo sicherlich Marine und Luftwaffe eine große Komponente haben werden. Und ob die Chinesen diese Fähigkeiten haben, muß sich erst beweisen. Linke totalitäre Systeme haben diese Stärken i.d.R. nicht. Aber man sollte den Gegner nie unterschätzen.
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