05.10.2022, 10:08
Naja, genau genommen ist das nicht neu. Und man sollte trotz allem zwischen der saudischen Führung und dem Islamismus unterscheiden. Das Problem, welches ich sehe, ist, dass die saudische Führung diese rigorose, intolerante Variante des Islam exportiert. Sie selbst vertritt sie aber nicht.
Dieser Widerspruch entstand aus den späten 1970ern heraus. Bis dahin gingen die Golfmonarchien, gerade auch die Saudis, in der Annahme, dass Königtum und Wahhabismus miteinander untrennbar verwoben seien, und um die religiösen Kräfte zu besänftigen, hofierte man sie, vor allem mit Geld. Das Problem war aber, dass den islamistischen Eiferern, die man sich so selbst verschuldet herangezüchtet hatte, dieser Prunk des Königshauses, der natürlich durch die nach 1973 ["Ölkrise"] wachsenden Öleinnahmen möglich gemacht wurde, zutiefst zuwider war. D. h. die eigenen "religiösen Kinder" verachteten die "Ziehväter" ob ihres nicht gerade sonderlich bescheidenen Lebensstils, obgleich diese sie mit Geld zuschütteten.
Man hat dies im Königshaus nur geflissentlich zur Kenntnis genommen. Bis 1979, als extremistische Eiferer die große Moschee in Mekka besetzten und dort ein Gemetzel anrichteten. Diese Moschee-Besetzung bekam das Haus Saud mit eigenen Sicherheitskräften nicht mehr in den Griff, weswegen man französische Anti-Terror-Einheiten einfliegen ließ, die dann bei der Niederschlagung halfen. Die Folgen waren mehrschichtig: Einerseits hatte das Haus Saud einen deutlichen Ansehensverlust erlitten - hatte die Moschee-Geiselnahme doch gezeigt, dass Riad den eigenen Staat kaum mehr im Griff hatte -, andererseits wurde man sich im Königshaus geradezu panisch der Gefahr der selbst gerufenen Geister bewusst.
Und dann traf man die verhängnisvolle Entscheidung: Da man die Fundamentalisten im Inneren nicht brauchen konnte, entschied man sich dazu, dass man sie "exportiert" in die islamische Welt, in der Hoffnung, dass man so einerseits im Inneren des Königreiches Ruhe hat und dass man andererseits und zugleich außenpolitisch an Einfluss gewinnt. (Sicherlich hat die Revolution in Iran 1979 und die Ankündigung Khomeinis, die schiitische Revolution zu exportieren, was unter den Golfmonarchen und auch in einem erheblichen Teil der islamischen Welt für erhebliche Unruhe sorgte, dies erleichtert, da man sich so als "Gegenpol" darstellen konnte.) Und man hat dann die Fäden gesponnen, z. B. nach Pakistan, nach dem Sudan, auch nach Indonesien etc. Das aktuelle Ergebnis kennen wir.
Heißt: Die Gefahr dieses "Exports" des Fundamentalismus ist eindeutig - und läuft unseren Interessen zuwider. Unzweifelhaft, da brauchen wir auch nicht streiten deswegen. Aber die Herrscher in Riad selbst sind keine Fanatiker, sie sind im Gegenteil sogar eher relativ aufgeklärt und berechnend. Und sie sind bislang immer auch verlässliche Lieferanten gewesen. Und darum geht es, zumal Deutschland derzeit nur recht wenig Spielraum hat, um sich Lieferanten für Öl und Gas auszusuchen.
Schneemann
Dieser Widerspruch entstand aus den späten 1970ern heraus. Bis dahin gingen die Golfmonarchien, gerade auch die Saudis, in der Annahme, dass Königtum und Wahhabismus miteinander untrennbar verwoben seien, und um die religiösen Kräfte zu besänftigen, hofierte man sie, vor allem mit Geld. Das Problem war aber, dass den islamistischen Eiferern, die man sich so selbst verschuldet herangezüchtet hatte, dieser Prunk des Königshauses, der natürlich durch die nach 1973 ["Ölkrise"] wachsenden Öleinnahmen möglich gemacht wurde, zutiefst zuwider war. D. h. die eigenen "religiösen Kinder" verachteten die "Ziehväter" ob ihres nicht gerade sonderlich bescheidenen Lebensstils, obgleich diese sie mit Geld zuschütteten.
Man hat dies im Königshaus nur geflissentlich zur Kenntnis genommen. Bis 1979, als extremistische Eiferer die große Moschee in Mekka besetzten und dort ein Gemetzel anrichteten. Diese Moschee-Besetzung bekam das Haus Saud mit eigenen Sicherheitskräften nicht mehr in den Griff, weswegen man französische Anti-Terror-Einheiten einfliegen ließ, die dann bei der Niederschlagung halfen. Die Folgen waren mehrschichtig: Einerseits hatte das Haus Saud einen deutlichen Ansehensverlust erlitten - hatte die Moschee-Geiselnahme doch gezeigt, dass Riad den eigenen Staat kaum mehr im Griff hatte -, andererseits wurde man sich im Königshaus geradezu panisch der Gefahr der selbst gerufenen Geister bewusst.
Und dann traf man die verhängnisvolle Entscheidung: Da man die Fundamentalisten im Inneren nicht brauchen konnte, entschied man sich dazu, dass man sie "exportiert" in die islamische Welt, in der Hoffnung, dass man so einerseits im Inneren des Königreiches Ruhe hat und dass man andererseits und zugleich außenpolitisch an Einfluss gewinnt. (Sicherlich hat die Revolution in Iran 1979 und die Ankündigung Khomeinis, die schiitische Revolution zu exportieren, was unter den Golfmonarchen und auch in einem erheblichen Teil der islamischen Welt für erhebliche Unruhe sorgte, dies erleichtert, da man sich so als "Gegenpol" darstellen konnte.) Und man hat dann die Fäden gesponnen, z. B. nach Pakistan, nach dem Sudan, auch nach Indonesien etc. Das aktuelle Ergebnis kennen wir.
Heißt: Die Gefahr dieses "Exports" des Fundamentalismus ist eindeutig - und läuft unseren Interessen zuwider. Unzweifelhaft, da brauchen wir auch nicht streiten deswegen. Aber die Herrscher in Riad selbst sind keine Fanatiker, sie sind im Gegenteil sogar eher relativ aufgeklärt und berechnend. Und sie sind bislang immer auch verlässliche Lieferanten gewesen. Und darum geht es, zumal Deutschland derzeit nur recht wenig Spielraum hat, um sich Lieferanten für Öl und Gas auszusuchen.
Schneemann