26.09.2022, 22:09
Um es so einfach und übersichtlich wie möglich zu artikulieren:
1. Es gibt zwei Möglichkeiten: A wir stellen eine ganzheitliche Streitkraft auf, die möglichst viele Bereiche vollumfänglich umfasst - B wir spezialisieren uns im europäischen Rahmen und bilden einen eindeutigen und dezidierten Schwerpunkt.
Welches von beidem man anstrebt muss zuerst festgelegt werden, vor allem anderen.
2. Entscheidet man sich für A, ist die Frage nach den Systemen gar nicht so relevant, da wir ja dann eine komplette, vollständige und selbstständige Streitmacht haben. Entscheidet man sich aber für B, dann muss man als zweiten Punkt untersuchen, welche Fähigkeiten im europäischen Gesamtverbund notwendig sind, und dass sind NICHT mittlere Kräfte, und weder mittlere Kräfte noch schwere Kräfte sollten hier überhaupt im Vordergrund stehen, sondern ganz andere militärische Bereiche.
3. Hat man heraus gefunden, welche Fähigkeiten notwendig sind, muss der Schwerpunkt der Rüstung dort gelegt werden.
4. Dann ist aber noch zusätzlich zu untersuchen, welche Gestaltung des Schwerpunktes (genauer gesagt der Schwerpunkte) die Kriegsfähigkeit maximal erhöht und es muss dann innerhalb dieser die Zusammenstellung allein auf die Maximierung der Kriegsfähigkeit hin ausgelegt werden.
5. Meiner Ansicht nach ergibt sich dann aus einer solchen Kausalkette, dass wir vor allem anderen die Luftwaffe stärken müssen, dann benötigen wir eine nukleare Teilhabe die (auch) auf Marschflugkörpern abgestützt wird, wir benötigen weitreichende Raketenartillerie, sehr viel weitergehende Aufklärungsfähigkeiten und die Befähigung die feindliche Aufklärung so weitgehend wie möglich zu verhindern (dies auf allen Ebenen), einen massiven Ausbau der elektronischen Kriegsführung und schließlich eine ganzheitliche, streitkräftegemeinsame / integrierte Luftraumverteidigung usw usw usf und erst dann, irgendwann können wir über Radpanzer oder Kampfpanzer oder dergleichene Nebensächlichkeiten diskutieren.
Die Schwerpunkte müssten also ganz woanders liegen. Das die ganze Diskussion nicht nur hier, sondern auch sonst in deutschsprachigen Foren so dermaßen Heereslastig und innerhalb des Heeres so sehr auf der Frage der mittleren Kräfte aufgehängt wird, ist bezeichnend!
Aber selbst wenn wir nach allem anderen an diesem Punkt angelangt sind, ist es höchst einfach: was dient in einem europäischen Gesamtkontext am meisten?! Mittlere Kräfte sind dies definitiv nicht, davon hat Europa genug und manche Länder haben hier Fähigkeiten welche wir nicht erlangen werden. Es wäre und ist daher ein absoluter Fehler auch mittlere Kräfte beschaffen zu wollen, wenn man den Weg 1.A nicht gehen kann, und exakt da sind wir: wir können das nicht.
Die real-praktischen Umstände verhindern in jedem Fall, dass diese Bundesrepublik und ihre Gesellschaft eine vollumfängliche Streitkraft aufstellen können. Das wird nicht geschehen. Nun kann man wie Helios es manchmal getan hat einwerfen, dass ein zu weitgehender Schwerpunkt die Frage aufwirft, ob es sich dann überhaupt noch um eine Armee handelt? Wir hatten das besonders ausgeprägt mal bei meinem Vergleich des USMC mit der Bundeswehr.
Die Frage ist also gar nicht, ob man mittlere UND schwere Kräfte aufstellen will, sondern wie weitgehend, wie tief, wie ausgeprägt der Schwerpunkt sein sollte, völlig gleich wo man diesen dann setzt. Man könnte auch genau so gut (rein theoretisch!) einen Schwerpunkt nur bei mittleren Kräften setzen und dafür dann sehr viel mehr davon haben, mit sehr viel größerer Leistungsfähigkeit usw
Bevor man aber überhaupt den Bereich festlegt, in welchem man den Schwerpunkt (oder vielmehr die Schwerpunkte) setzen will, müsste man eben zuerst mal untersuchen, wie weitgehend dieser Schwerpunkt ausfallen sollte und ausfallen darf, und ab wann eine zu starke Spezialisierung auch schon wieder zum Problem wird.
Wie Leuco es so treffend geschrieben hat, benötigen wir zwingend große Lücken in der Breite und wir müssen auf Fähigkeiten verzichten. Wenn man nun über diese oder jene Kräfte spricht, müsste man für beide jeweils untersuchen, wie tief der jeweilige Schwerpunkt bei diesen überhaupt sein kann. Und die Option ist für sich selbst die bessere, bei der ich einen massiveren / dezidierteren Schwerpunkt bilden kann (denn ich kann nicht überall gleich weit in die Tiefe gehen), und zugleich ist die Option die bessere, welche im gesamteuropäischen Kontext am meisten nützt.
Und wenn man diese beiden Seiten nun betrachtet, ergibt sich für mich daraus, dass mittlere Kräfte absolut der falsche Weg sind, und dass sie den zwingend notwendigen Schwerpunkt verwässern und aufweichen und damit insgesamt nur ein Schaden sind. Am Ende hat man eben dann nicht beides, sondern man hat von beidem nichts ganzes und nichts halbes.
Aber selbst vor die Wahl gestellt, ob wir mehr Fähigkeiten bei der Luftwaffe oder Kampfpanzer haben sollten, kämen diese erst sehr viel später. Die Heerslastigkeit und die Panzerlastigkeit der Diskussion hier wie in anderen deutschen Foren und auch in der Bundeswehr selbst sind schon für sich allein ein Problem.
FJ730:
Ein einziger Leopard 2 bringt in einem IKM Szenario wesentlich mehr als etliche GTK Boxer. Und selbst Dänemark hat es hingekriegt in Afghanistan Leopard 2 höchst erfolgreich einzusetzen. Ebenso waren die deutschen Marder und die Präsenz der PzH2000 dort in vielen Situationen extrem wertvoll.
Es ist aber meiner Meinung nach ein ganz allgemein weitverbreiteter Irrtum, dass mittlere und leichte Kräfte für irgendwelche meist völlig sinnbefreiten Kolonialscharmützel besser geeignet wären, weil ihre strategische Beweglichkeit pro System betrachtet besser erscheint, weil ihre Wartung / Inst vor Ort leichter sind und weil die Versorgungskette weniger aufwendig ist und schließlich manchmal auch weil aufgrund Geographie und Klima die taktische Beweglichkeit höher ist. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Gerade im IKM wäre eine Befähigung schwere Einheiten projizieren zu können immens wertvoll, und deutlich wertvoller als weitere mittlere Kräfte denen der Verbündeten hinzu zu fügen.
ObiBiber:
Ganze Kriege wie auch kriegsentscheidende Schlachten sind schon von solch "kleinen" Faktoren entschieden worden. Wenn wir am Ende eine schwere Brigade mehr aufbieten könnten, wäre dies daher absolut relevant. Und keineswegs verhält es sich so, dass man diese Einheiten im Bereich IKM nicht benötigen könnte, ganz im Gegenteil. Gerade eben die Befähigung solche Einheiten auch dort einsetzen zu können ist tatsächliche militärische Macht. Das war ganz ursprünglich ja auch mal die Idee des PUMA an sich, was dann daraus im Detail wurde, ist natürlich noch mal eine ganz andere Sache.
1. Es gibt zwei Möglichkeiten: A wir stellen eine ganzheitliche Streitkraft auf, die möglichst viele Bereiche vollumfänglich umfasst - B wir spezialisieren uns im europäischen Rahmen und bilden einen eindeutigen und dezidierten Schwerpunkt.
Welches von beidem man anstrebt muss zuerst festgelegt werden, vor allem anderen.
2. Entscheidet man sich für A, ist die Frage nach den Systemen gar nicht so relevant, da wir ja dann eine komplette, vollständige und selbstständige Streitmacht haben. Entscheidet man sich aber für B, dann muss man als zweiten Punkt untersuchen, welche Fähigkeiten im europäischen Gesamtverbund notwendig sind, und dass sind NICHT mittlere Kräfte, und weder mittlere Kräfte noch schwere Kräfte sollten hier überhaupt im Vordergrund stehen, sondern ganz andere militärische Bereiche.
3. Hat man heraus gefunden, welche Fähigkeiten notwendig sind, muss der Schwerpunkt der Rüstung dort gelegt werden.
4. Dann ist aber noch zusätzlich zu untersuchen, welche Gestaltung des Schwerpunktes (genauer gesagt der Schwerpunkte) die Kriegsfähigkeit maximal erhöht und es muss dann innerhalb dieser die Zusammenstellung allein auf die Maximierung der Kriegsfähigkeit hin ausgelegt werden.
5. Meiner Ansicht nach ergibt sich dann aus einer solchen Kausalkette, dass wir vor allem anderen die Luftwaffe stärken müssen, dann benötigen wir eine nukleare Teilhabe die (auch) auf Marschflugkörpern abgestützt wird, wir benötigen weitreichende Raketenartillerie, sehr viel weitergehende Aufklärungsfähigkeiten und die Befähigung die feindliche Aufklärung so weitgehend wie möglich zu verhindern (dies auf allen Ebenen), einen massiven Ausbau der elektronischen Kriegsführung und schließlich eine ganzheitliche, streitkräftegemeinsame / integrierte Luftraumverteidigung usw usw usf und erst dann, irgendwann können wir über Radpanzer oder Kampfpanzer oder dergleichene Nebensächlichkeiten diskutieren.
Die Schwerpunkte müssten also ganz woanders liegen. Das die ganze Diskussion nicht nur hier, sondern auch sonst in deutschsprachigen Foren so dermaßen Heereslastig und innerhalb des Heeres so sehr auf der Frage der mittleren Kräfte aufgehängt wird, ist bezeichnend!
Aber selbst wenn wir nach allem anderen an diesem Punkt angelangt sind, ist es höchst einfach: was dient in einem europäischen Gesamtkontext am meisten?! Mittlere Kräfte sind dies definitiv nicht, davon hat Europa genug und manche Länder haben hier Fähigkeiten welche wir nicht erlangen werden. Es wäre und ist daher ein absoluter Fehler auch mittlere Kräfte beschaffen zu wollen, wenn man den Weg 1.A nicht gehen kann, und exakt da sind wir: wir können das nicht.
Die real-praktischen Umstände verhindern in jedem Fall, dass diese Bundesrepublik und ihre Gesellschaft eine vollumfängliche Streitkraft aufstellen können. Das wird nicht geschehen. Nun kann man wie Helios es manchmal getan hat einwerfen, dass ein zu weitgehender Schwerpunkt die Frage aufwirft, ob es sich dann überhaupt noch um eine Armee handelt? Wir hatten das besonders ausgeprägt mal bei meinem Vergleich des USMC mit der Bundeswehr.
Die Frage ist also gar nicht, ob man mittlere UND schwere Kräfte aufstellen will, sondern wie weitgehend, wie tief, wie ausgeprägt der Schwerpunkt sein sollte, völlig gleich wo man diesen dann setzt. Man könnte auch genau so gut (rein theoretisch!) einen Schwerpunkt nur bei mittleren Kräften setzen und dafür dann sehr viel mehr davon haben, mit sehr viel größerer Leistungsfähigkeit usw
Bevor man aber überhaupt den Bereich festlegt, in welchem man den Schwerpunkt (oder vielmehr die Schwerpunkte) setzen will, müsste man eben zuerst mal untersuchen, wie weitgehend dieser Schwerpunkt ausfallen sollte und ausfallen darf, und ab wann eine zu starke Spezialisierung auch schon wieder zum Problem wird.
Wie Leuco es so treffend geschrieben hat, benötigen wir zwingend große Lücken in der Breite und wir müssen auf Fähigkeiten verzichten. Wenn man nun über diese oder jene Kräfte spricht, müsste man für beide jeweils untersuchen, wie tief der jeweilige Schwerpunkt bei diesen überhaupt sein kann. Und die Option ist für sich selbst die bessere, bei der ich einen massiveren / dezidierteren Schwerpunkt bilden kann (denn ich kann nicht überall gleich weit in die Tiefe gehen), und zugleich ist die Option die bessere, welche im gesamteuropäischen Kontext am meisten nützt.
Und wenn man diese beiden Seiten nun betrachtet, ergibt sich für mich daraus, dass mittlere Kräfte absolut der falsche Weg sind, und dass sie den zwingend notwendigen Schwerpunkt verwässern und aufweichen und damit insgesamt nur ein Schaden sind. Am Ende hat man eben dann nicht beides, sondern man hat von beidem nichts ganzes und nichts halbes.
Aber selbst vor die Wahl gestellt, ob wir mehr Fähigkeiten bei der Luftwaffe oder Kampfpanzer haben sollten, kämen diese erst sehr viel später. Die Heerslastigkeit und die Panzerlastigkeit der Diskussion hier wie in anderen deutschen Foren und auch in der Bundeswehr selbst sind schon für sich allein ein Problem.
FJ730:
Zitat:Mit Puma und Leopard kann ich ( schon allein wegen fehlender Transportmöglichkeiten) in fast allen IKM Szenarien nichts anfangen.
Ein einziger Leopard 2 bringt in einem IKM Szenario wesentlich mehr als etliche GTK Boxer. Und selbst Dänemark hat es hingekriegt in Afghanistan Leopard 2 höchst erfolgreich einzusetzen. Ebenso waren die deutschen Marder und die Präsenz der PzH2000 dort in vielen Situationen extrem wertvoll.
Es ist aber meiner Meinung nach ein ganz allgemein weitverbreiteter Irrtum, dass mittlere und leichte Kräfte für irgendwelche meist völlig sinnbefreiten Kolonialscharmützel besser geeignet wären, weil ihre strategische Beweglichkeit pro System betrachtet besser erscheint, weil ihre Wartung / Inst vor Ort leichter sind und weil die Versorgungskette weniger aufwendig ist und schließlich manchmal auch weil aufgrund Geographie und Klima die taktische Beweglichkeit höher ist. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Gerade im IKM wäre eine Befähigung schwere Einheiten projizieren zu können immens wertvoll, und deutlich wertvoller als weitere mittlere Kräfte denen der Verbündeten hinzu zu fügen.
ObiBiber:
Zitat:ob Deutschland da am Ende eine schwere Brigade mehr oder weniger aufbietet ist absolut irrelevant!
Ganze Kriege wie auch kriegsentscheidende Schlachten sind schon von solch "kleinen" Faktoren entschieden worden. Wenn wir am Ende eine schwere Brigade mehr aufbieten könnten, wäre dies daher absolut relevant. Und keineswegs verhält es sich so, dass man diese Einheiten im Bereich IKM nicht benötigen könnte, ganz im Gegenteil. Gerade eben die Befähigung solche Einheiten auch dort einsetzen zu können ist tatsächliche militärische Macht. Das war ganz ursprünglich ja auch mal die Idee des PUMA an sich, was dann daraus im Detail wurde, ist natürlich noch mal eine ganz andere Sache.