12.07.2022, 13:57
@Quintus
Ich vermute mal, dass es auch umgekehrt Kritik hageln würde, wenn Deutschland die Ukrainer mit Panzern und Haubitzen zuschütten würde, so dass die Bundeswehr selbst kaum mehr was hätte. Den "klassischen" Lästerei-Tugenden folgend, denke ich sogar, dass wenn Deutschland hunderte Panzer und Haubitzen geliefert hätte, dass dies gar nicht mal positiv bewertet werden würde, sondern dass es im Umkehrschluss eben hieße, dass eine "verantwortungslose linke Regierung uns unsere Waffen zur Verteidigung nimmt und sie einem korrupten Regime hinterher wirft". Kurzum: Wie man es dreht und wendet - man kann es nie recht machen.
Das sollte nicht auf dich heruntergebrochen sein, das sind generelle Gedanken. Und es fällt mir in den aktuellen Diskussionen eben immer mehr auf. (Anm.: Du hast bei Ankündigung des 100-Mrd.-Pakets die Regierung übrigens durchaus löblich erwähnt, also ganz so negativ, wie du es oben beschreibst, bist du gar nicht gewesen.
)
Ach, ich hatte ihn übrigens vermisst. Zwar ist er mal wieder sehr charmant unterwegs, aber er holt dem deutschen Michel ganz schön den Rost herunter...
Er provoziert natürlich manchmal, wie üblich, aber er trifft oftmals den wahren Kern des deutschen Problems...
Schneemann
Zitat:Das schrieb ich so im Februar, dass schrieb ich so im April, und ich schreibe es jetzt ganz genau so. Das ist also keine "unfaire" nachträgliche Kritik, denn ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mich hier jemals positiv über die Regierung dieser Bundesrepublik in militärischen / sicherheitspolitischen Fragen geäußert hätte.Ja und Nein. Genau um diese Lieferungen geht es m. M. n. durchaus auch, ich wiederhole mich da gerne. Deutschland hat innerhalb von 48 Stunden im Februar nicht nur in großem Umfang Waffenlieferungen angestoßen, sondern hat zugleich quasi 40 Jahre Nachkriegsgeschichte, grob seit den frühen 1980ern, aufgegeben. Und als das geschah seitens einer Mitte-Links-Regierung, der man dies so zuvor definitiv nicht zugetraut hatte, ja die man als unfähig ansah, einen solchen Schritt vorzunehmen, hagelt es dann doch sofort wieder unverständlicherweise Kritik - die einen warnten, die anderen forderten mehr. Dabei muss man die Freigabe von hunderten tragbaren Waffen an eine Kriegspartei innerhalb von Stunden (!) schlicht auch einmal zur Kenntnis nehmen. Und mittlerweile sind wir der größte Waffenexporteur für die Ukraine in der EU. Und dennoch heißt es irritierenderweise: Deutschland macht nichts.
Allenfalls hast du dahin gehend recht, dass es rein gar nichts mehr bringt über vergangene Fehler jetzt noch nachzudenken, weil sie ja bereits geschehen sind. Es ergibt sich aus diesen aber, dass man die Folgen dieser Fehler für weitere Handlungen durchaus berücksichtigen muss.
Wenn man beispielsweise die "zu geringen" Waffenlieferungen in den ersten Monaten als Fehler ansieht, dann muss man dies auch benennen und analysieren, weil sich daraus ja erst gerade eben die Schlußfolgerungen für zukünftige weitere Handlungen ergeben.
Ich vermute mal, dass es auch umgekehrt Kritik hageln würde, wenn Deutschland die Ukrainer mit Panzern und Haubitzen zuschütten würde, so dass die Bundeswehr selbst kaum mehr was hätte. Den "klassischen" Lästerei-Tugenden folgend, denke ich sogar, dass wenn Deutschland hunderte Panzer und Haubitzen geliefert hätte, dass dies gar nicht mal positiv bewertet werden würde, sondern dass es im Umkehrschluss eben hieße, dass eine "verantwortungslose linke Regierung uns unsere Waffen zur Verteidigung nimmt und sie einem korrupten Regime hinterher wirft". Kurzum: Wie man es dreht und wendet - man kann es nie recht machen.
Das sollte nicht auf dich heruntergebrochen sein, das sind generelle Gedanken. Und es fällt mir in den aktuellen Diskussionen eben immer mehr auf. (Anm.: Du hast bei Ankündigung des 100-Mrd.-Pakets die Regierung übrigens durchaus löblich erwähnt, also ganz so negativ, wie du es oben beschreibst, bist du gar nicht gewesen.

Ach, ich hatte ihn übrigens vermisst. Zwar ist er mal wieder sehr charmant unterwegs, aber er holt dem deutschen Michel ganz schön den Rost herunter...
Zitat:INTERVIEWhttps://www.nzz.ch/feuilleton/henryk-m-b...ld.1692744
Henryk M. Broder: «In der Ukraine kämpfen und sterben Menschen, um frei zu sein. Das kann ein Deutscher nicht verstehen»
Der Journalist Henryk M. Broder schreibt für die «Welt», und bis vor kurzem hatte er eine Kolumne in Roger Köppels «Weltwoche». Wegen deren Putin-Freundlichkeit will er für die Zeitung nicht mehr schreiben. Ein Gespräch über das Unbehagen in dieser Zeit und ein Land, das sich der Wirklichkeit verweigert: Deutschland. [...]
Jede Konzession heizt den Hunger des Aggressors nur weiter an. Winston Churchill hat einmal den klugen Satz gesagt: «Ein Appeaser ist einer, der das Krokodil füttert, in der Hoffnung, dass es ihn zuletzt frisst.» Genau das erleben wir jetzt. Es trennen sich gerade ein paar Lebenswelten. [...] Mich beschäftigt vielmehr diese Ignoranz. Es ist doch vollkommen klar, wer hier wen überfallen hat. [...]
Und auch dieser deutsche Antipatriotismus, der sich in den letzten Jahrzehnten entfaltet hat, dieser Versuch, dem Deutschtum zu entkommen, ist eine lächerliche Übung. Der deutsche Patriotismus äussert sich jetzt darin, dass die Deutschen keine Deutschen sein wollen. Viele meiner Freunde sehen sich als Europäer. Sie glauben, sie hätten die Stufe des Deutschseins schon hinter sich gebracht. [...]
Es ist keine Zeitenwende, es war nur ein kurzes Aufflackern. Es gibt viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Aber es gibt kein Verständnis dafür, dass Menschen bereit sind, zu kämpfen und zu sterben, um frei zu sein. Das kann ein Deutscher nicht verstehen. Darum erklären nun Leute wie Ulrike Guerot, Lars Eidinger und Margot Kässmann, dass Krieg nie zu Frieden führe. Wissen Sie, was ich glaube? Dass es denen letztlich nur darum geht, den Krieg der Alliierten gegen die Deutschen zu delegitimieren – und sich und die eigenen Vorfahren von jeder historischen Belastung freizusprechen. Schliesslich wissen diese Leute sehr genau, dass das Eingreifen der Alliierten zu Frieden geführt hat. Jetzt aber sagen sie: Verteidigung? Wehrbereitschaft? Bitte nicht! Okay, das ist Dr. Freud für Anfänger. Aber es macht nichts. Eine schlichte Küchenpsychologie kann besser sein als die klügste Analyse von Peter Sloterdijk. [...]
Das Geld, das wir an Wehrausgaben gespart haben, haben wir in Sozialprojekte gesteckt. Diese Situation beschämt viele Deutsche. Und diese Scham kann nur überwunden werden, indem die Ukrainer als korrupt und demokratieunfähig dargestellt werden. Und wissen Sie, was mich auch wundert: Warum wurden die Palästinenser nicht auch schon lange aufgefordert, ihren sinnlosen Kampf aufzugeben, um weiteres Leid zu verhindern? [...]
Dass Deutschland zur Wirklichkeit zurückfindet. Deutschland ist ein Hochhaus, das auf Treibsand gebaut ist, eine Schönwetterdemokratie. Dieses Land lebt nicht in der Wirklichkeit. Erst jetzt haben die Deutschen entdeckt, dass man Putin gegenüber vorsichtig hätte sein müssen – nach zwanzig Jahren Kuschelpolitik. Die Politiker verkünden dabei ständig, dass Deutschland Vorbildfunktion habe.
Er provoziert natürlich manchmal, wie üblich, aber er trifft oftmals den wahren Kern des deutschen Problems...
Schneemann