19.05.2022, 10:01
Helios:
Deinen klassisch clausewitz´schen Skeptizismus in allen Ehren, aber meiner Auffassung nach zeigt sich die Validität einer Strategie eben nicht so sehr im tatsächlichen Ausgang, sondern ist unabhängig davon zu bewerten. Daher war die strategische Planung der Russen in jedem Fall eine extreme Fehlplanung und wäre dies auch dann gewesen, wenn sie (aus welchen Gründen auch immer) erfolgreich gewesen wäre. Das ist hier auch der entscheidende Unterschied zwischen mir und Schneemann, oder zwischen mir und dir, nämlich dass andere taktische und technische Voraussetzungen zwar durchaus ein ganz anderes Ergebnis hätten produzieren können, dies aber zum einen nichts daran ändert, dass die strategische Planung einfach nur katastrophal schlecht war und dass die Auswirkungen derselben sich eben kaum, oder nur extrem schwer durch andere taktische und technische Faktoren ausgleichen lassen.
Die Strategie ist nun meiner Auffassung festeren und klareren Regeln unterworfen als die Taktik, oder als die technische Ebene und gerade die Technik zeigt dies so klar auf, weil sie sich ständig wandelt, weiter entwickelt, verändert. Daher sind solche veränderten taktischen und technischen Umstände auch viel schwerer zu kalkulieren und wirken sich daher viel unkontrollierter aus. Umgekehrt ist die Strategie selbst viel sicherer kalkulierbar.
Die Umstände realistisch einzuplanen ist natürlich ein Teil der Strategie, aber nicht die ganze Strategie. Wenn ich nun taktisch weniger befähigte Streitkräfte habe, und auch technisch nicht so gut aufgestellt bin, dann ist dennoch mit diesen Einschränkungen ein entscheidener schneller Sieg möglich, auch im vorliegenden Fall, wenn die anderen strategischen Faktoren richtig sind und die Strategie insgesamt korrekt ist.
Ich schrieb deshalb eingangs intentional von einem clausewitz´schen Skeptizismus, denn in seinem Werk vom Kriege sieht Clausewitz dass mehr in der Richtung welche Schneemann und du hier anreißen, nämlich dass die diese Dinge nur nach den Voraussetzungen bestimmen lassen, die aber nie alle zutreffen, eine Menge anderer, mehr ins einzelne gehender Bestimmungen sich aber gar nicht vorher geben lassen und so folgt für Clausewitz daraus, dass die Strategie Zitat: „mit ins Feld ziehen muss“, um das Einzelne immer wieder und immer wieder neu an Ort und Stelle anzuordnen und für das Ganze die Modifikationen zu treffen die fortwährend erforderlich werden. Die Strategie kann also Zitat: „Ihre Hand in keinem Augenblick von dem Werke abziehen.“ Daraus folgert Clausewitz im weiteren, dass sich die Richtigkeit der Strategie nicht in neuerfundenen Formen des Handelns zeige, welche sogleich in die Augen fallen würden, sondern in dem Zitat: „glücklichen Endresultat des Ganzen.“
Exakt was du hier de facto geschrieben hast. Aber Clausewitz schreibt auch in der ihm eigenen Dialektik, dass man, wenn man einmal bestimmt hat was der Krieg soll und was der Krieg kann, der Weg unverrückt zu verfolgen ist, der Plan durchgeführt werden muss, und nicht durch tausend Veranlassungen tausendmal davon abgebracht werden darf. Diese widersprüchliche Dialektik führt ihn zudem zu dem Schluss, dass es sehr schwer ist richtige strategische Entscheidungen zu treffen und noch schwerer diese dann unverrückbar entschlossen zu verfolgen und dass in der Strategie in Wahrheit alle Dinge sehr einfach sind, aber trotzdem eben keineswegs leicht, sondern im Gegenteil im realen Krieg äußerst schwer.
Dazu passt was du im Weiteren von der Relevanz einer realistischen Einschätzung der gegnerischen und der eigenen Fähigkeiten geschrieben hast. Eine Binsenweiseheit, von größtmöglicher Einfachheit, aber trotzdem so immens schwer. Aber selbst wenn man diese Fähigkeiten falsch einschätzt, gibt es für die Bewegung von Armeen welche bestimmte Punkte erreichen sollen, um dadurch die Ziele des Krieges umzusetzen bestimmte ebenso einfache und grundsätzliche Regeln. Die wesentlichsten sind in der Strategie wie sich diese Armeen im Verhältnis zur Operationsbasis / oder den Operationsbasen bewegen und wo sie sich im Verhältnis zu dieser / diesen befinden, wo sich die feindlichen Streitkräfte im Verhältnis zu deren Operationsbasen befinden und wie man daher die eigenen Streitkräfte im Verhältnis dazu bewegen muss, um die Linien zwischen den feindlichen Streitkräften und deren Basis zu zerschneiden ohne dabei die eigenen Linien zur eigenen Operationsbasis zu gefährden. In Wahrheit ist das alles sehr einfach. Und wenn man diesen Bereich richtig plant, dann kann auch eine Fehleinschätzung der Kampfkraft und der Fähigkeiten des Gegners dadurch in weiten Teilen oder sogar ganz kompensiert werden, während umgekehrt, bei einer Nicht-Beachtung dieser einfachsten Grundsätze noch so große Überlegenheit in den eigenen Fähigkeiten sich nur vermindert auswirkt.
Man unterschätzt daher meiner Überzeugung nach wie katastrophal schlecht sich die de facto Nicht-Planung in diesem Bereich für die Russen ausgewirkt hat. Wie sehr die aktuelle Lage diesen falschen Objektlinien geschuldet ist und nicht der Fehleinschätzung des Gegners ! Für meine These spricht beispielsweise, dass der größte Teil der russischen Verluste in der Auftaktphase des Krieges entstanden ist und die Verluste aktuell wesentlich geringer sind. Dies hätte nicht so sein müssen, ungeachtet der Frage der tatsächlichen Fähigkeiten auf beiden Seiten.
Und umgekehrt hätten auch von ihren taktischen Fähigkeiten und technischen Voraussetzungen noch so leistungsstarke Streitkräfte aufgrund der extremen Fehler in den genannten anderen Bereichen der Strategie trotzdem sehr hohe Verluste erlitten und hätten ein hohes Risiko für eine Niederlage gehabt. Der Wert der Erkenntnis dessen ist daher meiner Meinung nach eben nicht beliebig und damit nur eine Allerweltsweisheit (zumal fast alles im Krieg nur einfachste Allerweltsweisheiten sind), sondern er liegt darin, dass es bei weitem nicht reicht in den taktischen Fähigkeiten und in der Technik überlegen zu sein und dass ist meiner Meinung nach eine Warnung für uns selbst, denn wir überhöhen den Wert dieser Faktoren.
Einfachst ausgedrückt: ich halte dein Einfluss der Strategie auf die taktische Ebene für querschnittlich größer als den Einfluss der Taktik auf die strategische Ebene,
aber dass ist nur meine private Ansicht. Deshalb halte ich strategische Fehler für ausschlaggebender als taktische Fehler und Problemstellungen (gleichgültig wieviele es sein mögen und wie schwerwiegend sie sind), weil sie sich querschnittlich stärker auswirken. Deshalb betrachte ich beispielsweise die Strategieunfähigkeit dieser Bundeswehr / Bundesrepublik für problematischer als die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr, die meiner Aufassung nach zudem ebenfalls vor allem auch dieser Strategieunfähigkeit geschuldet ist (man könnte mit den beschränkten Mitteln wesentlich mehr erreichen). Es fehlen uns aktuell, genau wie den Russen auch, meiner Meinung nach valide strategische Konzepte. Ohne diese wird unsere technische und taktische Überlegenheit in vielen Bereichen deutlich gemindert. Und damit verschenken wir genau das worin wir überlegen sind.
Eine wesentliche Lehre aus dem vorliegenden Fall ist daher für mich, dass wir sehr viel konkretere strategische Kriegs-Pläne benötigen, und sehr viel mehr valide strategische KRIEGS-Planung an sich, ansonsten läuft zu viel von dem was wir als militärische Verteidigung bezeichnen einfach nur im luftleeren Raum.
Meiner Kenntnis nach gibt es solche konkreten validen militärischen Planungen auf Eben der Bundeswehr de facto gar nicht, und auf Ebene der NATO meiner rein privaten Einschätzung nach nur in unzureichender Form.
Deinen klassisch clausewitz´schen Skeptizismus in allen Ehren, aber meiner Auffassung nach zeigt sich die Validität einer Strategie eben nicht so sehr im tatsächlichen Ausgang, sondern ist unabhängig davon zu bewerten. Daher war die strategische Planung der Russen in jedem Fall eine extreme Fehlplanung und wäre dies auch dann gewesen, wenn sie (aus welchen Gründen auch immer) erfolgreich gewesen wäre. Das ist hier auch der entscheidende Unterschied zwischen mir und Schneemann, oder zwischen mir und dir, nämlich dass andere taktische und technische Voraussetzungen zwar durchaus ein ganz anderes Ergebnis hätten produzieren können, dies aber zum einen nichts daran ändert, dass die strategische Planung einfach nur katastrophal schlecht war und dass die Auswirkungen derselben sich eben kaum, oder nur extrem schwer durch andere taktische und technische Faktoren ausgleichen lassen.
Die Strategie ist nun meiner Auffassung festeren und klareren Regeln unterworfen als die Taktik, oder als die technische Ebene und gerade die Technik zeigt dies so klar auf, weil sie sich ständig wandelt, weiter entwickelt, verändert. Daher sind solche veränderten taktischen und technischen Umstände auch viel schwerer zu kalkulieren und wirken sich daher viel unkontrollierter aus. Umgekehrt ist die Strategie selbst viel sicherer kalkulierbar.
Die Umstände realistisch einzuplanen ist natürlich ein Teil der Strategie, aber nicht die ganze Strategie. Wenn ich nun taktisch weniger befähigte Streitkräfte habe, und auch technisch nicht so gut aufgestellt bin, dann ist dennoch mit diesen Einschränkungen ein entscheidener schneller Sieg möglich, auch im vorliegenden Fall, wenn die anderen strategischen Faktoren richtig sind und die Strategie insgesamt korrekt ist.
Ich schrieb deshalb eingangs intentional von einem clausewitz´schen Skeptizismus, denn in seinem Werk vom Kriege sieht Clausewitz dass mehr in der Richtung welche Schneemann und du hier anreißen, nämlich dass die diese Dinge nur nach den Voraussetzungen bestimmen lassen, die aber nie alle zutreffen, eine Menge anderer, mehr ins einzelne gehender Bestimmungen sich aber gar nicht vorher geben lassen und so folgt für Clausewitz daraus, dass die Strategie Zitat: „mit ins Feld ziehen muss“, um das Einzelne immer wieder und immer wieder neu an Ort und Stelle anzuordnen und für das Ganze die Modifikationen zu treffen die fortwährend erforderlich werden. Die Strategie kann also Zitat: „Ihre Hand in keinem Augenblick von dem Werke abziehen.“ Daraus folgert Clausewitz im weiteren, dass sich die Richtigkeit der Strategie nicht in neuerfundenen Formen des Handelns zeige, welche sogleich in die Augen fallen würden, sondern in dem Zitat: „glücklichen Endresultat des Ganzen.“
Exakt was du hier de facto geschrieben hast. Aber Clausewitz schreibt auch in der ihm eigenen Dialektik, dass man, wenn man einmal bestimmt hat was der Krieg soll und was der Krieg kann, der Weg unverrückt zu verfolgen ist, der Plan durchgeführt werden muss, und nicht durch tausend Veranlassungen tausendmal davon abgebracht werden darf. Diese widersprüchliche Dialektik führt ihn zudem zu dem Schluss, dass es sehr schwer ist richtige strategische Entscheidungen zu treffen und noch schwerer diese dann unverrückbar entschlossen zu verfolgen und dass in der Strategie in Wahrheit alle Dinge sehr einfach sind, aber trotzdem eben keineswegs leicht, sondern im Gegenteil im realen Krieg äußerst schwer.
Dazu passt was du im Weiteren von der Relevanz einer realistischen Einschätzung der gegnerischen und der eigenen Fähigkeiten geschrieben hast. Eine Binsenweiseheit, von größtmöglicher Einfachheit, aber trotzdem so immens schwer. Aber selbst wenn man diese Fähigkeiten falsch einschätzt, gibt es für die Bewegung von Armeen welche bestimmte Punkte erreichen sollen, um dadurch die Ziele des Krieges umzusetzen bestimmte ebenso einfache und grundsätzliche Regeln. Die wesentlichsten sind in der Strategie wie sich diese Armeen im Verhältnis zur Operationsbasis / oder den Operationsbasen bewegen und wo sie sich im Verhältnis zu dieser / diesen befinden, wo sich die feindlichen Streitkräfte im Verhältnis zu deren Operationsbasen befinden und wie man daher die eigenen Streitkräfte im Verhältnis dazu bewegen muss, um die Linien zwischen den feindlichen Streitkräften und deren Basis zu zerschneiden ohne dabei die eigenen Linien zur eigenen Operationsbasis zu gefährden. In Wahrheit ist das alles sehr einfach. Und wenn man diesen Bereich richtig plant, dann kann auch eine Fehleinschätzung der Kampfkraft und der Fähigkeiten des Gegners dadurch in weiten Teilen oder sogar ganz kompensiert werden, während umgekehrt, bei einer Nicht-Beachtung dieser einfachsten Grundsätze noch so große Überlegenheit in den eigenen Fähigkeiten sich nur vermindert auswirkt.
Man unterschätzt daher meiner Überzeugung nach wie katastrophal schlecht sich die de facto Nicht-Planung in diesem Bereich für die Russen ausgewirkt hat. Wie sehr die aktuelle Lage diesen falschen Objektlinien geschuldet ist und nicht der Fehleinschätzung des Gegners ! Für meine These spricht beispielsweise, dass der größte Teil der russischen Verluste in der Auftaktphase des Krieges entstanden ist und die Verluste aktuell wesentlich geringer sind. Dies hätte nicht so sein müssen, ungeachtet der Frage der tatsächlichen Fähigkeiten auf beiden Seiten.
Und umgekehrt hätten auch von ihren taktischen Fähigkeiten und technischen Voraussetzungen noch so leistungsstarke Streitkräfte aufgrund der extremen Fehler in den genannten anderen Bereichen der Strategie trotzdem sehr hohe Verluste erlitten und hätten ein hohes Risiko für eine Niederlage gehabt. Der Wert der Erkenntnis dessen ist daher meiner Meinung nach eben nicht beliebig und damit nur eine Allerweltsweisheit (zumal fast alles im Krieg nur einfachste Allerweltsweisheiten sind), sondern er liegt darin, dass es bei weitem nicht reicht in den taktischen Fähigkeiten und in der Technik überlegen zu sein und dass ist meiner Meinung nach eine Warnung für uns selbst, denn wir überhöhen den Wert dieser Faktoren.
Einfachst ausgedrückt: ich halte dein Einfluss der Strategie auf die taktische Ebene für querschnittlich größer als den Einfluss der Taktik auf die strategische Ebene,
aber dass ist nur meine private Ansicht. Deshalb halte ich strategische Fehler für ausschlaggebender als taktische Fehler und Problemstellungen (gleichgültig wieviele es sein mögen und wie schwerwiegend sie sind), weil sie sich querschnittlich stärker auswirken. Deshalb betrachte ich beispielsweise die Strategieunfähigkeit dieser Bundeswehr / Bundesrepublik für problematischer als die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr, die meiner Aufassung nach zudem ebenfalls vor allem auch dieser Strategieunfähigkeit geschuldet ist (man könnte mit den beschränkten Mitteln wesentlich mehr erreichen). Es fehlen uns aktuell, genau wie den Russen auch, meiner Meinung nach valide strategische Konzepte. Ohne diese wird unsere technische und taktische Überlegenheit in vielen Bereichen deutlich gemindert. Und damit verschenken wir genau das worin wir überlegen sind.
Eine wesentliche Lehre aus dem vorliegenden Fall ist daher für mich, dass wir sehr viel konkretere strategische Kriegs-Pläne benötigen, und sehr viel mehr valide strategische KRIEGS-Planung an sich, ansonsten läuft zu viel von dem was wir als militärische Verteidigung bezeichnen einfach nur im luftleeren Raum.
Meiner Kenntnis nach gibt es solche konkreten validen militärischen Planungen auf Eben der Bundeswehr de facto gar nicht, und auf Ebene der NATO meiner rein privaten Einschätzung nach nur in unzureichender Form.