10.05.2022, 08:09
Facilier:
Man ging für den Fall einer Invasion Nordvietnams von einem unmittelbaren Eingreifen der VR China und der Gefahr einer Eskalation mit der Sowjetunion aus. Dann wäre wie in Korea die Volksbefreiungsarmee sofort nach Nordvietnam einmarschiert und die Sowjets ließen auch regelmässig Signale ab, dass sie dann massiver in diesen Krieg einsteigen würden.
Bezüglich der Kriegschancen ohne ein Eingreifen Chinas:
Die südvietnamesische Armee wird heute allgemein unterschätzt. Vor allem im konventionellen Bereich waren die Südvietnamesen gar nicht so schlecht. Zusammen mit den US Truppen hätte man Nord-Vietnam problemlos schlagen und besetzen können.
Aber auch so hätte man in Nordvietnam sehr viel mehr tun können. Beispielsweise gab es durchgehend den Vorschlag, die Häfen Nordvietnams zu verminen und die wenigen Eisenbahnlinien und Eisenbahnbrücken Richtung Norden zu zerstören. Dies hätte den Nachschub der Vietnamesen empfindlich gestört und wäre immens viel effektiver gewesen als die ganzen Angriffe auf den Ho-Chi-Minh Pfad.
Tatsächlich wurde diese Möglichkeit seitens der Nord-Vietnamesen durchgehend befürchtet und seites deren Eliten als ein mögliches Kipp-Element gesehen, durch das der Krieg verloren gehen würde. Deshalb bedrängte man China und die Russen für diesen Fall Sicherheitsgarantien abzugeben, was sie aber nicht taten.
Die USA wiederum wollten beispielsweise eine solche Eskalation vorübergehend nicht, um den SALT I Vertrag mit den Sowjets nicht zu gefährden (diese ließen anklingen, dass dieser Vertrag scheitern würde, sollten die USA zu solchen Mitteln greifen) etc. Es gab also immer scheinbar gute Gründe dies nicht zu tun.
Als man schließlich Anfang Mai 1972 die Häfen Nordvietnams doch verminte, geschah - nichts. Weder China noch die Sowjets griffen ein. Zu dieser Zeit begannen sich aber auch die Beziehungen zwischen China und den USA zu verändern. Das Ergebnis war für Nord-Vietnam katastrophal. Zwischen 80% und 90% des Nachschubs brachen vorübergehend weg.
Man stellte diesen also auf Eisenbahn um. Als die USA aber dann unter Nixon in der Opertion Linebacker auch die Brücken zerstörten und die Eisenbahnlinien mit Präzisionsmunition angriffen, hatte dies auf der Stelle einen erheblichen spürbaren Effekt auf die Kämpfe in ganz Südvietnam. Der Nachschub brach erneut um mindestens 70% ein, und die Südvietnamesischen Truppen begannen sich durchzusetzen.
Exakt dies brachte dann die Nordvietnamesen in Paris wieder an den Verhandlungstisch zurück ! Der Erfolg der Verminung und die Kappung der Eisenbahnlinien sowie der strategische Luftkrieg gegen Nordvietnam erzielten also eine erhebliche politisch-strategische Wirkung. Nord-Vietnam musste einlenken.
Auch strategisch-militärisch und operativ waren die Auswirkungen immens. Die gerade laufende Offensive der Nord-Vietnamesen nach Süd-Vietnam hinein wurde zerschlagen, die Nord-Vietnamesen komplett aus dem Land gedrängt, ca. 100.000 Soldaten der nordvietnamesischen Armee kamen ums Leben.
Der Vietcong wurde zu dieser Zeit ebenfalls praktisch gesehen ausgeschaltet (eine Entwicklung die mit Ende der Tet-Offensive begann) und genau genommen hatte man damit den Guerilla-Krieg in Süd-Vietnam gewonnen. Etwas was in vielen westlichen Darstellungen auch so gut wie keine Beachtung findet.
Die USA nutzten die Gunst der günstigen Umstände und zogen sich aus dem Krieg zurück. Entsprechend wurde im Januar 1973 das Pariser Abkommen unterzeichnet, und der Krieg endete, wobei aber beide Seiten (Süd- wie Nordvietnam das Abkommen noch im gleichen Jahr brachen und auch die USA die in diesem Abkommen und per Geheimdiplomatie gemachten Zusagen nicht einhielten.
Der Abzug der USA Armee und die verringerte und schließlich eingestellte Militärhilfe führten in Südvietnam zu einer massiven Wirtschaftskrise und Südvietnam konnte daher seine Streitkräfte nicht mehr unterhalten (es wurde beispielsweise kein Sold mehr gezahlt, die Soldaten fingen daher an zu plündern etc) und dem folgend kam es in Südvietnam zu einer rasanten wirtschaftlichen Abwärtsspirale und damit zur Ablehnung der Regierung durch die Bevölkerung. Dem folgend invasierten konventionelle nord-vietnamesische Truppen das Land und eroberten es bis zum 30. April 1975.
Eine interessante Fragestellung in dem Kontext ist, was Geschehen wäre, wenn die USA bereits viele Jahre zuvor, beispielsweise noch vor der Tet-Offensive die Häfen Nord-Vietnams vermint hätten und die Eisenbahnbrücken zerstört hätten?!
lime:
Genau genommen gab hier der vietnamesische Nationalismus den Ausschlag. Der Kommunsimus hatte es in Wahrheit gar nicht so leicht in Vietnam und musste auch erst an vielen Orten mit Terror, Gewalt, Morden, Unterdrückung usw. gegen die Mehrheit durchgesetzt werden. Es wird heute weithin nicht mehr verstanden, wie der Vietcong agierte und wie er sich in der Bevölkerung verbreitete und durchsetzte.
Man ging für den Fall einer Invasion Nordvietnams von einem unmittelbaren Eingreifen der VR China und der Gefahr einer Eskalation mit der Sowjetunion aus. Dann wäre wie in Korea die Volksbefreiungsarmee sofort nach Nordvietnam einmarschiert und die Sowjets ließen auch regelmässig Signale ab, dass sie dann massiver in diesen Krieg einsteigen würden.
Bezüglich der Kriegschancen ohne ein Eingreifen Chinas:
Die südvietnamesische Armee wird heute allgemein unterschätzt. Vor allem im konventionellen Bereich waren die Südvietnamesen gar nicht so schlecht. Zusammen mit den US Truppen hätte man Nord-Vietnam problemlos schlagen und besetzen können.
Aber auch so hätte man in Nordvietnam sehr viel mehr tun können. Beispielsweise gab es durchgehend den Vorschlag, die Häfen Nordvietnams zu verminen und die wenigen Eisenbahnlinien und Eisenbahnbrücken Richtung Norden zu zerstören. Dies hätte den Nachschub der Vietnamesen empfindlich gestört und wäre immens viel effektiver gewesen als die ganzen Angriffe auf den Ho-Chi-Minh Pfad.
Tatsächlich wurde diese Möglichkeit seitens der Nord-Vietnamesen durchgehend befürchtet und seites deren Eliten als ein mögliches Kipp-Element gesehen, durch das der Krieg verloren gehen würde. Deshalb bedrängte man China und die Russen für diesen Fall Sicherheitsgarantien abzugeben, was sie aber nicht taten.
Die USA wiederum wollten beispielsweise eine solche Eskalation vorübergehend nicht, um den SALT I Vertrag mit den Sowjets nicht zu gefährden (diese ließen anklingen, dass dieser Vertrag scheitern würde, sollten die USA zu solchen Mitteln greifen) etc. Es gab also immer scheinbar gute Gründe dies nicht zu tun.
Als man schließlich Anfang Mai 1972 die Häfen Nordvietnams doch verminte, geschah - nichts. Weder China noch die Sowjets griffen ein. Zu dieser Zeit begannen sich aber auch die Beziehungen zwischen China und den USA zu verändern. Das Ergebnis war für Nord-Vietnam katastrophal. Zwischen 80% und 90% des Nachschubs brachen vorübergehend weg.
Man stellte diesen also auf Eisenbahn um. Als die USA aber dann unter Nixon in der Opertion Linebacker auch die Brücken zerstörten und die Eisenbahnlinien mit Präzisionsmunition angriffen, hatte dies auf der Stelle einen erheblichen spürbaren Effekt auf die Kämpfe in ganz Südvietnam. Der Nachschub brach erneut um mindestens 70% ein, und die Südvietnamesischen Truppen begannen sich durchzusetzen.
Exakt dies brachte dann die Nordvietnamesen in Paris wieder an den Verhandlungstisch zurück ! Der Erfolg der Verminung und die Kappung der Eisenbahnlinien sowie der strategische Luftkrieg gegen Nordvietnam erzielten also eine erhebliche politisch-strategische Wirkung. Nord-Vietnam musste einlenken.
Auch strategisch-militärisch und operativ waren die Auswirkungen immens. Die gerade laufende Offensive der Nord-Vietnamesen nach Süd-Vietnam hinein wurde zerschlagen, die Nord-Vietnamesen komplett aus dem Land gedrängt, ca. 100.000 Soldaten der nordvietnamesischen Armee kamen ums Leben.
Der Vietcong wurde zu dieser Zeit ebenfalls praktisch gesehen ausgeschaltet (eine Entwicklung die mit Ende der Tet-Offensive begann) und genau genommen hatte man damit den Guerilla-Krieg in Süd-Vietnam gewonnen. Etwas was in vielen westlichen Darstellungen auch so gut wie keine Beachtung findet.
Die USA nutzten die Gunst der günstigen Umstände und zogen sich aus dem Krieg zurück. Entsprechend wurde im Januar 1973 das Pariser Abkommen unterzeichnet, und der Krieg endete, wobei aber beide Seiten (Süd- wie Nordvietnam das Abkommen noch im gleichen Jahr brachen und auch die USA die in diesem Abkommen und per Geheimdiplomatie gemachten Zusagen nicht einhielten.
Der Abzug der USA Armee und die verringerte und schließlich eingestellte Militärhilfe führten in Südvietnam zu einer massiven Wirtschaftskrise und Südvietnam konnte daher seine Streitkräfte nicht mehr unterhalten (es wurde beispielsweise kein Sold mehr gezahlt, die Soldaten fingen daher an zu plündern etc) und dem folgend kam es in Südvietnam zu einer rasanten wirtschaftlichen Abwärtsspirale und damit zur Ablehnung der Regierung durch die Bevölkerung. Dem folgend invasierten konventionelle nord-vietnamesische Truppen das Land und eroberten es bis zum 30. April 1975.
Eine interessante Fragestellung in dem Kontext ist, was Geschehen wäre, wenn die USA bereits viele Jahre zuvor, beispielsweise noch vor der Tet-Offensive die Häfen Nord-Vietnams vermint hätten und die Eisenbahnbrücken zerstört hätten?!
lime:
Zitat:Die bittere Wahrheit damals war dass der Kommunismus mehr Herzen in Vietnam gewinnen konnte als der Kapitalismus.
Genau genommen gab hier der vietnamesische Nationalismus den Ausschlag. Der Kommunsimus hatte es in Wahrheit gar nicht so leicht in Vietnam und musste auch erst an vielen Orten mit Terror, Gewalt, Morden, Unterdrückung usw. gegen die Mehrheit durchgesetzt werden. Es wird heute weithin nicht mehr verstanden, wie der Vietcong agierte und wie er sich in der Bevölkerung verbreitete und durchsetzte.