23.04.2022, 19:00
(23.04.2022, 13:48)Quintus Fabius schrieb: Gestatte mir bitte eine kurze Frage diesbezüglich: wie erklärst du in diesem Kontext das krasse Missverhältnis bei den Luftsiegen zwischen französischen und deutschen Flugzeugen zugunsten Frankreichs?
Ein solch krasses Missverhältnis gab es in allen drei Phasen nicht. Während der Zeit des Sitzkrieges gab es Anfangs noch häufigere Gefechte, die für die französische Seite durchaus erfolgreich verliefen, allerdings auch zu falschen Schlüssen führten (bspw. das Gefecht "9-gegen-27"), etwa der Überlegenheit der französischen Ausrüstung (trotz dem Wissen um die annähernden Leistungsdaten). Trotzdem gab es immer wieder auch größere Verluste, die man schließlich nicht länger tragen wollte, so dass die Anweisung erging, Luftkämpfe nach Möglichkeit zu vermeiden. Auf deutscher Seite war das zuvor auch schon passiert. Tatsächliche Aufeinandertreffen waren geprägt von Fehleinschätzungen und Überheblichkeiten gerade auch von deutscher Seite.
In der zweiten Phase, dem tatsächlichen Angriff gab es sehr intensive, und insbesondere für die deutschen Angriffs- und Transportflugzeuge verlustreiche Gefechte. Die Zahl der Luftkämpfe stieg dabei nicht so stark an, wie man es vermuten könnte. Die Ausweichbewegungen der Armée de l'Air haben zwar die Zerstörung am Boden eingeschränkt, dafür sorgte die weite Dislozierung für eine schwierige Koordination, die ja eh keine Stärke der französischen Streitkräfte war. Statt großer Schlachten kam es häufiger zu kleineren Gefechten, und viel Zerstörung durch gegnerisches Flugabwehrfeuer. Dieser zweite Abschnitt war relativ schnell vorbei, und größere Verbände der Luftwaffe sicherten die tatsächlich errungene Luftüberlegenheit. In dieser dritten Phase reduzierten sich die Gefechte sehr deutlich, was auch daran lag, dass ein großer Teil der französischen Jagdflugzeuge bereits zerstört war.
Die Verlustrate der Jagdflieger der Luftwaffe war über den ganzen Verlauf deutlich niedriger als während der Luftschlacht um England, und sowohl absolut wie insbesondere auch relativ bezogen auf die Zahl der geflogenen Einsätze deutlich niedriger als die der französischen Jagdflieger. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen wieder, während ein großer Teil der abgeschossenen französischen Maschinen Jagdflugzeuge (meist älteren Typs) waren, so lag dieser Anteil auf deutscher Seite bei lediglich 20 Prozent der Gesamtverluste, inklusive eingerechneter Me 110, die sich in der Jagdrolle gar nicht bewähren könnten.
Zitat:Sowie die prozentual geringeren Bomberverluste bei den tatsächlich eingesetzten französischen Bombern?
"Gering" ist da auch wieder sehr relativ zu betrachten, sie waren deutlich geringer als auf deutscher Seite, weil die Luftwaffe ihre Bomber und Angriffsflugzeuge als Luftnahunterstützung sehr eng und nah am Feind einsetzte und sie so zu leichten Zielen nicht nur für Jagdflugzeuge, sondern auch für die Flugabwehr machte. Und das insbesondere in der Phase ohne eigene Luftüberlegenheit. Der größte Teil der Gesamtverluste erfolgte, ähnlich wie auch bei den Transportkräften, in den ersten Tagen des Angriffskrieges, während die Verlustquote danach dramatisch abfiel.
Auf französischer Seite wurden die Flugzeuge fast gar nicht zur direkten Unterstützung der eigenen Bodeneinheiten verwendet, dafür fehlten auch die Mittel zur Koordination solcher Einsätze. Vielmehr wurde sie im strategischen Sinne eingesetzt, und erhielten da Anfangs so hohe Verluste, dass man sehr schnell auf Nachtangriffe auswich - die dann nur mäßigen Einsatzerfolg brachten, aber zumindest die Verlustzahlen reduzierten.
Alles in allem sind beide Betrachtungen beispielshaft für die Frage der Einschätzung von Quantitäten. Mit der gleichen Zahl an Maschinen konnte die Luftwaffe deutlich mehr Einsätze pro Tag als die Armée de l'Air durchführen, während im Durchschnitt ein Jagdflieger auf französischer Seite etwa anderthalb Missionen pro Tag flog, kam der deutsche Pilot auf durchschnittlich sieben Einsätze. Auch bei den Bombern sah das Verhältnis ähnlich aus.
Zitat:Damit wäre, unterstützt durch die insgesamt überlegene Artillerie - insbesondere durch die wesentlich größeren Munitionsvorräte für die Artillerie ! - in dem von mir beschriebenen Gelände auf den genannten Angriffsachsen meiner Überzeugung nach ein systematischer Angriff in Richtung des Ruhrgebietes möglich gewesen und dieser hätte es auch erreicht und damit wäre die Lage dann endgültig gekippt.
Ich habe da ehrlich gesagt meine Zweifel, dass solch ein Angriff ohne hinreichende Luftunterstützung wirklich hätte erfolgreich verlaufen können. Und für eine solche Luftunterstützung fehlten den Alliierten meines Erachtens trotz des weiteren Aufbaus die Mittel. Aber in die Frage will ich (auch mangels wissen um die Verhältnisse am Boden) gar nicht tiefer einsteigen.
Grundsätzliche Frage (rein aus Interesse): wie bewertet ihr (also du und Schneemann) den Faktor Italien? Der Kriegseintritt erfolgte natürlich auch aufgrund von Opportunismus, aber wenn er auch ohne die deutschen Erfolge passiert wäre, hätte das zu einer schwierigen Situation am Mittelmeer führen können. Auf eure Einschätzungen bin ich gespannt.
