08.02.2022, 08:53
Offensichtlich definieren wir den Begriff "Einsatzdoktrin" unterschiedlich, von meiner Seite aus sind damit nicht typbezogene Einsatzverfahren gemeint, die natürlich fortlaufend anzupassen und weiterzuentwickeln sind, sondern die Gesamtheit aus Ziel- und Umsetzungen einzelner Truppengattungen, ihrer Systeme und somit auch dem Zusammenwirken von Systemen. Eine Änderung der Einsatzdoktrin ist nichts banales, und sollte im Normalfall nicht auf Basis von Neubeschaffungen erfolgen, sondern umgekehrt eine operative Notwendigkeit darstellen, die dann entsprechende Neubeschaffungen nach sich zieht. Wenn nun aufgrund zu hoher Kosten eine Fortsetzung nicht möglich ist, bleibt natürlich nichts anderes übrig als die Einsatzdoktrin entsprechend zu modifizieren, aber auch das bedeutet wieder Planung vor Beschaffung.
Meines Erachtens ist zumindest im Bereich der Hubschrauber der Schwachpunkt deiner Argumentation, dass du eine Ausstattung vorsiehst, die "irgendwie" die bisherigen Systeme ersetzen kannst, dabei aber sowohl die Einsatzdoktrin und deren genaue Anforderungen (inklusive der Stückzahlen) sowie die durch Streichungen ergebenen Lücken unberücksichtigt lässt. Damit folgst du im wesentlichen der Tradition bisheriger Beschaffungsentscheidungen, was nicht unbedingt ein Lob darstellt.
Wenn du also beispielsweise den Tiger aufgrund der Kostensituation streichen möchtest, verlieren wir nicht nur Erfahrungen im Einsatz von Kampfhubschraubern, sondern auch einen elementaren Teil der Einsatzdoktrin im Bereich der luftgestützten Operationen, was wiederum die Sinnhaftigkeit anderer Ausrüstung (in der Luft und am Boden) in Frage stellt. Eine Ersatzbeschaffung muss also hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der möglichen Einsatzverfahren in der Lage sein, diese Lücke zu schließen. Entgegen deiner Aussage sehe ich da durchaus einige mögliche Ersatzmuster für den Tiger in absehbarer Zeit (bspw. FARA), die das erfüllen können. Wenn wir aber eine solche adäquate Ersatzbeschaffung aus der Rechnung entfernen, dann muss zwingend die Doktrin angepasst werden, was zu Fähigkeitseinbußen deutlich über den Bereich der Kampfhubschrauber hinaus führt.
Letzteres muss nichts schlechtes sein, es lässt sich auch als Chance nutzen, muss dann aber sinnvollerweise erfolgen, bevor man eine entsprechend nicht ausreichende Ersatzbeschaffung einführt und damit vollendete Tatsachen schafft. Auch wenn der H145M sowas wie ein goldenes Kalb hier im Forum ist, er könnte einen Teil der Aufgaben des Tigers durchaus übernehmen, er wäre aber kein Ersatz, mit dem die Einsatzdoktrin weitgehend unverändert bleiben könnte, weil ihm dafür wesentliche Leistungsaspekte fehlen.
Ich gewinne umgekehrt immer mehr den Eindruck, dass ein STH in Zukunft sehr viel wichtiger sein könnte, als dies heute der Fall ist. Die Diskussion mit Quintus im Bereich Luftmechanisierung war durchaus sehr erhellend, brütet aber seitdem in meinem Kopf und wird genährt aus anderen Dingen, die so weltweit passieren.
Aber mal abgesehen davon, die Chinooks der Niederlande entsprechen weitgehend dem aktuellen Stand der US Army, das ist soweit durchaus richtig. Sie entsprechen aber nicht dem aktuellen Entwicklungsstand des Musters selbst, auf dem wiederum das Angebot für Deutschland basierte, liefern nicht die geforderten Leistungen, und besitzen nicht die gewünschte Ausstattung, wie sie bei den neuen Maschinen der US Army oder auch der Royal Air Force Standard sein wird. Auch die Einsatzverfahren der Niederländer unterscheiden sich sehr deutlich von den deutschen Anforderungen, schlicht weil sie den Chinook viel mehr als taktischen Transporthubschrauber verwenden, eine Aufgabe, für die wir den NH90 nutzen. Umgekehrt werden einige Einsatzverfahren von den Niederländern nicht nur nicht trainiert, sie sind zum Teil technisch gar nicht möglich, wie etwa die Luftbetankung.
Es ist in meinen Augen daher fraglich, wie groß der Nutzen einer Kooperation tatsächlich wäre, und welchen Sinn das Vorhalten von "irgendwelchen" Fähigkeiten im Bereich schwerer Transporthubschrauber hätte. Auch hier gilt das zuvor gesagt, es sollte erstmal eine Einsatzdoktrin feststehen, dann kann man über die Typfrage und eventuelle Kooperationen diskutieren. Andersherum ist das einfacher Aktionismus, der zwar die Gesamtkosten reduziert, aber weiterhin unsinnige Kosten produziert.
Ich möchte diese Aussagen dabei nicht als Plädoyer für die Fortführung von Tiger und STH verstanden wissen, vielmehr geht es mir ergebnisoffen darum, überhaupt den tatsächlichen Bedarf und die Alternativen zu klären, bevor man schwer nachvollziehbare Entscheidungen trifft, die irgendwie aber nicht so richtig zur Fortführung bestehender Fähigkeiten dienen sollen, aus Gründen, die zwar genannt aber dann doch nicht eingehalten werden können.
Meines Erachtens ist zumindest im Bereich der Hubschrauber der Schwachpunkt deiner Argumentation, dass du eine Ausstattung vorsiehst, die "irgendwie" die bisherigen Systeme ersetzen kannst, dabei aber sowohl die Einsatzdoktrin und deren genaue Anforderungen (inklusive der Stückzahlen) sowie die durch Streichungen ergebenen Lücken unberücksichtigt lässt. Damit folgst du im wesentlichen der Tradition bisheriger Beschaffungsentscheidungen, was nicht unbedingt ein Lob darstellt.
Wenn du also beispielsweise den Tiger aufgrund der Kostensituation streichen möchtest, verlieren wir nicht nur Erfahrungen im Einsatz von Kampfhubschraubern, sondern auch einen elementaren Teil der Einsatzdoktrin im Bereich der luftgestützten Operationen, was wiederum die Sinnhaftigkeit anderer Ausrüstung (in der Luft und am Boden) in Frage stellt. Eine Ersatzbeschaffung muss also hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der möglichen Einsatzverfahren in der Lage sein, diese Lücke zu schließen. Entgegen deiner Aussage sehe ich da durchaus einige mögliche Ersatzmuster für den Tiger in absehbarer Zeit (bspw. FARA), die das erfüllen können. Wenn wir aber eine solche adäquate Ersatzbeschaffung aus der Rechnung entfernen, dann muss zwingend die Doktrin angepasst werden, was zu Fähigkeitseinbußen deutlich über den Bereich der Kampfhubschrauber hinaus führt.
Letzteres muss nichts schlechtes sein, es lässt sich auch als Chance nutzen, muss dann aber sinnvollerweise erfolgen, bevor man eine entsprechend nicht ausreichende Ersatzbeschaffung einführt und damit vollendete Tatsachen schafft. Auch wenn der H145M sowas wie ein goldenes Kalb hier im Forum ist, er könnte einen Teil der Aufgaben des Tigers durchaus übernehmen, er wäre aber kein Ersatz, mit dem die Einsatzdoktrin weitgehend unverändert bleiben könnte, weil ihm dafür wesentliche Leistungsaspekte fehlen.
(07.02.2022, 23:54)Broensen schrieb: Das Thema STH ist ja bekanntlich ein sehr kontroverses und ich sehe mich selbst nicht in der Lage, klar zu sagen: Wir können darauf komplett verzichten. Auch wenn ich immer mehr glaube, dass ein nationaler Verzicht hier kein allzu großer Aderlass wäre im Vergleich zu manch anderer Sparmaßnahme der Vergangenheit.
Ich gewinne umgekehrt immer mehr den Eindruck, dass ein STH in Zukunft sehr viel wichtiger sein könnte, als dies heute der Fall ist. Die Diskussion mit Quintus im Bereich Luftmechanisierung war durchaus sehr erhellend, brütet aber seitdem in meinem Kopf und wird genährt aus anderen Dingen, die so weltweit passieren.
Aber mal abgesehen davon, die Chinooks der Niederlande entsprechen weitgehend dem aktuellen Stand der US Army, das ist soweit durchaus richtig. Sie entsprechen aber nicht dem aktuellen Entwicklungsstand des Musters selbst, auf dem wiederum das Angebot für Deutschland basierte, liefern nicht die geforderten Leistungen, und besitzen nicht die gewünschte Ausstattung, wie sie bei den neuen Maschinen der US Army oder auch der Royal Air Force Standard sein wird. Auch die Einsatzverfahren der Niederländer unterscheiden sich sehr deutlich von den deutschen Anforderungen, schlicht weil sie den Chinook viel mehr als taktischen Transporthubschrauber verwenden, eine Aufgabe, für die wir den NH90 nutzen. Umgekehrt werden einige Einsatzverfahren von den Niederländern nicht nur nicht trainiert, sie sind zum Teil technisch gar nicht möglich, wie etwa die Luftbetankung.
Es ist in meinen Augen daher fraglich, wie groß der Nutzen einer Kooperation tatsächlich wäre, und welchen Sinn das Vorhalten von "irgendwelchen" Fähigkeiten im Bereich schwerer Transporthubschrauber hätte. Auch hier gilt das zuvor gesagt, es sollte erstmal eine Einsatzdoktrin feststehen, dann kann man über die Typfrage und eventuelle Kooperationen diskutieren. Andersherum ist das einfacher Aktionismus, der zwar die Gesamtkosten reduziert, aber weiterhin unsinnige Kosten produziert.
Ich möchte diese Aussagen dabei nicht als Plädoyer für die Fortführung von Tiger und STH verstanden wissen, vielmehr geht es mir ergebnisoffen darum, überhaupt den tatsächlichen Bedarf und die Alternativen zu klären, bevor man schwer nachvollziehbare Entscheidungen trifft, die irgendwie aber nicht so richtig zur Fortführung bestehender Fähigkeiten dienen sollen, aus Gründen, die zwar genannt aber dann doch nicht eingehalten werden können.