23.06.2021, 18:17
(22.06.2021, 20:47)Quintus Fabius schrieb: Und gerade weil es nur bis zum Ende des Jahrzehntes dauern würde bis ein EF ECR einsatzbereit zur Verfügung steht wäre dies meiner Meinung nach die richtige Option. Eine gewisse Lücke ist hier unvermeidlich, der Grund dafür unser viel zu langes Zögern in dieser Sache. Man sollte hier daher den Mut zur Lücke haben.
Für mich wäre das kein Mut, sondern Verzweiflung, und absolut nicht nachvollziehbar. Völlig losgelöst von der hier bereits thematisierten Zusage an die NATO, eine Fähigkeit jetzt aufzugeben bedeutet den Erfahrungsverlust und den damit einhergehenden Aufwand zur Wiederbefähigung in Kauf zu nehmen, keine Kontinuität in der Fähigkeitsfortentwicklung zu haben und damit auch die zukünftige Fähigkeit absehbar zu schwächen, nur um Kosten zu sparen. Letztlich geht dabei exakt das, was man für Geld eben nicht kaufen kann, verloren.
Genau das ist meines Erachtens eines der fundamentalen Probleme unserer Bundeswehr, dass vorhandene Fähigkeiten entweder durch kurzsichtige Sparvorhaben abgeschafft oder durch mangelnde Laufzeitunterstützung der Systeme immer weiter verkommen bis sie militärische irrelevant werden, um anschließend für viel Geld wieder aufgebaut werden zu müssen. Siehe Flugabwehr, siehe MPA, siehe...
(22.06.2021, 22:27)GermanMilitaryPower schrieb: @Helios: Kannst Du den besagten Waffeneinsatz deutscher Kampfflugzeuge bitte näher spezifizieren. Seit dem Kosovokrieg, bei dem unsere Tornados HARM eingesetzt haben, ist mir kein weiterer Kampfeinsatz bekannt. Allerdings ist der Einsatz über 20 Jahre her und bietet daher heute keine notwendige Einsatzerfahrung mehr, da der Großteil unserer heutigen Piloten zur besagten Zeit noch im Kindergarten war.
War das denn kein Kampfeinsatz? Und ein großer Teil derer, die damals Einsätze flogen, sind auch noch heute aktiv, teilweise auch als Ausbilder. Der Fähigkeitserhalt in diesem Bereich klappt. Aber nochmal die Frage: worauf willst du mit dieser Argumentation hinaus, und warum beschränkst du das exklusiv auf die Luftwaffe?
Zitat:Die Bundeswehr ist trotz Afghanistan und Mali, qualitativ und quantitativ so weit von einer adäquaten Wehr- / Kriegsfähigkeit entfernt, wie nie zuvor. Dass daran eben nicht nur der monetäre Aspekt Schuld ist, haben wir bereits zur Genüge diskutiert. Das Problem liegt vor allem in dem von mir erwähnten, total außer Kontrolle geratenen Mix zwischen Quantität und Qualität.
Nein, das ursprüngliche Problem liegt im fehlenden Willen der Gesellschaft (und in Folge der Politik), Krieg als ein politisches Mittel zu verstehen. Daraus ergeben sich all die weiteren Probleme, der Unwille, militärisch aktiv zu werden, die fehlende Finanzierung von Rüstungsvorhaben, selbst der übertriebene Sicherheitsgedanke, der dazu führt, dass Qualität in jeglicher Hinsicht über Quantität gestellt wird. Solange aber das ursprüngliche Problem nicht gelöst wird, ändert das herumdoktern an den sich daraus ergebenen Problemen nichts ändern.
Zitat:Mit dem Wissen von heute betrachte ich den Eurofighter als eine massive Fehlentscheidung, da die Hauptaufgabe des Flugzeugs das Ausgeben von Geld (Wirtschaftssubvention) war und ist.
Du beschreibst damit das inhärente Paradoxon von Streitkräfte und Militärtechnik, abseits vom konkreten Einsatz sind Beschaffung und Unterhalt immer eine massive Fehlentscheidung, im konkreten Einsatz wäre der Verzicht auf Beschaffung und Unterhalt eine massive Fehlentscheidung, und das eine begünstigt immer das andere. Das betrifft nicht nur den Eurofighter, sondern nahezu alles andere auch und insbesondere die Bundeswehr selbst als ganzes.
Rein technisch war und ist der Eurofighter ja keine massive Fehlentscheidung, im Gegenteil handelt es sich um ein auch im internationalen Vergleich sehr leistungsfähiges Kampfflugzeug. Das politische Ziel einer unabhängigen europäischen Entwicklung hat er ebenfalls erfüllt. Als Werkzeug primär für einen symmetrischen Krieg ist er für viele tatsächliche Einsätze der heutigen Zeit überqualifiziert, das wäre er aber auch dann, wenn die politischen Rahmenbedingungen hinsichtlich militärischer Interventionen anders ausfallen würden. Und genau darauf will ich hinaus, ich verstehe deine Argumentation an dem Punkt nicht, denn das gilt für jegliche Ausrüstung, die primär für symmetrische Zwecke ausgelegt ist. Das ist auch kein bundeswehrspezifisches Problem, sondern bei allen Streitkräften weltweit anzutreffen. Die logische Konsequenz dieser Überlegung hätte die gleichen Folgen wie die Transformation der Bundeswehr der 90er und 2000er Jahre. Das kann man natürlich wollen, ich will das nicht, und deshalb sehe ich auch kein Grund zur Resignation.
Zitat:Aus diesem Grund betrachte ich FCAS als weiteren Sargnagel der deutschen militärischen Einsatzfähigkeit. Wir entwickeln ein extrem teures Kampfflugzeug, dessen Erfolg nicht garantiert ist, das frühestens 2040 zuläuft, und gleichzeitig fehlen uns im Hier und Jetzt Helme, Munition, Bomben, Panzer, Soldaten, etc. Das passt nicht zusammen und kann auch von Dir nicht bestritten werden, da diese Ausgangslage Realität ist.
Erfolg kann man nicht garantieren, niemals. Und der aktuelle Ausrüstungsmangel wird nicht durch den Verzicht auf Großprojekte reduziert, sondern einzig und allein durch den politischen Willen diesen Mangel abzustellen. Denn, und das ist für mich der entscheidende Faktor, wir können uns eine sehr gut ausgestattete Bundeswehr in der aktuellen Größe leisten, es ist also einzig die Frage, ob wir sie uns leisten wollen? Letzteres war bisher nicht der Fall, wenn das aber das Fall wäre, könnte man sowohl die Bundeswehr kurzfristig einsatztauglich machen und trotzdem langfristige Projekte finanzieren. Ist das auch dauerhaft nicht der Fall, dann nützt die Aufgabe von Großprojekten nichts, weil das Geld schlicht nicht umgeschichtet werden würde.
Zitat:Wir brauchen neben der Bereitschaft unser Portfolio an Waffen im Bedarfsfall einzusetzen, genauso Waffensysteme, die die Schlagkraft unserer Truppe (vor allem hier und jetzt, spätestens zeitnah) erhöhen, ohne den Kostenrahmen zu sprengen.
Richtig, gleichzeitig darf man aber auch das Gesamtbild nicht außer acht lassen. Denn der Wille, diese Waffen im Bedarfsfall auch einzusetzen sollte den eigenen Motiven und damit einer unabhängigen, zumindest europäischen Sicherheitspolitik entspringen. Diese ist aber in letzter Konsequenz nur gewährleistet, wenn es auch eine entsprechend unabhängige, zumindest europäische Rüstungsindustrie gibt. Und die muss natürlich durch staatliche Aufträge finanziert werden.
Auch das ist ein Punkt, auf den wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden. Die Beschaffung bereits erprobter Technik aus dem Ausland ist bei dir ja ein häufiger Lösungsansatz für die vorhandenen Probleme mit hiesiger Technik, ignoriert aber meines Erachtens völlig die sich daraus ergebene Konsequenz: wir werden sicherheits- und damit außenpolitisch dauerhaft abhängig von der USA bleiben (denn von dort kommen ja in der Regel die gewünschten Systeme). Das ist für mich kein erstrebenswerter Zustand.
(23.06.2021, 07:36)GermanMilitaryPower schrieb: Im militärischen Bereich leider inkompetent und unverlässlich.
Wenn man mal die von Außen in die jeweiligen Projekte eingebrachten Probleme herausrechnet wird schnell deutlich, dass Airbus weder grundsätzlich inkompetenter noch unzuverlässiger als andere Rüstungskonzerne ist. Vielmehr ist es die große Zahl verschiedener Interessen, die in die jeweiligen Projekte hinein spielen, die zu der Situation führen, dass insbesondere Großprojekte immer und immer wieder unterhalb ihrer Möglichkeiten bleiben.
Natürlich kann man dem entgehen, indem man schlicht und einfach nur fertig entwickelte, ausgereifte Systeme anschafft. Ich kann sogar verstehen, dass du das aufgrund der Vielzahl an Problemen aktuell bevorzugst. Aber zwei Dinge müssen dabei zwingend berücksichtigt werden: sofern dies nicht nur punktuell erfolgt, sondern die Basis für Beschaffungsvorhaben bildet, wird eine unabhängige europäische Außen- und Sicherheitspolitik dadurch zunehmend verhindert, weil der Weg zurück zu eigenen Rüstungsvorhaben ebenso zunehmend aufwändiger wird (sofern er überhaupt noch mit vertretbarem Aufwand möglich ist). Zudem löst man so etwaige Probleme einer werksseitig geringen Einsatzreife der Systeme, das (meines Erachtens) eigentliche Hauptproblem, die fehlende Lebenszeitunterstützung im Dienst der Bundeswehr wird dadurch aber keinesfalls reduziert. Unter Umständen verschlimmert es sich noch, wenn etwa dafür ebenso ausländisches Know-How eingekauft werden muss.
Zitat:Investitionsbereitschaft, Modernisierungen und volle Waffendepots vorausgesetzt.
Aha, warum setzt du diese bei Fremdmustern voraus, wenn doch all das bei den Eigenentwicklungen nicht in ausreichendem Maße gegeben ist? Und um bei deinem konkreten Beispiel zu bleiben, der Tornado lief in den achtziger Jahren für die Luft-Boden-Rolle zu, die ECR-Maschinen kamen sogar erst Anfang der neunziger Jahre. Auch bei einem Fremdmuster als Ersatz für die Phantom gibt es keinen Grund anzunehmen, dass man diese nicht konsequent für die Jagdrolle beschafft und ausgerüstet hätte (übrigens eher die F/A-18 als die F-16), um sie erst später auf weitere Fähigkeiten zu erweitern (und die notwendige Bewaffnung bereit zu stellen). Deine These ist aus dem Grund für mich schlicht nicht haltbar.
(23.06.2021, 07:52)Quintus Fabius schrieb: Meiner Einschätzung nach wird es so oder so hier (ECR) zu einer Lücke kommen und besser diese entsteht jetzt und wird bis spätestens Ende des Jahrzehntes geschlossen, als dass sie später entsteht, den jetzt ist die Lage insgesamt noch überschaubar.
Es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass sich die Entwicklung des Eurofighter ECR beschleunigt, nur weil der Tornado ECR außer Dienst gestellt wird. Die Gefahr ist daher meines Erachtens weniger, dass die potenziell entstehende Lücke lediglich zeitlich vorgezogen ist, als vielmehr, dass sie sich zeitlich ausdehnt. Mit all den damit einhergehenden negativen Effekten. Tendenziell wäre insofern eher zu überlegen, ob es wirklich ein Zwischenmuster (Growler) braucht. Aber dazu habe ich mich ausführlicher bereits im Tornado-Nachfolge-Strang geäußert und will das hier nicht alles wiederholen. Zur F-35 sage ich hier nichts mehr, die Diskussion haben wir in dem Forum wirklich oft genug geführt.