Leichte Infanterie
@ Qunitus

In Sachen Militärkultur: Eine Wehrpflicht prägt die Gesellschaft, das ist klar (und einer ihrer positivsten Nebeneffekte, auch wenn mich jeder Juso-Kongress dafür öffentlich vierteilen würde). Gleichzeitig unterscheiden sich Israel und Südkorea aber eben auch dadurch von uns, dass sie eben klassische Nationalstaaten sind, während Japan zwar prinzipiell auch zum Klub der "post-Klassischen" gehört (pazifistische Verfassung), aber es eben geschafft hat, den unbedingten Glauben an die eigene kulturelle Überlegenheit nicht nur beizubehalten, sondern auch noch in Soft-Power umzuwandeln. Wenn man an Deutschland denkt, denkt man erst an Auschwitz, dann an Buchenwald und dann (vielleicht) an Bach oder Goethe. Bei Japan sind es Pokemon, Nientendo und Hiroshima... ich werd das Gefühl nicht los, dass die Japaner irgendwie besser wegkommen...

Zitat: An dieser Stelle möchte ich den Wert von Luftlandetruppen für die zukünftige Kriegsführung allgemein in Frage stellen. Ob wir tatsächlich noch Fallschirmjäger benötigen bzw. ernsthaft einsetzen können ist höchst zweifelhaft. Ebenso ist die Frage, ob wir nicht bewusst auf Marineinfanterie verzichten sollten um diese Fähigkeit durch andere europäische Verbündete stellen zu lassen. Verbleiben die Gebirgsjäger, welche aber von einer echten Jäger-Truppe im Prinzip nicht weit weg sind. Im Zweiten Weltkrieg bereits konnte im realen Kampfeinsatz de facto kein Unterschied zwischen Gebirgsjägern und Jägern festgestellt werden, außer in besonders außergewöhnlichen Hochgebirgs-Situationen. Um normale Jäger-Verbände auch in diesen Situationen einsetzen zu können stellte man die sogenannten Hochgebirgs-Bataillone auf.

Fallschirmjäger und Marineinfanterie sind sozusagen prototypische "Expeditionstruppen." Für ein Gemetzel im Baltikum brauchen wir sie nicht unbedingt (auch wenn Landungsoperationen bei einer Wiedereroberung baltischer Inseln unverzichtbar werden dürften), aber sie sind die Truppen, die wir am ehesten ins Weit entfernte Ausland "spedieren" könnten, wenn dort wirklich Ärger herrscht. Ich denke da nicht mal so sehr an asymmetrische Scharmützel, sondern an schlichte Abschreckungsmanöver. Beispiel: Die Chinesen rumoren in Formosa-Straße. Das hypotehische deutsche LHD "Kiel" (Rotterdam-Klasse) erhält den Befehl, in Taipeh oder (eine Stufe niedriger) Okinawa anzulaufen und setzt dort ein Bataillon Marineinfanterie ab. So eine Demonstration bringt mehr als jede noch so geharnischte diplomatische Note - sie sorgt vermutlich sogar dafür, dass wir gänzlich auf einen weiteren Austausch von Höflichkeiten verzichten können, weil sich der Invasionsversuch damit erledigt hat. Wenn wir unsere Rolle als militärische "Führungsnation" in Europa ernst nehmen würden, dann müssten wir uns derartige Kapazitäten anschaffen - denn wer weiß, ob die Italiener, Franzosen oder Niederländer in so einer Lage nicht einen Rückzieher machen würden (ok, die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass WIR einen Rückzieher machen würden, aber man wird ja noch träumen dürfen...)

Zitat: Insgesamt kann ich dir zustimmen, zumal Israel auch noch Atommacht ist usw usf, aber spezifisch in Bezug auf Infanterie und im Besonderen noch in Bezug auf leichte Infanterie kann ich dir versichern, dass Schweizer Infanterie deutlich leistungsfähiger und kompetenter ist als israelische Infanterie jedweder Art. Was ich von Schweizern allein schon an Schießleistungen mit eigenen Augen gesehen habe geht schon ins Abstruse. Von der körperlichen Leistungsfähigkeit mancher Schweizer Gebirgs Einheiten noch ganz zu schweigen.

Die Schweizer sind gut, keine Frage - aber allein im israelischen Kabinett sitzt im Schnitt mehr aktive Einsatzerfahrung rum als in der ganzen Schweizer Armee. Was natürlich nicht bedeutet, dass wir uns von den Schweizern nichts abschauen können oder sollten, aber die Israelis haben eben schon viel mehr Fehler begangen, von denen sie (und wir) lernen können.


Zitat:
Flüsse sind als offene Linien ohne Deckung primär aus Gründen der Eigensicherung ein Problem - und weniger als Geländehindernis.

Ein Fluss kann witterungsbedingt zu einem für leichte Infanterie absolut unüberbrückbaren Hinderniss werden, dass dann eben nur in Fahrzeugen oder mit Pioniergerät überwunden werden kann (wenn überhaupt). Die klassische Möglichkeit, einen Fluss zu queren - die Furt - ist vielerorts der Flussvertiefung zum Opfer gefallen, was gleichzeitig zu Fließgeschwindigkeiten führt, wie sie früher nur im Frühjahrhochwasser üblich waren. Wenn ich aber z.B. die Donau nicht im derzeitigen Frühjahrshochwasser überqueren kann, ohne dass wenigstens drei Viertel meiner Leute ein Fall für die DLRG werden, dann muss ich damit rechnen, dass ich sie auch im Einsatz nicht werde überqueren können. Allgemein zu Wasser als Hindernis für die Infanterie: Es hat seinen Grund, warum ein circa 1,80 Meter tiefer Wassergraben von 100-200 Metern Breite in der niederländischen Manier bereits als "Sturmfest" angesehen wurde.


In Sachen Marschleistung: Man kann allerlei fantastische Marschergebnisse ausgraben, wenn man will: Vom Orhidsee bis Theben (400 Kilometer) in 13 Tagen, von Kretopolis bis Pisidia (500 Kilometer) in 7. Einen traurigen Rekord dürfte Philip, Sohn des Agathokles halten: In Waffen und Rüstung 80-100 Kilometer (hängt von eurer bevorzugten Umrechnung des griechischen Stadion ab) an einem Tag, laufend, um mit der Kavallerie mithalten zu können. Am Abend erfolgte ein kurzer Kampf und dann der Erschöpfungstod.
Der wichtigste limitierende Faktor ist aber die Stärke der Einheit. Ein Gebirgszug, der für fünf Mann nicht das geringste Problem darstellt, wird für 5000 schon allein deshalb zur Todesfalle, weil sie sich gegenseitg das Wasser wegtrinken und den halben Tag an irgendwelchen Engpässen Schlange stehen. Je massiver ich jedoch auf unmotorisierte Infanterie setze, wie Quintus es ja plant, desto größer werden diese Probleme selbst in besiedeltem Gelände, weil mir die Soldaten die Haare vom Kopf fressen. Nehmen wir den Russlandfeldzug als Beispiel: Abmarsch in Kaunas am 24. Juni 1812. Bereits drei Tage später hungern die ersten Soldaten, weil das Brot nicht hinterher kommt. 14. September 1812: Einmarsch in Moskau. Durchschnittliche Marschleistung pro Tag (Luftlinie): 12 Kilometer. Der Rückmarsch ist auch nicht viel besser: Abmarsch am 18. Oktober – Ankunft in Wilna für viele Infanteristen am 7. Dezember. Sprich: Ja, ich kann einige hundert, vielleicht sogar einige Tausend leicht ausgerüstete Soldaten schnell marschieren lassen (wobei selbst die Gebirgsjäger des 2. Weltkriegs für Quintus begriffe ja noch schwer sind – allein die Bergstiefel dürften schon mehr wiegen, als Quintus für die Bekleidung insgesamt ansetzt). Aber wenn ich versuche, ein Massenheer von mehreren hunderttausend Mann (Milizarmee) zu Fuß von Deutschland bis ins Baltikum zu schaffen, dann brauche ich Zeit und eine brillante Logistik. Grundsätzlich ist Quintus Einsatzdoktrin vielleicht in kleinen Formationen von weniger als 100 Mann längere Zeit durchhaltbar – aber dann sprechen wir eben von vielleicht einer oder zwei Divisionen insgesamt, die so über ein riesiges Gebiet verteilt operieren – und nicht von einem Massenheer.
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