29.01.2021, 00:33
Drohnenbegleitung, Super-Software – doch Europas Kampfjet-Projekt hat ein Problem
https://www.welt.de/wirtschaft/article22...oblem.html
Zitat:Für bis zu 300 Milliarden Euro wollen Deutschland, Frankreich und Spanien einen neuen Kampfjet bauen. Doch es gibt Ärger: Berlin warnt vor einer Einigung um jeden Preis. Unter französischer Führung könnte die deutsche Wirtschaft bei der Entwicklung ausgeklammert werden.
Was das Rüstungsprojekt Future Combat Air System (FCAS) die Steuerzahler in Deutschland, Frankreich und Spanien kosten wird, kann niemand genau sagen. Expertenschätzungen gehen von 300 Milliarden Euro über viele Jahrzehnte aus. Im Mittelpunkt steht dabei ein neuer Kampfjet.
Der soll im Jahr 2040 mit Drohnenbegleitung, Vernetzung mit anderen Waffensystemen und Super-Software (Combat-Cloud) einsatzbereit sein. Immer wieder wird über ein Scheitern des Projektes spekuliert, weil Frankreich die Führung hat und die Berliner Politik befürchtet, dass die deutsche Wirtschaft bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien ausgeklammert wird.
Daher gibt es keinen Freibrief zur Finanzierung. Deutsche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Bundeswehr bezweifelten zwar jetzt, dass es zum großen Knall kommt. Aber sie stellen Forderungen.
Bei einer Videokonferenz sprach beispielsweise der CSU-Politiker Reinhard Brandl als Mitglied im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss von aktuell schwierigen Verhandlungen. Er gehe aber von einer Einigung aus.
Die Verhältnisse zwischen Dassault und Airbus sind nicht geklärt
Ein Knackpunkt seien die Rechte und der Zugriff bei Neuentwicklungen, vor allem zwischen Dassault und Airbus. „Was wir nicht wollen, ist, dass nur um den Preis einer Einigung die falschen Kompromisse gemacht werden.“
Der Politiker riet, dass aus politischen Gründen jedes Land eigene Testmodelle (Demonstratoren) bekommen sollte. Das wäre eine größere Sicherheit und mehr Souveränität, als wenn es „nur einen zentralen Demonstrator gibt, der dann bei Dassault steht“.
In der Branche gilt das FCAS-Projekt als Paradebeispiel strategischer französischer Industriepolitik. Das derzeit größte Rüstungsprojekt Europas hat eine Schlüsselbedeutung, die weit über das Militär hinausgeht, etwa mit der Entwicklung neuer Software und der Vernetzung.
Experten sprechen vom „System of Systems“. Plakativ wird FCAS von den Befürwortern als „Garant für europäische Souveränität – strategisch, technologisch, wirtschaftlich und politisch“ bezeichnet. Dabei gibt es mit dem Tempest-Projekt, an dem Großbritannien, Italien und Schweden arbeiten, sogar ein zweites europäisches Vorhaben für einen neuen Kampfjet.
Bei einer Zusammenlegung von FCAS und Tempest müsste aber wohl vor allen Dingen Frankreich an seinem Führungsanspruch Abstriche machen.
In der Branche wird mit Spannung verfolgt, wie sich die Berliner Regierung gegenüber Paris positioniert. Wie Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, in der Videokonferenz sagte, begrüßt er aus dem Wirtschaftsministerium, dass über das Verteidigungsministerium auch Industriepolitik betrieben wird.
Die Ablösung von Rafale und Eurofighter „wird nicht eine einzelne Nation oder ein einzelnes Unternehmen organisieren können“, so der CDU-Politiker. „Wir kämpfen gemeinsam mit dem Verteidiger dafür, dass es auch anständige Industrieanteile gibt.“ Wörtlich: „Wir werden genau darauf achten, dass es hier eine Partnerschaft auf Augenhöhe gibt.“
Ein Schwerpunkt sollte auf der Software liegen. Deutschland sollte seine Softwarekompetenz ausbauen. „Ich wünsche mir, dass FCAS das initiale Projekt ist, um für uns in Europa unsere Softwareplattform auf eine neue Ebene zu heben.“ Das werde bei „den Auseinandersetzungen der Zukunft die entscheidende Stellschraube sein, dass man diese Technologie beherrscht“.
In der Zwickmühle sitzt die maßgeblich am FCAS-Projekt beteiligte Airbus-Rüstungssparte unter der Führung von Dirk Hoke, der wiederum Präsident des deutschen Luftfahrtindustrieverbands BDLI ist. An Airbus sind Deutschland und Frankreich als größere Aktionäre beteiligt.
Wie Hoke sagte, wird intensiv daran gearbeitet, „das Gleichgewicht sicherzustellen“. Er sei zuversichtlich, dass es zum anstehenden nächsten Finanzierungsschritt (Phase 1B) durch Deutschland kommen wird.
Vertreter vom Triebwerkehersteller MTU Aero Engines oder des Luftfahrttechnikanbieters Liebherr betonten, dass über FCAS Technologien für das Fliegen von morgen auch im Zivilsektor gelegt werden, etwa emissionsfreies Fliegen oder Flugsteuerungen für ein künftiges Ein-Piloten-Cockpit.
Es dürfe keine nationalen „Black Boxes“ geben
Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, forderte eine Transparenz bei den technischen Entwicklungen. Es dürfe keine nationalen „Black Boxes“ geben. Hoke räumte ein, dass es in der Vergangenheit „länderspezifische Unterschiede gibt“, zeigte sich aber zuversichtlich, diese zu überwinden.
Der CSU-Politiker Brandl äußerte sich zuversichtlich, dass zumindest derzeit das FCAS-Projekt nicht am Geld scheitern wird. Allerdings stehe noch nicht fest, welche Gelder in den nächsten 20 Jahren dafür ausgegeben werden müssen.
Weil sich in den nächsten 20 Jahren die Milliarden für Forschung und Entwicklung für das Projekt noch nicht unmittelbar mit dem neuen Kampfjet bei der Bundeswehr zeigt, sollte das Mammutprojekt aus der Finanzierungsverantwortung des Verteidigungsministeriums herausgenommen werden, so der CSU-Politiker.
Andernfalls könnte der Druck entstehen, Geld für Projekte auszugeben, die schneller zu einer Verbesserung der Bundesausrüstung führt. Die ersten FCAS-Flugdemonstratoren sollen in den Jahren 2026/27 abheben.
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