21.12.2020, 13:30
(19.12.2020, 19:50)GermanMilitaryPower schrieb: Ich schätze Deine Meinung sehr, aber hier verstehe ich Dich nicht. Es ist mir schleierhaft, wie du bis heute den einzig wahren Kampfhubschrauber so hartnäckig ablehnst. (...)
Naja, dass ich nicht unbedingt die Ansichten von dir und vielen anderen Forenten (und auch etlichen Medien) teile ist nichts neues und betrifft viele Systeme. Da ich deiner Bewertung des Tigers (im Vergleich zum Apache) nicht folge halte ich auch deine darauf aufbauende Schlussfolgerung für falsch. Dies obwohl ich gar kein grundsätzliches Problem mit dem AH-64 habe, er ist nur in meinen Augen nicht das, was wir tatsächlich benötigen. Und er ist in meinen Augen auch nicht das, zu dem er eben in den hiesigen Foren und Medien gemacht wird.
Denn er glänzt eben nicht in allen Disziplinen und zeigte auch im Einsatz ganz deutliche Schwächen. Für mich ist es eine selektive Argumentation, dem Tiger einen mangelhaften ballistischen Schutz vorzuwerfen, während der Apache bereits vor 20 Jahren eine ziemlich ähnliche Erfahrung machen durfte und trotz vorher ausgiebig gelobter Schutzmaßnahmen (ähnlich übrigens wie beim Tiger auch) in diesem Punkt eine Anfälligkeit gezeigt hat, die ihm dann primär durch veränderte Einsatztaktiken und sekundär durch eine spezielle Nachrüstung ausgetrieben wurden - die Parallele zum Tiger sollte leicht zu erkennen sein.
Ein weiterer Punkt betrifft die Sensorik und die sich daraus ergebene mangelhafte Lagebilderstellung in komplexeren Einsatzszenarien, die bis heute nicht vollständig ausgeräumt ist, sich in Auslandseinsätzen aber erst dann geäußert hat, als man nicht mehr nur in der Wüste jagt auf veraltete Panzer machte. Es war nicht umsonst angedacht, speziell für geographisch oder technologisches schwierige Einsatzräume den Apache in enger Zusammenarbeit Scouts, etwa dem nie realisierten Comanche, später dann mit Drohnen und schließlich mit aus der Not heraus modifizierten Apaches einzusetzen, letzteres mit so großen Nachteilen hinsichtlich des Aufwands, dass das FARA-Programm von der US Army höchste Priorität erhielt. Generell ist der Apache als ein Bestandteil eines dualen Waffensystems entwickelt worden, dass so nie zum Einsatz gekommen ist.
Ich habe die großen Probleme des Tigers bereits angesprochen, abgesehen von den anfänglichen Schwierigkeiten haben die weniger mit der Auslegung des tatsächlichen Systems zu tun als mit dem Grad der Unterstützung und Projektumsetzung, dessen Probleme sich wie ein roter Faden durch die Bundeswehr, die Politik und die Industrie zieht. Für mich ergibt sich daraus das Problem, dass ohne eine Änderung bei der Systemunterstützung (Vorratshaltung, Wartungsfähigkeiten, Bewaffnung, usw.) auch durch Ersatzbeschaffungen keine Verbesserung zu erwarten ist. Umgekehrt sollte durch entsprechende Änderungen auch eine Verbesserung der Situation bei bestehenden Mustern erfolgen, die wiederum eine Ersatzbeschaffung überflüssig machen würde.
Es muss daher das Hauptziel sein, diese Unterstützung grundsätzlich und für alle bisher verfügbaren Systeme und damit auch deren Einsatzfähigkeit herzustellen. Für den Tiger bedeutet dies eine adäquate Bewaffnung anschaffen (die ist für eben diesen genauso einfach verfügbar wie sie es für den Apache wäre), Wartung und Ersatzteilversorgung sicherstellen und die bestehenden Modifikationen schnellstmöglich implementieren (ASGARD-F). Wenn das erreicht wird haben wir einen Hubschrauber, der nicht in der reinen Waffenwirkung mit dem Apache mithalten kann, wohl aber im Gesamtpaket unseren Anforderungen der Bündnis- und Landesverteidigung (Aufklärung, Panzerabwehr, Feuerunterstützung gegen befestigte Stellungen) sowie Auslandseinsätzen (Eskort und Feuerunterstützung gegen bewegliche Ziele und ungeschützten Stellungen) gerecht wird - mit dem einzigen verbliebenen Nachteil der fehlenden Bugkanone (was primär für letztere Einsätze ein Nachteil ist). Dass dies durchaus realistisch ist zeigen die tatsächlichen Erfahrungen in Frankreich oder Australien, in beiden Fällen sind die wesentlichen Probleme gelöst und die Einsatzbereitschaft auf einem deutlich höheren Niveau als bei uns (auch wenn das in australischen Medien selten zur Sprache kommt).
Auf dieser Basis könnte dann das angedachte Upgrade auf Mk.3 tatsächlich Sinn ergeben. Aus meiner Sicht wäre zudem die kurzfristige Ergänzung des Tigers mit einer noch stärker militarisierten Version des H145M wünschenswert, bei der durch Modifikation der Zelle ein angemessenes Schutzniveau realisiert werden kann.
Eine Alternative Beschaffung des Apache würde mehr Geld kosten und sicherlich die Fähigkeiten im Bereich der Waffenwirkung deutlich erhöhen. Genau wie bei der US Army würde aber eine wesentliche Komponente zum effektiven Einsatz des Hubschraubers fehlen, die sich auch nicht so einfach durch unbemannte Luftfahrzeuge schließen lässt (wie die US Army ja selbst feststellen musste). Wir würden damit also nicht nur gewinnen, sondern mit hohem Geldeinsatz gleichzeitig auch Fähigkeiten verlieren. Diese müssten durch eine weitere Komponente ersetzt werden, eine Variante wäre dafür sicherlich der Aufbau eines echten bewaffneten Scouts auf Basis des H145M, was allerdings ein größeres Programm bei gleichzeitig kleiner Stückzahl und dementsprechend hohen kosten bedeuten würde. Alternativ könnte die spätere Nachbeschaffung von FARA sein, wobei es auch da zum einen eine zeitliche Lücke gäbe, zum anderen vieles darauf hindeutet, dass dieser aufgrund der Fähigkeiten von der US Army nicht in direkter Kooperation mit dem Apache verwendet wird.
Aus dem Grund halte ich den grundsätzlichen Ersatz des Tigers durch den FARA-Gewinner für wesentlich sinnvoller, weil sich beide in ihrer Zielsetzung viel stärker ähneln und dieser auch viel eher unseren Anforderungen entspricht. Es bleibt dann allerdings die bekannte zeitliche Lücke, die es zu überbrücken gilt.
Hier ist der Blick nach Australien durchaus interessant, denn die stehen letztlich vor einer gleichen Fragestellung. Das Ziel ist perspektivisch die Beschaffung des FARA-Gewinners als neuen Aufklärungs- und Kampfhubschraubers, die Frage des Übergangs wird aber heiß diskutiert (auch wenn es dabei wohl inzwischen mehr um Industriepolitik geht, denn ein Großteil der eigentlichen Probleme mit dem Tiger sind gelöst). Auffällig ist hierbei, dass Airbus die Kosten für die Modernisierung der australischen Tiger auf den Mk.3-Standard als maximal halb so hoch wie die Beschaffungskosten für den AH-64E bezeichnet und dies von Seiten australischer Analysten, selbst jenen, die trotzdem für eine Beschaffung des Apache plädieren, geteilt wird.
(20.12.2020, 22:38)Quintus Fabius schrieb: Die Australier wollen ihre Tiger ja loswerden und haben meiner Kenntnis nach 22 Maschinen. Wäre es möglich diese zu übernehmen und in die Bundeswehr einzugliedern oder unterscheidet sich die australische Version dafür zu sehr, so dass dies wieder zu hohe Folgekosten für die Einpassung verursachen würde ?
Falls die Australier den Tiger tatsächlich ausmustern sollten und wir uns für Mk.3 entscheiden (was ich für nicht unrealistisch halte), dann wäre die notwendige Anpassung im Zuge dessen durchaus machbar und der Gedanke sollte weiterverfolgt werden. Zumal wir dann auch Maschinen erhalten würden, die besser für Auslandseinsätze geeignet wären als dies mit unserer Version UHT der Fall ist. Ohne ein solches eh durchzuführendes Update wären die Unterschiede meines Erachtens zu groß, um einen sinnvollen Parallelbetrieb zu ermöglichen.