Söldner(un)wesen
Zitat: Nelson:

Zitat:
Wir wissen im übrigen zu wenig über die makedonische Heeresversammlung, um nachvollziehen zu können, ob diese Vorgehensweise nicht sogar völlig legal war

Da hast du natürlich recht, aber warum meuterte die Heeresversammlung? Warum gab es Widerstand gegen Alexander in dieser Form? Nicht allein weil man zu weit vorgerückt war, zu weit weg von der Heimat sondern auch weil man (zu Recht) die zunehmende Einmischung fremder Völker in die eigene Armee ablehnte, die Eingliederung von Fremden in die Führung dieser Armee ablehnte und (zu Recht) befürchtete, dass Alexander sich immer mehr auf Fremdvölker abstützen würde und damit die eigene Machtposition noch weiter schwinden würde. Die Sichtweise war: Die Erfolge wurden von Hellenen errungen und dann wurden irgendwelche Fremden die vorher noch Feinde gewesen waren von Alexander privilegiert, statt ausschließlich die Makedonen zu privilegieren.

Ich glaube, die Meuterei in Indien ist wirklich zuerst und vor allem den Umständen zu verdanken. Anders als in den Jahren zuvor (Eroberung und Sicherung des Achamenidenreichs) hatte man schlichtweg kein Ziel mehr. Zudem verrottete gerade der komplette Besitz des Heeres - vom Linothorax über Zelten bis hin zu Beutestoffen. Die Fremdtruppen waren gerade für die makedonische Infanterie nicht so das Problem, denn die Reihen der Phalanx blieben bis zu Alexanders späteren Experimenten in Babylonien (Eingliederung von Persern in die Phalanx, möglicher Ersatz durch eigens ausgebildete Jugendliche) geschlossen makedonisch. Da gab es schon eher Probleme in der Führung des Heeres, so waren etwa die Gefährtenreiter nicht unbedingt begeistert, als Alexanders neue Verwandschaft in ihre Reihen aufgenommen wurde - und von den Ehen zwischen Makedonen und persischen Frauen überlebte lediglich die zwischen Seleukos und Apamea. Interessanterweise war das Heer des Seleukos dann in den Diadochenkriegen (nach einigen Anlaufschwierigkeiten, Seleukos frühe Jahre nach Alexanders Tod sind der reinste Politthriller) nicht nur das heterogenste (makedonische Veteranen neben persischen Bogenschützen, baktrischen Reitern und indischen Elefanten), sondern auch das erfolgreichste.


Zitat: Das das Reich im weiteren auseinander brach würde ich nicht zwingend als makedonische Tradition verorten, den auch wenn es einen internen Kampf / Bürgerkrieg um die Krone früher dort gab, war doch immer das Land selbst weiterhin geeint gewesen. Der vollständige und dauerhafte Zerfall des Reiches von Alexander in Unterreiche hatte nicht nur rein machtpolitische Gründe, er folgte auch ethnischen und kulturellen Trennlinien und spaltete die Gebiete entlang klarer ethnischer und kultureller Grenzen (Ägypen / Persischer Raum / Griechischer Raum etc)

Die frühen Diadochenkriege sind vor allem deshalb so chaotisch, weil das einigende Band eines Argeadischen Monarchen fehlt. Alexander hatte vor seinem Abmarsch und während des Feldzugs einiges an potentiellen Prätendenten (König Amyntas, die Söhne des Aeropos, Attalos und seinen Anhang, Parmenion nebst Familie) liquidieren lassen. Was noch an Argeaden übrig war, war entweder Schwachsinnig (Philip III) oder noch nicht geboren (Alexander IV). Normalerweise hätten sich die einzelnen Thronprätendenten ihre Fraktionen im makedonischen Hochadel und Unterstützung durch die Illyrer, Thraker oder Thebaner abgesichert und die Machtfrage wäre dann recht schnell entschieden worden. Der Clou war ja immer: Das Heer entschied, wer aus dem Hause der Argeaden König wurde. Deshalb warten die Diadochen auch bis nach der Ausrottung der Argeaden, bevor sie das Diadem annehmen.

Zitat: Gerade in Süditalien liefen dort ansässige Völker über. Diese (Osker / Griechen) waren aber den Mittel- und Norditalikern seit jeher feindlich gesinnt gewesen und waren auch erst vor relativ kurzer Zeit von der Republik unterworfen worden. Aber selbst hier war der kulturelle, sprachliche und ethnische Unterschied nicht so gross wie es erscheinen mag. Das Oskische ist genau so eine italische Sprache gewesen wie das Lateinische und manche der Völker in den Bergen wie auch im Süden blieben durchaus loyal. Die Furcht vor den Galliern (welche ja einen wesentlichen Anteil der Armee Hannibals ausmachten) ist allerdings durchaus ein Motiv gewesen, da stimmte ich dir schon zu, insbesondere scheint dies bei den Etruskischen Bundesgenossen wirksam gewesen zu sein.
An dieser Stelle müsste man zudem noch die römischen / latinischen Städte nennen, welche mitten im Gebiet anderer italischer Völker angelegt worden waren und dort überall feste Stellungen für die Macht Roms bildeten und erheblichen Einfluss auf ihre Umwohner nahmen. Und die absolute bedingungslose Treuer der Latiner und anderer sehr alter Verbündeter Roms.

Zudem darf man nicht vergessen, dass die Republik auch immens von dem Netzwerk profitierte, welches die großen Geschlechter mit den Eliten anderer Städte gesponnen haben. Bis zum Ende der Republik konnten sich diese Netzwerke so weit ausbreiten, dass für bestimmte Provinzen quasi nur noch Statthalter einer oder weniger Familien in Frage kamen - alle anderen wären schlichtweg vor eine Mauer gerannt.

Zitat: Du bringst ja immer gerne die Legion oder die Gurkhas. Man muss hier aber bedenken, dass das beides nicht die Mehrheit der jeweiligen Streitkräfte sind, sondern nur ein ganz geringer Anteil. Und dass die Armeen welchen sie angehören eine sehr stolze eigene Tradition haben und diese Fremdtruppen ein organischer und sehr alter Bestandteil dieser Tradition sind, zudem entstanden und aufgenommen zu einer Zeit wo beide Staaten Weltmächte waren, immense Mengen eigener nationaler Truppen hatten und von einem ganz anderen Geist beseelt waren als heut

Als die Gurkhas zum ersten Mal im britischen Dienst aufgestellt wurden (1816) waren sie nicht mal Teil der britischen Armee - sondern unterstanden der East Indian Company. Zum Zeitpunkt ihrer Eingliederung in die britische Indien-Armee waren die britischen Streitkräfte eine kleine Berufsarmee, die sich Zahlenmäßig nicht im Entferntesten mit den auf dem Kontinent üblichen Massenheeren messen konnte. Die Fremdenlegion wiederum setzte sich Original aus in Frankreich wohnenden Ausländern (Deutsche, Schweizer, u.a. Exipolen) zusammen. Als sie 1831 aus der Taufe gehoben wurde, war Frankreich von jeglicher Weltmachtstellung weit entfernt und erst noch dabei, sich die Masse seines Kolonialbesitzes (neu) zusammenzuerobern. Dabei sowie bei einigen politischen Abenteuern (1840 in Spanien, später für Maximilian in Mexiko) hat sich die Fremdenlegion dann vorzüglich bewährt. Deshalb mag ich das Prinzip der Legion ja so gerne: In der Heimat steht die Nationale Armee für den Großkrieg bereit - und in der Ferne erledigt die Legion das, von dem der brave Bürger lieber nichts wissen mag. Aus rein machtpolitischer Sicht ein famoses Instrument!

Zitat: Eine echte Regimentskultur wie du hier schreibst setzt voraus, dass beispielsweise ein Regiment sich aus einer bestimmten Region rekrutiert und nur Leute aus dieser Region die damit auch einer Herkunft angehören das Regiment bilden. Davon sind wir heute meilenweit weg und auch andere Streitkräfte haben diese Struktur nur auf dem Papier, selbst die Briten

Die Bundeswehr hat sich von der regionaltypischen Rekrutierung gelöst und sich weitgehend dem amerikanischen Vorbild angeschlossen (wie in so vielem anderen auch zu unserem Schaden). Eine feste regionale Verankerung der Regimenter ist natürlich in vielerlei Hinsicht hilfreich. Wenn wir schon die regionale Homogenität der Regimenter aufgebrochen haben - bringt dann die ethnische Homogenität (die in unserer Gesellschaft sowieso nicht gegeben ist) wirklich noch einen Mehrwert?

Zitat: Geld sollte (falls möglich) gar nicht das Motiv sein - den es kann im echten Kampf keine wirkliche Motivation leisten. Diese kann nur von den Kameraden her rühren, von der eigenen Einheit und dem eigenen Selbstverständnis. Dafür benötigt es eine entsprechende militärische Kultur (das was du hier mit der Tradition auch aufgreifen willst). Diese muss aber nicht zwingend in einer Tradition wurzeln, man könnte sie auch komplett neu begründen. Wichtiger ist, dass sie ist. Die militärische Kultur in richtiger Weise zu entwickeln und die ideelen Werte innerhalb einer Streitkraft in geeigneter Weise zu fördern und auszubauen ist die wichtigste Aufgabe vor allen anderen.

Soldaten die man primär mit Geld lockt werden dieses nehmen, und dann zu einem zu großen Anteil trotzdem wenn es dann hart auf hart kommt eben nicht die Leistung erbringen welche notwendig wäre sondern sich selbst über die Sache stellen. Das ist die zwingende Folge einer solchen Wehrpolitik den sie lockt primär diejenigen an, welchen es vor allem um sich selbst geht (Geldgier als egoistisches Motiv)

Tradition kann - muss sogar - immer neu "geschaffen" werden, das ist klar. Geld bzw. die Aussicht auf Beute sollte auch nicht die einzige Motivation sein, gehört aber unzweifelhaft zu den wichtigsten Faktoren bei der Werbung eines Berufsheeres. Wenn man hier (teils deutlich) unter dem Niveau der zivilen Wirtschaft bleibt, dann bekommt man eben auch große Schwierigkeiten, geeignete Rekruten zu finden bzw. erfahrene Kräfte zu halten. Man kann die inhärente Geldgier auch durchaus positiv nutzen - das britische Prisengeldsystem etwa war (bzw. ist, technisch gesehen gibt es noch immer Prisengeld, wenn auch in veränderter Form) ein enormer Motivationsfaktor.

Pogu:

Zitat: Der beispiellose Erfolg über die Gänze des Weltkriegs hindurch macht Lettow-Vorbecks Truppe zu einem hochkarätigen Anschauungsmodell hinsichtlich Fremdtruppen unter besonderer Berücksichtigung zur Frage der Kohäsion. In seinem Fall waren es vorzugsweise Sudanesen. Lettow-Vorbeck hat diese stets mit höchstem Lobe bedacht ... im Vergleich mit potentiellen Fremdtruppen anderer Herkunftsländer. Wo immer möglich, verließ er sich auf Deutsche, das ist einfach nicht zu überlesen. Und die Zusammenarbeit der Deutschen mit den besten aller Fremdtruppen, eben den Sudanesen, verlief nur deshalb so gut ohne je friktionsfrei zu sein, weil sie zu keinem Zeitpunkt dem deutschen Rahmenpersonal gleichgestellt waren, geschweige denn höhergestellt. Selbst ein Effendi (Offizier) konnte keinem Deutschen, so rangniedrig dieser auch sein mochte, einen Befehl erteilen oder in anderer Weise anführen.

Lettow-Vorbeck verfolgt hier die übliche Vorgehensweise der Schutztruppen - und die ähnelt sehr stark der zeittypischen, rassistisch motivierten Herangehensweise der meisten Kolonialarmeen. In der Armee des britischen Raj - mit jeweils deutlich über 1 bzw. 2 Millionen immerhin eine der in jeder Hinsicht bedeutendsten Streitkräfte der Weltkriege und einer der Hauptgegner von Lettow-Vorbeck - waren indische Offiziere auch jeweils britischen Offizieren unterstellt. Die aus Weißen rekrutierten Einheiten der ANZACs, Kannadier oder Südafrikaner wurden in beiden Weltkriegen wesentlich besser behandelt - ohne dass es hierfür einen miltärischen Grund gegeben hätte. Der Zweck "schwarzer" Kolonialeinheiten war ja gerade, ihre Mannstärke zu nutzen, ohne dafür irgendwelche Rechte zugestehen zu müssen. Also in etwa das genaue Gegenteil des römischen Auxiliarsystems.
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