06.09.2020, 15:16
Hier muss ich in Teilen zustimmen. Man kann über Kohl viel schimpfen, angefangen bei seinem Finanzgebaren oder dem internen Umgang mit Parteimitgliedern, aber bei der Wiedervereinigung hat er das gemacht, was er machen musste. Nicht nur hat er französische und britische Bedenken über George Bush sr. erfolgreich ausgehebelt, nein, er hat auch - was recht unbekannt ist - z. B. Bedenken in Israel ausräumen können. Ministerpräsident Jitzchak Schamir hatte seinerzeit einen Brief an Kohl gesendet und vor einem neuen, wiedervereinten Deutschland gewarnt - Kohl hat diese Sorgen sehr diplomatisch negieren können.
Aber zurück zum Topic:
Ich verstehe nicht so ganz, warum vom Joch des Kemalismus gesprochen wird? Atatürk hatte seinerzeit nicht nur die moderne türkische Republik begründet, sondern schlicht die Türkei nach Sèvres gerettet - auch vor den Angriffen der Griechen - und sie dann in Lausanne 1923 neu begründet und in die Staatengemeinschaft integriert. Ohne ihn wären die Reste des zerfallenden Osmanischen Reiches 1918/19 sehr wahrscheinlich zerbrochen, von den Europäern (v. a. Italiener, Griechen und Franzosen, im Osten auch teils Armenier und Perser) kassiert und auf einen winzigen Rest in Anatolien zusammengedrängt worden. Dass dies nicht geschah, ist sein Verdienst.
Dass aus der Sicht eines ggf. konservativ denkenden und strenggläubigen AKP-Anhängers der laizistische Kurs von Atatürk sauer aufstößt, ist durchaus logisch, hat er doch das Land mit großer Härte in die Moderne geprügelt und mit überkommenen Traditionen des Sultanats und auch der Religion ein Ende gemacht, aber ich kann dennoch diese Selbstverleugnung vieler Türken nicht ganz verstehen. Hing früher - bis ca. vor zehn, zwölf Jahren - voller Stolz das Portrait des Gründers der Republik im Wohnzimmer vieler türkischer Familien, so sehen viele heute eher mit Verlegenheit auf das Bild oder hängen es gleich ab. Dabei gäbe es ohne Atatürk heute wohl keine AKP und keinen Erdogan, dennoch wird der aktuelle Herr am Bosporus von einem Teil der Bevölkerung hochgejubelt als wahrer Heilsbringer, wobei es keine Rolle spielt, dass er nur einen Bruchteil der Weitsicht eines Atatürk hat...
Schneemann.
Aber zurück zum Topic:
Ich verstehe nicht so ganz, warum vom Joch des Kemalismus gesprochen wird? Atatürk hatte seinerzeit nicht nur die moderne türkische Republik begründet, sondern schlicht die Türkei nach Sèvres gerettet - auch vor den Angriffen der Griechen - und sie dann in Lausanne 1923 neu begründet und in die Staatengemeinschaft integriert. Ohne ihn wären die Reste des zerfallenden Osmanischen Reiches 1918/19 sehr wahrscheinlich zerbrochen, von den Europäern (v. a. Italiener, Griechen und Franzosen, im Osten auch teils Armenier und Perser) kassiert und auf einen winzigen Rest in Anatolien zusammengedrängt worden. Dass dies nicht geschah, ist sein Verdienst.
Dass aus der Sicht eines ggf. konservativ denkenden und strenggläubigen AKP-Anhängers der laizistische Kurs von Atatürk sauer aufstößt, ist durchaus logisch, hat er doch das Land mit großer Härte in die Moderne geprügelt und mit überkommenen Traditionen des Sultanats und auch der Religion ein Ende gemacht, aber ich kann dennoch diese Selbstverleugnung vieler Türken nicht ganz verstehen. Hing früher - bis ca. vor zehn, zwölf Jahren - voller Stolz das Portrait des Gründers der Republik im Wohnzimmer vieler türkischer Familien, so sehen viele heute eher mit Verlegenheit auf das Bild oder hängen es gleich ab. Dabei gäbe es ohne Atatürk heute wohl keine AKP und keinen Erdogan, dennoch wird der aktuelle Herr am Bosporus von einem Teil der Bevölkerung hochgejubelt als wahrer Heilsbringer, wobei es keine Rolle spielt, dass er nur einen Bruchteil der Weitsicht eines Atatürk hat...
Schneemann.