11.10.2017, 11:49
(11.10.2017, 10:33)lime schrieb: Dann lassen wir den Kosovo mal beiseite. Wenn knapp die Hälfte abstimmen und davon fast 90% mit Unabhängigkeit stimmen, dann kann natürliche die spanische Regierung noch behaupten, dass die die nicht zur Wahl gegangen sind alle gegen die Unabhängigkeit wären. Aber realistisch ist dies wie ich finde keinesfalls. Auch wird Spanien um die Abspaltung mittelfristig noch zu verhindern sicherlich zu Mitteln greifen müssen, die einem demokratischen Staat nicht würdig sind. Dann dürfte es interessant sein, wie UNO und EU reagieren. Katalonien könnte zum Beispiel als Drohung ablehnen überhaupt für Spaniens Schulden gerade zu stehen und dann käme Spanien in eine sehr schwierige Situation. Auch andere Regionen, wie das Baskenland könnte dann auf die Idee kommen es gleich zu tun. Und auch in Richtung EU hätte Katalonien ein gutes Argument, als potentieller neuer Nettoeinzahler.
Natürlich sind nicht alle, die nicht zur Wahl gegangen sind, gegen die Unabhängigkeit. Und es erscheint durchaus realistisch, dass es bei einem ordentlichen Referendum (mit gesicherten Wahllisten, Wahlmöglichkeiten für alle, etc.) trotzdem eine Mehrheit für die Unabhängigkeit gäbe. Gerade in Anbetracht der Ereignisse, denn Madrid agiert ziemlich unsouverän in dieser Situation, dürften es nach der Wahl nun auch mehr sein als zuvor. Aber es ist eben auch recht unrealistisch, dass es so eine überwaltigende Mehrheit ist, wie sie nun aufgrund des Wahlergebnisses dargestellt wird. Dafür sprechen nicht nur Meinungsumfragen (auch wenn deren Leumund bei den letzten Vorhersagen weltweit gelitten hat), sondern auch die letzten Regionalwahlen.
Was die Schulden angeht kann Katalonien da eine Verantwortung natürlich ablehnen, würde sich damit aber wirtschaftlich weiter isolieren. Denn es geht ja nicht nur um gesamtspanische Schulden, für deren Anteil man dann nicht aufkommen wollte (was an sich schon Schwierig ist), sondern explizite Schulden der Regionalregierung gegenüber dem spanischen Staat. Das Rating würde unweigerlich ins Bodenlose fallen, wenn Katalonien diese nicht weiter bedient.
Und gegenüber der EU hat Katalonien schlicht gar keine Argumente. Selbst wenn man eine Mitgliedschaft gegen den Willen Spaniens durchsetzen könnte (was praktisch unmöglich ist), würde der wirtschaftliche Nutzen gering ausfallen. Zum einen weil die Wirtschaftsleistung bereits jetzt abwandert und daher zu einem relevanten Teil auch ohne Mitgliedschaft "gesichert" wäre, zum anderen weil Großkonzerne mit überproportionalen Anteilen über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme hinwegtäuschen. Der Blick auf die Schulden und deren Ursachen offenbart da eben die negativen Aspekte. Es wäre daher für die EU sinnvoller, die geringen wirtschaftlichen Verluste hinzunehmen, als sich politisch und perspektivisch selbst so zu schwächen.