Großbritannien
Unabhängig vom Ausgang des Referendums, hatte es irgendwie einen faden Beigeschmack, dass solch eine wichtige Entscheidung durch so einen engen Wahlgang bestimmt wird, bzw. schon fast aus einer "Laune" herauß.
Die Entscheidung beeinflusst das Land über Jahrzehnte hinweg. Rechnet man die Wahlbeteiligung mit ein, haben ca. 37,5% für den Brexit gestimmt, ca 34,5 % für den Verbleib und 28% haben gar nicht gewählt. Somit bestimmt ein Drittel die Marschrichtung der anderen zwei Drittel welche unentschieden bzw. dagegen waren. Ist das Demokratie ein solcher Wahlmodus? Fraglich meiner Meinung nach.
"Selbst Schuld", werden viele denken, wer nicht wählt, hat seine Stimme verspielt. Und selbst dann, wäre wohl eine Zweidrittelmehrheit doch angebrachter bei einem Referendum solch eines Ausmaßes. So zwingt die eine Hälfte der andere Hälfte ihren Willen auf.


Das mal zum Referendum an sich. Des Weiteren fand ich es falsch, dass Cameron seinen persönlich Ehrgeiz Premier zu werden über das Wohl des Landes gestellt hat. Ohne das Referendum wäre er nicht Premier geworden und ein Votum anzukündigen, um die konservative Unterstützung zu gewinnen und dann aber für den Verbleib zu werben, also gegen das Votum, ergibt nicht wirklich einen Sinn. Wenn man für den Verbleib ist, hätte man sich das Votum sparen können.

Durch die Medien gewann man den Eindruck, als das sich viele Treiber der Brexit-Bewegung aus der Verantwortung gestohlen haben. Einige sind gegangen, anderen wollen nicht Premier werden, aber sind zumindest Außenminister. Haben aber dennoch den Kopf aus der Schlinge gezogen. Wenn ich für etwas einstehe, muss ich danach auch grade dafür stehen. Im Allgemeinen bin ich deshalb etwas enttäuscht von der "Führungsqualität" der britischen Politikerelite. Persönlich bin ich doch von mehr Substanz und Format ausgegangen.

Generell, denke ich, dass sich die Lage etwas entspannen wird und man dann versuchen wird, das Ergebnis des Votums konstruktiv umzusetzen. Denn zu Schaden kommen können letztendlich beide Partein. Vorallem Deutschland ist sicher weiterhin an einem kaufkräftigen England interessiert.

Den Schotten wünsche ich viel Erfolg für ihre Unabhängigkeit. Vll bewegt sich sogar etwas in Irland.

Die Menschen müssen verstehen lernen, warum die EU wichtig ist und dass die EU sehr viele Vorteile hat. Mehr als Nachteile. Machtpolitisch, sicherheitspolitisch und volkswirtschaftlich macht es mehr als Sinn, ein geeinteres, vll. sogar eines Tages geeintes, Europa zu haben. Will man die nächsten 50 oder 100 Jahre mitgestalten und den Wohlstand hier halten ist das oberste Priorität. Das ist Fakt. Asien holt auf, die USA werden in Relation schwächer werden und es braucht einen stärkeren Westen, vorallem Europa, will man in Zukunft ein gutes und vorallem friendliches Leben hier haben. Es braucht starke, reale und geeinte Machtpolitik.
Kritiker sagen, man kann diese Vorteile auch alle haben, ohne sich zusammenzuschließen. Jeder kann national bleiben und mit Abkommen können man die Vorteile trotzdem abschöpfen. Das wird nicht gelingen, weil man viele Teile hat und keine Metaebene die diese Teile koordiniert. Eine gewisse Zentralisierung ist von Nöten. Wäre diese Ebene nicht vorhanden, so will jeder bei Abkommen etwas anderes und es entsteht ein enormer Aufwand und eventuell kann sich keiner einigen. Die Geschichte hat schon oft gezeigt, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. Gerade wir Deutschen sollten das nicht vergessen. Unsere Geschichte ist geprägt von Beispielen, in denen uns Einigkeit immer geholfen hat. Volkswirtschaftlich muss man gar nicht diskutieren, denn Abbau von Grenzen und Hürden zahlt sich immer aus, solange alle Parteien auf Augenhöhe sind.

Man ist so vernarrt von seiner Nationalität. Warum ist denn ein Franzose oder Deutscher so besonders? Oder die Briten auf ihrer Insel? Warum machen Menschen ihren Mißerfolg und ihre Unausgeglichenheit im Leben an dem Dasein anderer verantwortlich? Ich vermisse schmerzlichst die Leistungskultur und die Kritik an sich selbst. Vorallem bei jungen Menschen.

Wenn wir schon besonders sein wollen, können wir dann nicht als Europäer besonders sein? Und nicht als Deutsche, Franzosen, Briten, Italiener oder Spanier? Wenigstens das zum Anfang wäre schön um ein positives Vorbild für die Zukunft abzugeben.
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