12.10.2015, 12:15
@phantom
Zitat Schneemann:
Folgend auf deine Ausführung...
Schneemann.
Zitat:So wie du dir das vorstellst, kann es aber auch nicht sein, sonst hätten das die Amerikaner mit den heimischen Sicherheitskräften im Irak lösen können. Meiner Meinung nach gibt es viel mehr Indizien, dass der Fundamentalismus tief in die Bevölkerung hineinreicht, sonst hätte man all diese Leute längst verraten und die Iraker hätten das Problem selber lösen können. Aber offensichtlich ist es nicht so, das Chaos kann sich wieder ausbreiten, weil die Leute heillos zerstritten sind, in Syrien und im Irak.Ich habe zu diesem Umstand einmal (im Mai d. J.) eine kleine Zusammenfassung im Strang über die irakischen Streitkräfte (<!-- l --><a class="postlink-local" href="http://www.forum-sicherheitspolitik.org/viewtopic.php?f=39&t=1694&start=180">viewtopic.php?f=39&t=1694&start=180</a><!-- l -->) verfasst. Auszugsweise, weswegen es dennoch zu einem solchen US-Dilemma bezüglich "heimischer Sicherungskräfte" gekommen ist, möchte ich diese noch einmal hier einstellen.
Zitat Schneemann:
Zitat:...a) lässt sich sagen, dass es Anzeichen gibt, wonach 1.) vor allem die sunnitischen Soldaten der NIA wenig Bereitschaft haben, gegen ihre eigenen (wenngleich auch oftmals und weitgehend umstrittenen, gefürchteten und angefeindeten) sunnitischen "Glaubensbrüder" vom IS zu kämpfen und sich somit für die schiitische Regierung in Bagdad einzusetzen, von der sie bislang wiederum doch eher wenig zu erwarten hatten. Zudem gab es 2.) schon Fälle, bei denen irakische Soldaten ohne Luftunterstützung ein Vorgehen schlicht verweigerten - das erinnert fast ein wenig an die südvietnamesische Armee (ARVN) in der Endphase des Indochina-Krieges, als südvietnamesische Truppenteile ohne massive US-Luftunterstützung keinerlei Offensivgeist mehr entwickelten und zahlenmäßig haushoch überlegene ARVN-Verbände vor kleineren nordvietnamesischen Kontingenten geradezu auseinanderfielen.........................................
[...]
...b) lässt sich sagen, dass dies teils ein bislang wenig betrachtetes Problem ist. D. h.: Obgleich man auf dem Papier eine Vielzahl von leichteren Waffen, Werfern, MRAPs und sogar einen Artillerie- und Panzerfuhrpark besitzt, kann man diese ganzen Systeme oftmals nicht richtig nutzen, da die Treibstoff- und Munitionslogistik nicht funktioniert und weil man weder eine Wartungs- noch eine Instandhaltungssystematik hat (zumindest keine ausreichende). Zudem gibt es auch noch den Umstand, dass viel US-Ausrüstung, die in Depots den Irakern seit 2011 überlassen wurde, zwar verfügbar ist, es schlicht aber kaum die notwendigen Techniker dafür gibt. Dabei hatten die USA extra sogar ein System zur Ausbildung für irakische Techniker an mehreren Standorten aufgebaut (u. a. in Camp Taji); das Problem war aber, dass die irakische Regierung kaum Interesse an der Einrichtung zeigte, vor allem der schiitische Ministerpräsident al-Maliki (2006 - 2014) muss hier genannt werden, der hier die engere Zusammenarbeit mit den Amerikanern vermutlich aus ideologisch-innenpolitischen Gründen untergrub bzw. tunlichst vermeiden wollte. Das Ergebnis war, dass 50% der geplanten Schulungsteilnehmer überhaupt nicht kamen - wie der Special Inspector General for Iraq Reconstruction (SIGIR) ja auch monierte -, der Rest kam halbherzig und die, die die Kurse mit viel Gewürge abschlossen, würden vermutlich in Deutschland nicht mal zu einer Kfz-Schlosser-Lehre zugelassen werden. Kurzum: Die NIA kann ihr ganzes "Gerümpel" weder richtig nutzen und versorgen noch warten und instandhalten. [...]
Folgend auf deine Ausführung...
Zitat:Erstaunlicherweise sind es aber nicht die Alten die den Fundamentalismus in der Form nach vorne treiben, es sind die Jungen die Zugriff auf die Medien haben und sich ja auch ein ganz anderes Bild der Welt machen könnten. Ist aber nicht so, sie wollen durch Gewalt und nicht durch Arbeit und Demokratie, "ihren" Anteil holen. Meiner Meinung nach halt zum grossen Teil selber Schuld, man hatte ja im Irak die Möglichkeit es selbst in die Hand zu nehmen, selbst zu bestimmen, selbst die destruktiven Elemente zu verraten. Aber nein, man hat es selbst vergeigt und sich freiwillig durch völlige Zerstrittenheit entmachtet, und alles selbst verspielt. Man hätte sich auch gütlich trennen können, auch das hätte man mit Vernunft sicher hingekriegt.Jein, das Problem ist, dass eine richtige Entwicklungsbefähigung im politischen und gesellschaftlichen Sinne in Irak quasi ja kaum möglich war. Das Land hat zunächst eine Abfolge von Putschen und Potentaten erlebt, dann die Herrschaft Saddams mit einem dementsprechenden Unterdrückungsapparat, dann zwei verheerende Golfkriege (1980 bis 1988 sowie 1991), danach einen gnadenlosen UN-Sanktionskurs (verbunden mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch), dann einen neuen Krieg 2003 und danach wiederum Chaos und faktisch beinahe völlige Rechtlosigkeit unter einer überforderten Besatzungsmacht. Kurzum: Quasi ist der Irak für beinahe seit 50 Jahren von einer politischen bzw. zivilpolitischen und demokratischen Entwicklung abgekapselt gewesen und erlebte nur Diktatur, Putsche, Kriege, Hunger und Zusammenbrüche. Man kann also der heutigen Generation junger Irakis nur schwer den Vorwurf machen, dass sie "es ja in die Hand hätten nehmen können, aber dass sie es eben vergeigt haben".
Schneemann.