ISIS und Co.
@Mitleser

Ich denke, dass der Begriff des "Dschihadismus" hier gewaltig an Wirkung und Inhalt überschätzt wird. Wenn die gesellschaftliche Sogwirkung wirklich so hoch wäre, würde die Anhängerschaft von IS und Konsorten größer sein als 10.000 oder 20.000 aktive Kämpfer (was anbei das reine "Mitläufertum" betrifft, so müsste man wiederum zudem bedenken, dass viele Menschen im IS-Machtbereich schlicht die Klappe halten, um nicht massakriert zu werden; allerdings ist es schwierig hier genaue Zahlen zu kriegen). Dabei gäbe es in der Region ja "noch viel mehr Arme und Doofe" (um deine Formulierung mal aufzugreifen), die dem Dschihadismus deiner Definition nach nachlaufen müssten. Dem ist aber offenkundig nicht so. D. h., dass dies also nicht die Erklärung sein kann.

Nein, vielmehr ist der IS ein Konstrukt einiger Drahtzieher, die sehr genau und gut geplant diese Organisation aufgebaut haben und dabei ausnutzen, dass ihnen wenig Widerstand in den ärmeren Bereichen entgegentreten wird, auch weil das Umfeld evtl. durch Kriege zuvor ausgeblutet und zermürbt und durch generell schlechte Infrastrukturverhältnisse geschwächt ist (v. a. in Syrien). Trifft die Organisation jedoch auf ein zumindest halbwegs gefestigtes und funktionierendes System, so fährt sie sich mit ihrer Taktik schnell fest. Dies kann man in den autonomen Kurdengebieten des Nordirak erkennen. Die Kämpfe waren sicherlich heftig, aber letztlich ist die Taktik des IS (Ausspionieren eines Gebietes, dann schnelle Vorstöße) dort bislang gescheitert.
Zitat:Jede militärische Lösung müsste also im demographischen Maßstab wirken, denn das Nachwuchspotential an jungen Männern ist trotz aller bisherigen Maßnahmen unaufhörlich steigend.
Wie ist das denn zu verstehen? Eine "militärische Lösung im demographischen Maßstab" hieße ja, die jungen Männer gezielt zu dezimieren. Und das kann sicher nicht die Lösung sein, weil dies wäre dann schlicht Massenmord.

Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass die eklatanten Umbrüche im Nahen Osten in den letzten Jahren auch ihre Ursache in der Demographie haben (ohne die vielen jungen Menschen und ihre Perspektivlosigkeit wären die Unruhen des arabischen Frühlings gegen die zahlreichen Potentaten des Nahen Ostens sicher so nicht erfolgt), aber d. h. nicht, dass nun jeder frustrierte junge Muslim begierig darauf wäre, es sich dem Dschihadismus hinzugeben. Das wäre zu einfach gedacht und wird der Realität auch nicht gerecht; im Gegenteil: die meisten jungen Menschen wollen einfach nur leben und eine Perspektive haben, da aber ihnen in Diktatur, Bürgerkrieg und Islamismus keine geboten wird (außer ein paar Extremisten, die es aber überall gibt), flüchten sie. Und sie flüchten bevorzugt dorthin, wo sie am ehesten noch eine Chance sehen - in den Westen...

Schneemann.
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