Iranisches Atomprogramm
Fakt dürfte sein, dass es erst einmal ein Abkommen (oder besser: Übereinkommen) gegeben hat. Das ist zunächst vllt. besser als nichts, zeigt es zumindest der Weltöffentlichkeit, dass man bewogen war, eine halbwegs gemeinsame Basis, quasi einen Konsens der Entspannung zu suchen.

Entschieden allerdings, und da muss ich sogar einmal triangolum in Teilen zustimmen, ist vorerst gar nichts. Die iranische Delegation hätte auch zustimmen können, dass in Teheran an öffentlichen Gebäuden nun das Sternenbanner aufgezogen wird, beschlossen wäre aber damit gar nichts gewesen, denn in Iran haben noch einige wichtige (bzw. eigentlich entscheidende) "Gremien" die Hoheit diesbezüglich, d. h. also, dass die getätigten Zusagen in Wien in Teheran rasch wieder kassiert werden könn(t)en - und die nationalistischen bzw. Hardliner-Kräfte sollten bei allen Liberalisierungstendenzen in den letzten Jahren nicht unterschätzt werden.

Ferner hat sich auch die US-Delegation ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Obama hat nicht ohne Grund vorsorglich, vielleicht auch schon aus (weiser?) Voraussicht vor der innenpolitischen Reaktion seitens v. a. der Republikaner, angekündigt, sein Veto einzulegen, wenn denn der Kongress einer Aufhebung der Iran-Sanktionen sich widersetzt (und die Chance dazu ist durchaus da, denn dort haben die Republikaner eine Mehrheit; übrigens auch im Repräsentantenhaus). Und wenn diese Ablehnung stattfinden würde - selbst mit Obamas Veto -, wäre der ganze Deal wiederum hinfällig bis schwer angeschlagen, weil die Iraner dann zu Recht feststellen könnten, dass die USA ihre Zusagen ja nicht eingehalten hätten.

Kurzum: Beide Hauptparteien (nehmen wir mal die USA und den Iran) in den Verhandlungen haben eigentlich einen Übereinkunft getroffen, über die sie letztlich gar nicht richtig bzw. vollends entscheiden können bzw. die durch innenpolitische Machtspiele in beiden Ländern wieder ad absurdum geführt und gekippt werden könnte. Und damit wäre man wieder beim Anfang, was das Suchen nach einer Lösung im Atomstreit betrifft.

Nur die Europäer scheinen sich wieder einmal äußerst "optimistisch" zu zeigen, so als wenn sie diese Aspekte kurzerhand ignorierten.

Zu aktuellen Meldungen und Einschätzungen: Während die ZEIT vor allem einen Obama sieht, der um das Abkommen kämpft...
Zitat:Iran

Obama kämpft für Atomabkommen

Kritiker im Kongress und im Ausland kritisieren die Einigung mit Iran. Obama muss Überzeugungsarbeit leisten. Seinen Verteidigungsminister schickt er in den Nahen Osten. Nach den Vereinbarungen mit dem Iran arbeitet die US-Regierung daran, Kritiker im In- und Ausland zu überzeugen. [...]

Mehrere Republikaner kündigten an, das Abkommen mit ihrem gesetzlichen Mitspracherecht zu blockieren. Auch viele Abgeordnete von Obamas Demokraten sehen den Vertrag skeptisch und bekommen dafür massive Unterstützung von Israel, das die Vereinbarung nun über den US-Kongress zu kippen versucht. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, warf Obama vor, US-Interessen aufzugeben. [...]

Obama schickte Verteidigungsminister Ash Carter in den Nahen Osten. Ein Stopp der Reise in der kommenden Woche werde Israel sein, kündigte das US-Präsidialamt an. Laut Insidern aus dem US-Verteidigungsministerium sind darüber hinaus Besuche weiterer Staaten geplant.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/obama-atomabkommen-iran-kongress">http://www.zeit.de/politik/ausland/2015 ... n-kongress</a><!-- m -->

...wittert die WELT, dass das Abkommen nun die Rivalitäten in Nahost erst recht befeuert...
Zitat:Ende der Sanktionen

Iran fordert die Saudis zum Machtkampf ums Öl heraus

Das Atomabkommen befeuert einen alten Konflikt. Saudi-Arabien könnte einen Öl-Preiskrieg anzetteln, um die Rückkehr des Iran an die Märkte zu torpedieren. Doch dessen wahre Stärke ist geheim.

Der Atomfrieden von Wien zwischen dem Iran und dem Westen könnte an anderer Stelle einen alten Konflikt befeuern. [...] Die Akteure befürchten nicht nur, dass Teheran nach dem Ende der Sanktionen einen ohnehin übersättigten Ölmarkt mit einem zusätzlichen Angebot fluten könnte. [...] Entsprechend ist der Ölpreis am Dienstag nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran deutlich gefallen.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.welt.de/finanzen/article144018564/Iran-fordert-die-Saudis-zum-Machtkampf-ums-Oel-heraus.html">http://www.welt.de/finanzen/article1440 ... eraus.html</a><!-- m -->

Die Süddeutsche gibt sich indessen betont optimistisch und bläst - meiner Meinung nach etwas vorschnell - die Fanfare der "historischen Dimension" des Abkommens...
Zitat:Einigung im Atomstreit

Die Welt ist sicherer geworden

Das Abkommen mit Iran ist eine der seltenen Sternstunden der Diplomatie. Es zeigt, dass Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft am Ende mehr erreichen können als Waffengewalt. [...] Es ist ein historischer Vertrag. Einen derart komplexen, langwierigen Verhandlungsprozess hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Es ist ein Erfolg, diesen Konflikt friedlich zu entschärfen - so nicht innenpolitische Verwerfungen in Washington oder Teheran den Deal zum Platzen bringen. Mehr als einmal schien eine weitere Militäraktion im ohnehin von Krisen erschütterten Nahen Osten der wahrscheinlichere Ausgang zu sein. [...]

Es soll die 13 Jahre währende Krise um Teherans Nuklearprogramm beilegen - und sicherstellen, dass die Islamische Republik auf absehbare Zeit nicht nach der ultimativen Waffe greifen kann.

Auf lange Sicht hat das Abkommen das Potenzial, die Region tiefgreifend zu verändern - und das Verhältnis des revolutionären Regimes in Iran zum Westen.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/politik/einigung-im-atomstreit-die-welt-ist-sicherer-geworden-1.2565201">http://www.sueddeutsche.de/politik/eini ... -1.2565201</a><!-- m -->

Letzter Satz im SZ-Artikel (der von mir unterstrichene Teil) dürfte sicherlich richtig sein, nur könnte man fragen, wie diese "tiefgreifende Veränderung" aussieht, im schlimmsten Falle nicht so, wie der sehr optimistische Verfasser des Artikels/Kommentars wohl intendiert...

Blicken wir aber auch einmal nach Iran und was dort über das Abkommen behauptet wird, PressTV sieht, obgleich vor allem nur Rouhani zitiert wird, einen Erfolg des Iran in allen Punkten:
Zitat:Iran achieved all long-sought objectives in nuclear talks: Rouhani

Iran’s President Hassan Rouhani says the Islamic Republic achieved all four objectives it was seeking throughout intensive nuclear talks with six world powers. [...] The Iranian president added that resistance of the Iranian nation guaranteed their victory in the nuclear talks.

"Today, we are at an important juncture in the history of our country and our [Islamic] Revolution and the situation in the region," Rouhani said. [...] The Iranian president said the day of agreement will come when the United States and the European Union clearly announce the lifting of all sanctions. From that day, President Rouhani added, Iran will begin implementation of its commitments. [...]

He said Iran’s right to have the heavy water reactor in Arak is now recognized and work will be done in the future for the reactor to be completed. The Fordow nuclear facility will also continue operations with 1,000 centrifuges, Rouhani stated.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.presstv.ir/Detail/2015/07/14/420197/Iran-P51-President-Rouhani-nuclear-achievement">http://www.presstv.ir/Detail/2015/07/14 ... chievement</a><!-- m -->

Die IRNA indessen sieht den Erfolg in den Verhandlungen vor allem dadurch begründet, dass - lt. Parlamentssprecher Laridschani -, sich das iranische Verhandlungsteam bei den Gesprächen ausgezeichnet habe. Interessant ist hierbei, dass er auch die (vermeintlich positive) Rolle Chameneis betont (der eigentlich überhaupt nicht verhandelt hat). Vermutlich ist dies ein taktischer Schachzug, der der Innenpolitik geschuldet sein mag, hat doch Chamenei die letztliche Entscheidungshoheit und gilt als Hardliner. Gut möglich, dass ihm durch die obskure Lobhudelei eine Zustimmung erleichtert oder er zumindest eher milde gestimmt werden soll, was das Abkommen angeht...
Zitat:Speaker praises Leader, gov't roles in success of nuclear talks

Parliament Speaker Ali Larijani praised the role played by the Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei as well as the government in success of nuclear talks. [...]

Speaking in the Majlis (parliament) Wednesday morning public session, he praised President Hassan Rouhani, Foreign Minister Mohammad Javad Zarif and Head of the Iranian Atomic Energy Organization Ali Akbar Salehi and the negotiating team's efforts. [...] He also thanked the Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei for observing the nuclear issue and guiding the negotiators.

Larijani said that today, world powers have accepted Iran's enrichment, research and development program as well as its heavy water program and they have promised to cooperate with Iran. According to the comprehensive joint plan of action reached between Iran and world powers, all Iran's sanctions have to be removed, he added.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.irna.ir/en/News/81684339/">http://www.irna.ir/en/News/81684339/</a><!-- m -->

Schneemann.
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