04.06.2015, 15:15
Zitat:wenn man sich überlegt, was seit der Auflösung des "Warschauer Paktes" und dem Ende der Sowjetunion passiert ist - dann darf man sich doch nicht wundern, wenn national gesinnte, stolze Russen darin ein einziges Desaster sehen.Das ist sicherlich auch einer der Hauptgründe, weswegen auch Putins aktuelle (bzw. eigentlich schon seit fast zehn Jahren bestehende) nationale Politik bei vielen Russen gut ankommt. Der Zusammenbruch des Ostblocks und der UdSSR war eine Katastrophe für viele im Lande. Genau genommen war diese gesellschaftliche und wirtschaftliche Erosion des Systems nicht mehr abzuwenden, aber in vielen Fällen sieht man nicht speziell diese Fehler des alten sowjetischen Systems, sondern verortet die Ursachen für den Kollaps in "Verrätern" (z. B. auch Gorbatschow, der bei uns im Lande zwar immer noch ein Star ist, in Russland selbst dagegen wenig populär ist, ja als "Totengräber" der UdSSR gilt) und einer "beschämenden Kamarilla" um den ständig benebelten Jelzin. Scham und Schmach wechselten sich hier in der Volksseele ab, dazu kam, dass Russland in den 1990ern beinahe im mafiösen und alkoholischen Chaos versank und international auf den Rang eines "netten Tanzbären" sich zurückgestutzt sah, dem sein früherer osteuropäischer Cordon Sanitaire aus eigener arroganter Despotie heraus abhanden gekommen war. Und Putin, als neuer starker Mann, macht diese Schmach (anscheinend zumindest) wieder rückgängig...
Zitat:Und Putin gibt der russischen Seele wieder den (stark strapazierten) Stolz zurück. Dazu gehörenGenau genommen - ja. Nur ist das Problem, dass Putin beinahe den gleichen Fehler begeht wie frühere russische Herrscher (der einzige Unterschied zu diesen ist, dass er bedingt durch Rohstoffeinnahmen bessere finanzielle Optionen hat): Man prügelt das Land nach vorne bzw. in eine vordergründige Einigkeit hinein, aber nicht durch eigene Innovation oder eine gesellschaftlich-psychologische Modernisierung, sondern durch das Ausgeben von Geld aus Rohstoffverkäufen zur Finanzierung von Prestigeprojekten, durch überzeichneten Nationalismus und durch das Hochstilisieren eines äußeren Dämons - je nach Bedarf die NATO, "Faschisten" oder militante Muslime am Südrand des Riesenlandes.
- die militärische Aufrüstung genauso wie
- Olympia in Sotschi,
- die Fußball-WM oder
- die Hegemoniebemühung in den benachbarten Staaten.
Zitat:Er hat also eine durchaus verständliche Anerkennung und Rückhalt für seine Politik der Stärke, die auf die Wiedererlangung der "Augenhöhe mit den USA" abzielt.
Er versucht es zumindest. Gelingen wird es ihm indessen aber wohl nicht (vom Atomwaffenarsenal einmal abgesehen). Allerdings wird er diesen Kurs innenpolitisch noch lange betreiben können, solange aus den USA indirekte Seitenhiebe und Kränkungen (im russischen Empfinden) zu hören sind, etwa wenn Obama Russland öffentlich "als einen Staat bezeichnet, den man nur noch als Regionalmacht ansehen könne" - so geschehen übrigens 2014. Jeder russische Patriot oder Nationalist würde sich danach sofort strammstehend hinter Putin einreihen...
Zitat:Das Gesetz über "unerwünschte Organisationen" zeigt aber auch zumindest Unsicherheit - es ist ein Zeichen von Schwäche.
Sehe ich auch so. Vor allem: Ich müsste nichts verbieten, wenn ich nicht Angst vor etwas hätte bzw. nicht annehmen würde, dass von diesem Faktor eine Bedrohung ausgehen würde. Der Sachverhalt, dass man hier so hysterisch reagiert, zeigt, dass man eben ahnt, dass in den eigenen Reihen eben vieles nicht stimmt (im demokratischen Sinne) bzw. dass die Menschen deswegen genau anfällig für NGO-Aktivitäten sind.
Schneemann.