06.03.2014, 15:23
@Quintus
Schneemann.
Zitat:Es ist völlig egal ob es in Wahrheit darum geht oder nicht, in Russland wird dies exakt so wahrgenommen. Das ist etwas, was viele hier nicht begreifen, dass der Umstand dass man selbst etwas anders sieht nicht bedeutet, dass andere es nicht konträr sehen.Ich denke nicht, dass es egal ist, da es genau die aktuellen Spannungen mitbedingt. Es mag sein, dass es in Russland so wahrgenommen wird, nur darf man dann nicht den Fehler begehen, mit dieser alleinig russischen Wahrnehmung jeden Fehltritt entschuldigen zu wollen. Entwicklungen in Osteuropa (bzw. bis hinein nach Zentralasien und die Kaukasusregion) sind eben nicht nur alleine dem Empfinden oder der Angst Russlands unterworfen, sondern werden beeinflusst durch eine Vielzahl von ehtnischen und religiösen Empfindungen, die jahrelang unter dem Einfluss Moskaus wegge- und unterdrückt wurden. Ich möchte auch nicht darauf beharren, dass immer nur Partei X Unrecht und Partei Y Recht haben würde, vielmehr sollte es doch darum gehen, alle Faktoren mit in eine Untersuchung einzubeziehen. Und wenn man dies tut, so wird die Position bzw. die Vorgehensweise Russlands sehr vakant (wenn man denn nur aus der russischen Sicht alleine an die Angelegenheit herangehen würde).
Und nun hilft es eben rein gar nichts, darauf zu beharren dass der andere Unrecht hat. Seiner Meinung nach hat er Recht und daraus resultieren seine realen Handlungen, resultieren reale Konsequenzen. Für uns.
Zitat:Der Gros der Ukraine ist gerade eben kein Kolonialgebiet, er ist das Ursprungsgebiet der Rus selbst. Kiew ist nicht eine Stadt im Ausland, es der Ursprung der Rus.Kiew ist eine Hauptursprungsregion der Rus, aber auch nicht die alleinige (wenngleich die Theorien oft umstritten sind). Zugegeben, eine historisch-nationalethnische Rückbesinnung alleine auf diesen Faktor des Kiewer Rus mag man, wenn man es wirklich rigide und nationalrussisch empfindet bzw. vor allem entsprechend der ostslawischen Theorie sieht, als Beweis anführen können. Nach dieser Logik bezüglich Ausgang/Ursprung - wenn man sie alleine in den Raum stellt - jedoch werden die übrigen Faktoren, die diese Region in den seitdem vergangenen 1.000 Jahren beeinflusst haben, weitgehend ausgeblendet. Und daran krankt die Angelegenheit dann wieder. Weil: Nur weil vor einem Millenium das Kiewer Rus erblühte und eine gewichtige Rolle beim Entstehen des russischen Reiches bzw. des Nationalempfindens (auch wenn sich da oft wieder die Geister an dieser Theorie spalten) spielte, so werden die Grausamkeiten, die über die Anrainer nach und nach seitens des imperialistisch agierenden Russland hereinbrachen, dadurch nicht negiert oder aus der Erinnerung der betreffenden und betroffenen anderen Völker getilgt. Über Jahrhunderte hinweg hatten die südlichen und teils zentralasiatischen Anrainer des Zarenreiches bzw. der Sowjetunion massiv unter der Vorherrschaft zu leiden, schlimmer noch als die meisten Kolonien unter westlicher Herrschaft. Wir reden hier von zig Millionen von Toten und Deportierten. Und diese Bürde der Geschichte wirkt nun auf Russland zurück durch die (ich nenne es mal so) "Los-von-Moskau-Bewegung" - vor allem hat man sich in Russland selbst dieser Verbrechen übrigens auch nie bzw. kaum zivilgesellschaftlich gestellt -, da hilft insofern auch kein Beharren auf die Kultur oder die Errungenschaften des Kiewer Rus.
Zitat:Das ihr damit keine Gefühle verbindet und dieser Fakt euch egal ist bedeutet nicht, dass er dem Gegenüber auch egal ist.Das könnte man umgekehrt aber auch auf Georgier, Ukrainer, Tataren oder Tscherkessen und deren Identifikationsgebiete bzw. -religion übertragen. Man sieht also, wie wichtig es ist, die Blickwinkel aller Parteien im Auge zu haben (was aber auch mir nicht immer gelingt).
Schneemann.