(Kooperationen) European Armed Forces - Probleme und Perspektiven
#92
spooky:

Zitat:nur hatte der vorzeitige abzug aus afghanistan überhaupt nichts mit militärischen erwägungen oder schwächen zu tun. hollande hat im wahlkampf einen vorzeitigen abzug versprochen, die wahl gewonnen und zumindest dieses versprechen dann auch gleich erfüllt. wenn du dich mal von den militärschen aspekten löst wirst du sehr schnell feststellen das es letztlich nur um parteipolitische gründe und nationale interessen geht.

Da ich die militärische Stärke einer Nation nicht an der Armee allein festmache, greift dein Argument hier nicht. Gerade die Hintergründe dieses Abzugs zeigen klar die militärische Schwäche Frankreichs auf. Wenn militärische Einsätze mehr durch parteipolitische und innenpolitische Faktoren beherrscht werden als durch die militärische Notwendigkeit, dann ist das ein klares Zeichen für militärische Schwäche.

Zitat:wo droht uns denn die niederlage oder gar die "vernichtung"? in mali sicher nicht.

Das der Sieg in Mali so leicht und so schnell erreicht werden konnte, war nicht zwingend zu erwarten. Man darf den Feind nie gering schätzen. In jedem Krieg droht die Niederlage, in absolut jedem. In Mali geht es um die ganze Sahel-Zone, es geht um das Uran dort, um die französische Energieversorgung und damit um die gesamte Energieversorgung und damit die Wirtschaft in Europa. Noch im weiteren um die Frage ob islamistische Gruppen die Sahel-Zone zum Rückzugsraum für feindliche Gruppen machen können oder nicht.

Der Krieg in Mali war und ist für Europa sehr wichtig. Und kein Krieg darf auf die leichte Schulter genommen werden. So non chalant wie du das ganze abzutun, würde ich mir das nicht anmaßen. Jeder Krieg hat das Potential für eine vernichtende Niederlage, gleich wie schwach der Feind erscheinen mag.

Zitat:und warum haben wir nun das mandat auch noch verlängert? offensichtlich ist der tanker doch eine hilfe.

Mir fehlen da Hintergrund-Informationen, aber meiner Ansicht nach wollte man damit eher die erhebliche Empörung in Frankreich abdämpfen und den entstandenen politischen Schaden etwas kitten.

Das über das Tankflugzeug hinaus der Transport französischer Truppen mit den entsandten Transportflugzeugen verweigert wurde (aber afrikanische Truppen damit transportiert wurden), war hier bei mir von Anfang an ein Thema. Das bezog sich aber nicht auf dich oder irgendeine Aussage von dir, sondern stand ganz allgemein im Raum. Von daher ist dein Anwurf, ich würde dir hier das unterschieben ebenso sinnfrei wie deine Verteidigung gegen etwas, was gar kein Angriff auf dich, sondern gegen die derzeitige Führung der BRD war.

Das du dich bemüßigt fühlst, die Mischung aus Unfähigkeit, Bürokratie und Feigheit im Verteidigungsministerium zu verteidigen ist ja klar erkennbar. Dafür kann ich mir nur zwei Gründe vorstellen: 1 du bist mit diesem irgendwie verbandelt, und sei es dass du als Offizier hier irgendwie die offizielle Linie vertreten willst oder

2 du denkst wirklich so wie du dich gibst. Überbetonst also die wortwörtliche präzise Zerlegung des Geschriebenen in Form von Verträgen, Ausführungsverordnungen und Regelwerken. Weil das halt deine sozialkulturelle Prägung ist die der derzeitigen sozialkulturellen Grundströmung in Deutschland entspricht.

In einem Krieg aber, kann jede Form von Regelwerk keine praktische Bedeutung haben, im Gegenteil. Gestatte mir Moltke zu zitieren: Für die Strategie können allgemeine Lehrsätze, aus ihnen abgeleitete Regeln und auf diese aufgebaute Systeme unmöglich irgendeinen praktischen Wert haben.

Und daran hat sich nichts geändert. Du verteidigst Zertifizierungen, schriftlich definierte Standards- und DIN Normen, Verträge, Regelwerke. In einem Krieg ist das der Weg in die Niederlage. Keine Armee ist kriegsfähig, solange sie versucht anhand solcher Regeln und auf diesen aufgebauten Systeme zu agieren.

Zitat:wer hier den "bündnisfall" ausruft kann schwerlich zwischen tankern und kampftruppen am boden unterscheiden. dann zieht nämlich die ganze argumentationskette nicht mehr.

Es bedarf gar keiner Argumentationskette. Es bedarf allein des Willens. Wenn der Wille da ist, kann man ein Tankflugzeug sofort schicken. Dazu muß man weder den Bündnisfall ausrufen noch muß man Kampftruppen am Boden schicken. Der Wille allein zählt. Nur wenn man versucht steif Systeme anzuwenden, die auf Regelwerken basieren, unterliegt man diesen Zwängen die du hier zu erkennen glaubst.

Zitat:typischerweise gibt es sitzungswochen und sitzungsfreie wochen.

Warte lieber Gegner, wir haben gerade eine sitzungsfreie Woche. Deshalb können wir uns gerade nicht mit dem Krieg beschäftigen. Krieg ist ja eine ganz unwesentliche Sache, vor allem wenn die ganze Frage der Energieversorgung Europas daran hängt (französische AKW, Uran, Sahel-Zone usw)

Der Krieg und der Feind müssen halt warten, bis die Abgeordneten ihre ganze Nebentätigkeiten erledigt haben und ihre ganzen Zusatzeinkommen eingestrichen haben. Verordnung ist schließlich Verordnung. Der Feind muß sich da schon an die deutsche Bürokratie halten, nicht wahr?

Wobei...damals war gar keine sitzungsfreie Woche?!

Zitat:und die flugzeuge überhaupt bemannen und einsetzen könnte? frankreich hat selbst nur wenige a-310 (keine tanker) die auch im einsatz waren da dürfte entsprechendes personal wohl kaum zur verfügung gestanden haben. aber sowas ist ja schnell geschrieben, klingt erstmal einfach und toll aber erinnert mich ein wenig an blinden aktionismus.

Von blindem Aktionismus kann gar keine Rede sein, wenn man ein Tankflugzeug senden will. Wenn ein Wille dazu da wäre, hätte man es senden können. Irgendein Weg hätte sich gefunden. Dass es Hindernisse aller Art gibt, ist da weder überraschend noch ein Grund zum Nicht-Handeln. Im Gegenteil, sie sind dazu da überwunden zu werden.

Friktionen aller Art sind kein Grund für Nicht-Handeln. Handeln unter dem Druck von Friktionen ist im Krieg normal. Friktionsfreies Handeln zu fordern ist hingegen entweder heillos naiv oder böswillig (weil man damit nur das Handeln verzögern will).

Es gibt noch viel mehr mögliche Hindernisse, die den Einsatz des Flugzeuges hätten verhindern können. All deine Argumente sind genau diese übertriebene Versicherungs- Rückversicherungs- und Planungssicherheits- Mentalität die in Deutschland heute vorherrschend ist. Wo immer zuerst die Frage gestellt wird: Wer hat das zu verantworten? Wem kann man beim Scheitern die Schuld zuschieben? Wie ist das versichert? Diese Fragen sind schlicht und einfach Symptome einer unfähigen und schwachen Führung!

Zitat:über den sinn oder unsinn kann man ja wie man sieht trefflich streiten aber wer soll das dann am ende entscheiden wenn es kein regelwerk gibt? du? ich? das wären dann schon zwei unterschiedliche entscheidungen.

Der Verantwortliche. Weder du noch ich. Sondern beispielsweise der Verteidigungsminister zusammen mit der Kanzlerin bzw in deren Auftrag. Der entscheidet, handelt und trägt die volle Verantwortung für sein Handeln. Kurz und einfach: Die Entscheidung trägt der dafür bestellte Befehlshaber.

Zitat:ich denke die willkürherrschaft wäre in dem moment erreicht wenn sich ein(e) deutsche® bundeskanzler(in) vor die öffentlichkeit stellt und wegen einer militärischen anfrage malis gegenüber frankreichs für deutschland den bündnisfall ausrufen würde. ich halte es auch für anmaßend die deutungshohheit über den gesetzessinn erlangen zu wollen. dafür gibt es gerichte.

Dann ruft er eben den Bündnissfall nicht aus. Genau so wie der Kosovo-Krieg offiziell dann halt eben kein Krieg war. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und mit Willkür hat das nichts zu tun. Willkür entsteht in Wahrheit dort, wo die Legalität das Primat vor der Legitimität hat. Wo also blind legalistische Wortklauberei vorherrscht und ebenso blind und sinnfrei Geschriebenes wortwörtlich angewandt wird. Wo also schlicht und einfach versucht wird Systeme anzuwenden, die auf festen Regelwerken basieren, die sich vom Inhalt befreit haben und zur reinen Form geworden sind.

Und gerade die Gerichte und Staatsanwaltschaften sind in Deutschland nicht frei. Sie bestimmen den Gesetzessinn sehr weitgehend beeinflußt durch die Politik, insbesondere durch die Parteien. Die wahre Deutungshoheit über die Gesetze haben die Gerichte in Deutschland eben nicht.

Die deutsche Justiz produziert Willkür am laufenden Band. Gerade aufgrund der legalistischen Grundströmung der deutschen Kultur heute. Präzise Verträge, Regelwerke und Verordnungen schaffen keine Gerechtigkeit, im Gegenteil. Sie lähmen zudem die gesamte Gesellschaft und das Militär noch viel mehr.

Zitat:nein, es gibt keine europäische armee weil europa eben nicht ein land ist sondern aus vielen unterschiedlichen nationen mit ihren jeweiligen nationalen interessen und eigenheiten besteht. mit "legalismus" hat das garnichts zu tun.

Nur vordergründig ist das so: jede Gruppe die sich neu zusammen gefunden hat, bedarf eines Führers der die Gruppe organisiert. Sei es ein dazu bestellter oder ein informeller Führer, völlig gleich. Ohne die Dominanz einer Person innerhalb der Gruppe wird diese nicht funktionsfähig, wenn sie so plötzlich zusammen gestückelt wird. Das bedeutet für Europa: eine Europäische Armee kann ebenso wie eine funktionsfähige EU nur durch die Hegemonie eines der Mitgliedsländer entstehen.

Frankeich will, kann aber nicht. Deutschland könnte, will aber nicht. Und warum? Nur wegen des hierzulande vorherrschenden Legalismus. Hinter den im Vordergrund für das Scheitern verantwortlichen nationalen Egoismen steht also in Wahrheit ein Führungsversagen. Ein Führungsversagen Deutschlands das gerade eben aus unserer legalistischen Sozialkultur resultiert.

Führungsversagen ist der Grund, warum man kein Tankflugzeug geschickt hat als es gebraucht wurde. Führungsversagen ist der Grund, warum man dann doch ein Tankflugzeug geschickt hat (der Freund meckert, also nun gut, dann schicken wird doch eins) Führungsversagen ist es, dass es keine Europäische Armee gibt. Und hinter all diesem Führungsversagen steht die ängstliche, auf Versicherung und Rückversicherung bedachte, jede Verantwortung von sich schiebende deutsche Sozialkultur. Die sich deshalb, wegen der weltweit inzwischen verlachten "German Angst" verzweifelt an den Legalismus klammert.
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