Umfrage: Ist der MBT als Konzept überholt?
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MBT sind ein Auslaufmodell
22.22%
4 22.22%
MBT sind auch in Zukunft absolut wesentlich
77.78%
14 77.78%
Gesamt 18 Stimme(n) 100%
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Zukünftige Entwicklungen und Konzeptionen von Panzerfahrzeugen
Werter Nightwatch:

Vielen Dank für diese ausführliche Erläuterung deiner Positionen.

Bezüglich des Kriegsbildes 2006, der Hisbollah und ihrer Kampfkraft haben wir ein ebenso verschiedenes Bild wie in unserer Bewertung von Hardkillsystemen.

Allgemein ist Panzerabwehr immer eine Frage der Koordination. Aus dem einfachen Grund, weil ein Panzer niemals alleine kommt. Mein Eindruck ist, dass du zu sehr 1 System gegen 1 System vergleichst und daraus zu einem falschen Bild bezüglich des Einsatzes mehrerer Systeme gegen mehrere Systeme kommst. Panzer, insbesondere MBT werden immer in größerer Zahl zusammen eingesetzt und üblicherweise auch noch zusammen mit anderen Waffensystemen (im Libanonkrieg 2006 war die Koordination der Israelis in diesem Punkt anfangs extrem schlecht).

Umgekehrt ist Panzerabwehr nicht das Geschäft einer Stellung, eines Infanterietrupps, eines Panzerabwehrzuges. Sondern eine erfolgreiche Panzerabwehr kann nur in Form größerer Verbände stattfinden. In Bezug auf leichte Infanterie benötigt diese dafür sehr viel Platz im Verhältnis zu den Panzern. Ein konzentrierter Angriff von vielen MBT (und im Krieg wird dies vorherrschen) kann nur mit ausreichend Raum abgeschlagen werden und nur durch eine größere Anzahl von Panzerabwehrzügen.

Das bedeutet, dass der Koordination und Führung des Feuers der Panzerabwehrwaffen so oder so die höchste Priorität zukommen muß. Die Panzerabwehrzüge müssen von der Ausbildung und dem Können ihrer Kader her in der Lage sein, sich zu koordinieren, oder sie können die Panzer nicht abwehren. Dies war schon immer so, also auch schon lange vor Hardkillsystemen. Und es ändert sich daran eben nichts durch Hardkillsysteme.

Erfolgreiche Panzerabwehr der Infanterie kann nur durch ein sehr hohes Maß an Koordination verschiedener Waffen und verschiedener Stellungen erfolgen. Nur so kann Infanterie einen mechanisierten Verband besiegen. Diese Koordination kann auch ohne Netzwerk durch Ausbildung und Führung bewerkstelligt werden.

Im Gegensatz zu deiner Wahrnehmung des Kriegsbildes von 2006 war die Hisbollah zwar zweifelsohne Opferbereit und in der Lage, auch noch nach hohen Verlusten weiter zu kämpfen, ihr fehlte jedoch eben diese Koordination in der Panzerabwehr. Nicht mal die schwerwiegenden israelischen Fehler wurden ausreichend exploriert. Das PALR Feuer der Hisbollah erfolgte über zum Teil sehr große Distanzen, oft unkoordiniert und zum Teil wenig konzentriert. Und dies auch dort, wo eine Koordination des Feuers möglich gewesen wäre. Bei allen guten Ansätzen verschenkte die Hisbollah damit die historische Chance, der israelischen Armee sehr empfindliche Verluste zufügen zu können.

Nicht das Defensivkonzept der Hisbollah war leistungsfähiger als gedacht, die Performance der israelischen Armee war einfach grottenschlecht und fand erst im Laufe der Kämpfe langsam wieder an Qualität. Wobei wie ja aufgezeigt noch ganz zum Schluß haarsträubende Fehler gemacht wurden, die zu völlig unnötigen Verlusten führten.

Von der von dir geforderten hohen Effektivität (du schreibst: ZU hohen) war die Hisbollah aller Opferbereitschaft zum Trotz noch sehr weit entfernt. Mit der für die Panzerabwehr auch ohne Hardkillsysteme zwingend erforderlichen Koordination der Infanterie, kann diese aber im Umkehrschluss auch gegen mit Hardkillsystemen geschützt Panzer in Zukunft weiter vorgehen.

Aufgrund der Größe der eingesetzten Verbände (Panzer wie Infanterie) spielen die Hardkillsysteme im großen Krieg, also dem Kampf größerer Einheiten gegen andere größere Einheiten keine so wesentliche Rolle. Sie verändern hier das Kriegsbild nicht so wesentlich, da der Gegner von der Zahl der eingesetzten Systeme und aufgrund der Größe des Raumes (der benötigte Raum für die erfolgreiche Panzerabwehr ist immer sehr groß) hier auch bei Vorhandensein von Hardkillsytemen uns erhebliche Verluste zufügen kann.

Im Krieg also werden Hardkillsysteme nicht die Wichtigkeit besitzen, die du ihnen zusprichst. Das schwere (sic) Panzer wie du schreibst trotzdem durchbrechen können ist weder verwunderlich, noch negiert es den Wert der Panzerabwehr. Schwere Panzer (sic) können sowohl ohne als auch mit Hardkillsystemen immer ein Stellungssystem der Panzerabwehr durchbrechen. Mit Hardkillsystemen gelingt dies aber natürlich zweifelsohne leichter bzw mit geringeren Verlusten.

Du versteifst dich hier aber meiner Meinung nach zu sehr auf dein Einsatz schwerer Panzer, heute also des MBT. Wenn man wie du sich sehr auf den Status Quo konzentrieren wollte, so müsste man sich aber eben primär um die Frage leicht gepanzerter Fahrzeuge kümmern, wie sie in derzeitigen assymetrischen Kriegen primär Opfer der feindlichen leichten Infanterie werden.

Und hier gehen wir beide durchaus konform, dass das Kriegsbild der assyemtrischen Kriege gegen die derzeitigen schwachen Gegner sich durch Hardkillsysteme vollständig verändern wird. Da hier keine Panzerabwehr durch größere Verbände erfolgt, sondern sporadische und kurzfristige Überfälle mittels veralteten Panzerabwehrhandwaffen vorherrschen.

Bleiben wir aber bei echten Kriegshandlungen und der Frage von Kosten und Nutzen: Du betonst ja regelmäßig, dass mein Ansatz einer Koordinierten Panzerabwehr (eine unkoordinierte ist aber immer zum scheitern verurteilt, seit jeher) sich vom Aufwand her nicht mehr lohnen würde. Um auch nur einen Panzer auszuschalten sei der Aufwand aufgrund der Hardkillsysteme dann zu groß. Du verwendest sogar das Wort spottbillig in Bezug auf Hardkillsysteme.

Komplexe Koordinierung ist aber die entscheidende Grundlage einer erfolgreichen Panzerabwehr. Auch im hier und heute, auch schon vor den Hardkillsytemen. Diese Koordinierung kostet keinswegs zu viel um damit einen Panzer auszuschalten. Das ist primär eine Frage der handwerklichen militärischen Könnens. Der Aufwand ist ebenfalls immer zu leisten, gleich ob Hardkillsysteme verwendet werden oder nicht. Die Koordination der Panzerabwehr ist so oder so notwendig und sie ist in vorbereiteten Stellungssystemen auch möglich. Da du der Kampfweise der Hisbollah hier Modellcharakter zugestehst, möchte ich dich noch einmal darauf hinweisen, dass die Hisbollah bspw immer aus vorbereiteten Stellungssystemen heraus kämpfte.

Bleiben wir also beim Material. Was ist teurer? Eine russische PALR oder ein Hardkillsystem? Die Antwort ist, dass selbst der Abfangversuch bzw das Hardkillsystem selbst bei weitem teurer ist als die PALR. Was ist teurer? 10 PALR oder ein MBT? Der MBT ist bei weitem teurer. Die Rechnung geht daher nie zu Gunsten des MBT auf. Der Aufwand an Mensch und Material um auch nur einen Panzer zu vernichten, lohnt sich daher immer. Ad extremum könnten Hardkillsysteme selbst zum primären Ziel werden, nur um uns die Kosten aufzuerlegen diese ständig ersetzen zu müssen. Und unsere Gesellschaften können nicht nur kein Blut mehr ertragen, sie können auch die Kosten langjähriger assymetrischer Kriege in Geld nicht mehr aufbringen.

Zu deinem Vorschlag, mehr auf IED zu setzen: diese sind eine rein passive Verteidigungsanlage die nur dann an Wert gewinnt, wenn sie zugleich Verteidigt wird. Jede Minensperre ohne die aktive Präsenz von eigenem Feuer ist wertlos um einen Panzerangriff abzuwehren. Das soll jetzt nicht so verstanden werden, dass ich gegen Minen wäre. Im Gegenteil. Gerade gegen Panzer erweisen sich diese als extrem erfolgreiches Mittel wenn man sie dem Feuer von PALR kombiniert. Gerade deshalb meine Forderung, Schwere Panzer und Pioniere immer systematisch zusammen einzusetzen, in einem organischen Verband, einer neuen Truppengattung der Sappeure.

Bezüglich deiner Kriegswirtschaftlichen Logik: nehmen wir mal an, die Hisbollah bräuchte in Zukunft das fünfache an Ressourcen pro Panzer wie 2006, weil Hardkillsysteme so erfolgreich wären und es der Hisbollah nicht gelänge, ihre Panzerabwehr besser zu koordinieren: Dann ist das zwar ein erheblicher Vorteil für die Panzer, aber trotzdem immer noch vom Kriegswirtschaftlichen Aufwand her ein Sieg für die Hisbollah. Den auch der fünffache Aufwand an Menschen und PALR ist immer noch sehr viel billiger als der Aufwand den die Israelis für MBT und Hardkillsysteme verwenden müssen.

Verhindern kann die Hisbollah den Durchbruch der israelischen Panzer nie. Ob mit oder ohne Hardkill, dass ist völlig egal. Aber die finanziellen Kosten die Israel dafür aufbringen muß, werden auch durch Hardkillsysteme immer zuungunsten Israels sein. Gerade weil der Einsatz der jüdischen Streitkräfte im Gefecht der verbundenen Waffen komplexer ist, MBT, Hardkillsysteme, Namer, Artillerie, Luft und Drohnen miteinander koordiniert eingesetzt werden müssen um die menschlichen Verluste ausreichend niedrig zu halten, und umgekehrt menschliche Verluste für die Hisbollah nicht so problematisch sind und diese nur Infanterie und PALR koordinieren müssen, wird die finanzielle Rechnung und die Rechnung in Blut auch trotz Hardkillsystemen niemals für Israels aufgehen.

Gestatte mir beschließend dich selbst zu zitieren:

High Tech ist im Feld nicht immer ein Mehrwert. Auch wenn es auf dem Papier noch so toll aussieht, je komplexer diese Systeme und Ansätze des zu anfälliger sind sie für Friktionen.

Das gilt auch für Hardkillsysteme. Die keineswegs spottbillig sind (mehrere hunderttausend Dollar pro System) und im Feld keineswegs robust, was ständigen Austausch von Abwehrmitteln, Sensoren usw erfordert. Kann ein Hardkillsystem 3 oder 4 Gefechte stehen? Die Antwort ist nein. Was helfen uns Hardkillsysteme, wenn die Werfer extern nachgeladen werden müssen, was im Gefecht unter Beschuss nicht möglich ist? Wenn wir keine neuen Sensoren und Abwehrmittel heran transportieren können? Fehlt uns nicht irgendwann die Initiative und Aggressivität weil wir uns nur noch defensiv hinter der High Tech verschanzen? Was ist dann wenn die Logistik happert und den ganzen Combat Multiplier Hardkillsystem wegwischt?

Hard Kill Systeme sind zweifelsohne ein Game Changer für den Assymetrischen Krieg, für den Kampf gegen schwache Gegner wie die Taliban, da sie den Feuerüberfall auf unsere Panzer, insbesondere auch auf leichte Panzer mittels der älteren russischen Systeme abwehren können. Solche Gefechte finden gegen einen Feind statt, der numerisch im Kampf schwach auftritt, einen Feuerüberfall ausführt und dann abzieht. In dieser Art von Kampf sind Hardkillsysteme zweifelsohne immens wertvoll und sollten deshalb mit Hochdruck eingeführt werden.

Für die Zukunft aber, und insbesondere für den konventionellen Krieg bedürfen sie meiner Überzeugung nach einer deutlichen und schnellen Weiterentwicklung, um den Bedrohungen von Heute und Morgen (von Übermorgen keine Rede, es genügt Morgen) etwas entgegen setzen zu können. Deshalb sollte man hier Ressourcen für die Forschung und Weiterentwicklung und Beschaffung jetzt zur Verfügung stellen, wo wir diese noch haben.

Koordination ist die Grundlage jeder Panzerabwehr. Infanterie alleine kann Panzer nur aus vorbereiteten Stellungen abwehren. Koordination des Feuers ist aus vorbereiteten Stellungssystemen heraus möglich. Dazu braucht es keinerlei Wunderwaffen, Netzwerke und Feuerleitsysteme sind kein Wunderwerk aus der Zukunft sondern stehen hier und heute zur Verfügung und könnten errichtet werden. Koordinierte Angriffe können von Hardkillsystemen nicht abgewehrt werden. Die Kosten für die Angriffe liegen weit unter den Kosten auch nur des Hardkillsystems. Heutige Hardkillsysteme kosten mehrere hunderttausend Dollar pro Einheit. Die Hardkillsysteme können selbst angegriffen werden und die Kosten für ein paar Kugeln sind im Verhältnis zu den Kosten für den Ersatz des Systems im Feld nichts.

Da du vehement bestreitest, Koordination sei auch ohne Technik möglich, habe ich mit ein paar Bekannten mittels einfacher Airsoftwaffen ohne jedes Feuerleitsystem oder Netzwerk letztes WE einen Versuch gemacht: Wir konnten auf eine Gruppe von sich annähernden Angreifern problemlos unser Feuer so koordinieren, dass ein Gegner (ein feindlicher Panzer also) von mehreren Kugeln unmittelbar hintereinander getroffen wurde. Also ist dies auch mit PALR auf die gleiche Weise problemlos möglich. Das die Hisbollah ihr Feuer nicht ausreichend konzentrieren konnte, heißt also nicht, dass es nicht problemlos möglich wäre.

Und kriegswirtschaftlich rechnet es sich immer, auch nur einen Panzer zu zerstören. Unsere derzeitigen Feinde, die du so gerne bemühst, haben genug Menschenleben und die PALR sind spottbillig und könnten sogar noch sehr viel billiger sein wenn man den entsprechenden Zugang hat (eigene Industrie die diese fertigt). Die Kosten für viele PALR liegen immer noch weit unter den Kosten für mehrere Hardkillsysteme, von den Kosten für die Panzer ganz zu schweigen.

Nur im assymetrischen Krieg, im Feuerüberfall durch assymetrische Gegner sind Hardkillsysteme echte Game Changer.
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