30.06.2011, 03:47
Zitat:Nach der Logik müsste man auch Belgien, Äthiopien und den Irak nuklear aufrüsten
...oder Israel, wie speziell Du höchst selbst häufig genug argumentiert hast. :roll:
Zitat:Alleine in Äthiopien sind durch des Duce's Senfgas-Attacken 1935/36 wohl Zehntausende zu Tode gekommen.
Auch wenn ich stark bezweifel, dass es bei nicht systematischem Einsatz überhaupt technisch möglich ist mit gerade mal 300 Tonnen Senfgas in einem Land wie Äthiopien "Zehntausende" Zivilisten zu töten, so finde ich den gesamten Sachverhalt der Kolonialkriege, die gesamte Koloialgeschichte, ausgesprochen schlimm und keinesfalls zum Lachen. Lächerlich ist allenfalls, dass Italien nur läppische 25 Mio. $ an Reparationszahlungen gegenüber Äthiopien geleistet hat und offenbar auch von niemandem mit Einfluss dazu genötigt wurde, mehr zu leisten.
Ich bin der Auffassung, dass die Kolonialmächte garnicht genung Reparationszahlungen leisten können, um den menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Schaden, den sie angerichtet haben, auszugleichen. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden und einige sind sogar bis heute nicht zur Vernunft gebracht worden. Zu verantworten und zu bezahlen sind nicht nur die Verbrechen der Akteure gegenüber den Juden, sondern auch die Verbechen gegenüber Schwarzen und Asiaten. Da darf es einfach keinen Unterschied geben!
Der Einsatz von Giftgas gegen irakische Zivilisten durch Briten und äthiopische Soldaten und Zivilisten durch Italiener ist leider nur ein kleiner Ausschnitt dieser Historie aus unsäglich brutaler Macht- und Geldgier der Länder Europa. Diese Geschichte aus Völkermorden und Sklaverei hat die Welt in vielen Regionen unumkehrbar verändert. Ganze Völker und Kulturen wurden ausgelöscht, Kulturschätze vernichtet oder geraubt und willkürliche Grenzen wurden gezogen. Menschen wurden zu Millionen in andere Weltregionen zwangsumgesiedelt und dort versklavt.
Warum war das überhaupt möglich? Weil die überfallenen Völker gegen die übermächtige Waffentechnologie wehrlos waren. Die vernichteten oder gewaltsam unterjochten Völker waren militärisch unterlegen! Der größte Vorwurf den sich eine Regierung eines von Europäern bedrohten Landes gefallen lassen muss, ist militärische Unterlegenheit.
Zur Beurteilung der Relevanz vom Teilaspekt des Einsatzes von Giftgas für die Gegenwart spielt, lieber Schneemann, der Zeitpunkt dieser Ereignisse eine bedeutende Rolle. Die unmittelbaren Zeitzeugen in den von Dir genannten Ländern sind inzwischen gestorben. Im Iran ist der Golfkrieg nocht fester Bestandteil im Leben praktisch jeder Familie. Einige tausend Giftgasopfer sind bereits an den Folgen gestorben, aber noch heute leben einige zehntausend Opfer und Nachkommen mit den Langzeitfolgen der Giftgasangriffe. Insofern muss man Deinen vollkommen unpassend ins lächerliche gezogenen Beitrag inhaltlich in gleich mehreren Punkten korrigieren.
Das Gefühl Giftgasangriffen und systematischen konventionellen Bombardements ausgesetzt gewesen zu sein, sowie das Gefühl dem vollkommen alleine gegenüber gestanden zu haben ist noch heute im Iran praktisch omnipräsent. Man muss dazu vielleicht auch sagen, dass Kriegsleid perfekt in die Vorstellung der Iraner und Schiiten passt, so dass ein solcher Krieg und die damit verbundenen Erfahrungen einen massiven Effekt hinterlassen mussten. Der heutige massive Nationalismus hat in nicht geringem Maße mit dem Erfahrungen der letzten 100 Jahre zu tun.
Und um auch nochmal auf diesen Punkt zurück zu kommen: Es waren abermals Europäer, die das Giftgas durch "Spezialisten", Anlagen und vorbereitende Chemikalien in die Region brachten. Um dem üblichen Argument der Unwissenheit zuvor zu kommen: Derartige Projekte stehen unter staatliche Beobachtung, wurden und werden von Diplomaten begleitet und vermttelt. Es gab nie "Privatwirtschaftliche" Kontakte in den Irak unter Saddam Hussein. Und die großen Staaten dieser Welt, die Sicherheitsratsmitglieder, haben Saddam auch gewähren lassen, als längst klar war dass er Giftgas gegen Iraner und Kurden einsetzte. Den Staatsführern der "zivilisierten, freien Welt" waren faktisch alle Mittel Recht, damit der säkulare Irak diesen Krieg gegen den bösen Iran des Ayatollah Khomeini gewinnt. Mit aller Macht musste verhindert werden, dass die islamische Revolution, ein arabischer Frühlung, auf die anderen Länder überspringt und das "Great Game" aus dem Ruder läuft. Die Briten, Russen und Amerikaner haben die Rohstoffe des Landes, der gesamten Region, wohlgmerkt seit 1907 untereinander aufgeteilt.
Warum war das möglich? Weil diese Länder sich die Freiheit heraus nehmen können, zu tun und zu lassen was ihnen gefällt. Auf wen soll sich der Iran im Ernstfall verlassen, um dieser Willkür nicht weiter ausgesetzt zu sein? Auf Europa? Auf die USA? Auf Russland? China? Auf die Nachbarn? :lol: Insofern sehe ich eine iranische Regierung in der Pflicht, sich entsprechend militärisches Potential zuzulegen, um die wahrscheinlichsten Angreifer vernichtend zu schlagen, sowie sich mit Staaten zu organisieren, die ähnliche Erfahrungen machen mussten und dies nie wieder erleben wollen.