14.04.2011, 19:22
Nightwatch schrieb:Wir hätten viel zu tun wenn wir jede Rebellion gegen irgendeinen Despoten unterstützen. Das kann nicht Sinn und Zweck unserer Sicherheitspolitik sein. Warum sind wir da reingegangen?Mit der Begründung, die so quasi jede von der UN abgesegnete Intervention liefert: Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verhindern, Frieden im Rahmen der Menschenrechte wiederherstellen. Die Alternative ist Wegschauen. Dann können wir unsere Werte aber auch gleich vergessen und nirgends mehr intervenieren. Und dann gilt einfach das Recht des Stärkeren. So eine Welt brauch ich nicht.
Nightwatch schrieb:Warum bombardieren wir Libyen und sehen zu wie Sadat in Syrien und die Saudis in Bahrein die dortigen Aufständischen zusammenkloppen?Das verurteile ich auch. Es bezweifelt wohl auch niemand, dass für eine Intervention immer die Eigeninteressen der Beteiligten stimmen müssen, und dass die beteiligten europäischen Regierungen in Libyen massive Eigeninteressen verfolgen. Aber wenn sich schon mal die Gelegenheit bietet, einen Gadhafi ohne irgendwelche vorgeschobenen und fadenscheinigen Gründe zu entmachten, ist es richtig, diese auch zu nutzen. Asad und das bahrainische Regime liefern dieselben Gründe wie Gadhafi, um zu intervenieren und wir müssten das auch tun. Es ist eine Tragödie, dass es nur eine Intervention in Libyen gibt, aber ich bin schon froh, dass es dort überhaupt zu einer gekommen ist.
Nightwatch schrieb:Wir haben uns ohne Not auf ein militärisches Abendteuer eingelassen ohne zu Wissen was wir da überhaupt genau erreichen wollen.Eine Forderung gibt es ja, sowohl von den Rebellen als auch von den Interventionsmächten: Gadhafi muss weg. Von der UNO kommt die Forderung, dass der Krieg aufhört. Damit kann man was anfangen. Was danach kommt, steht richtigerweise in den Sternen. Also muss man halt vonseiten der UNO Druck auf die Rebellen ausüben: präsentiert ein politisches Konzept, dann wird entschieden, wie die Hilfe aussieht.
Nightwatch schrieb:Es hätte unseren Interessen nicht geschadet wenn wir Gaddafi nicht vor Bengazi gestoppt hätten. Ja, es hätte ein paar Tote gegeben, aber die gibt es seit Jahr und Tag in Afrika ohne das es uns kümmert. Wir haben in der Region schon genug Baustellen als das wir Libyen jetzt auch noch umstürzen müssten.Na grossartig. Das ist de facto das Gutheissen von Gadhafis Diktatur. Meinen Glückwunsch.
Zitat:Brauche ich nicht beweisen. Diejenigen die für diesen Krieg sind müssen beweisen das wir auf richtigen Seite stehen, bzw. das es in diesem Konflikt überhaupt eine richtige Seite gibt. Lautet die Antwort Nein haben wir da nichts zu suchen.Damit bleibt Deine Behauptung einfach eine Behauptung.
Die Ereignisse haben aber gezeigt, dass die NATO die Rebellen ganz leicht unter Druck setzen könnte: entweder die Rebellen bekennen Farbe und kriegen weiter Hilfe, oder sie verlieren.
Zitat:Das sind doch nur Worthülsen die in reality nicht funktionieren. Handelsvereinfachungen? Was bringt das dem Volk? Libyen hat Öl? Was bringt das dem Volk? Tourismus? Wie weit kamen die Ägypter damit? Warum in Libyen produzieren wenn es China gibt?Eine Demokratie hat strukturell den Auftrag, das nationale Vermögen ans Volk zu verteilen und gleiche Chancen für alle zu schaffen. In einer Dikatur ist letzteres nicht gegeben, ersteres wird in der Realität meist nur über Geldgeschenke an die murrende Bevölkerung realisiert, während die Elite wesentlich wohlhabender ist. Was die Handelserleichterungen betrifft: Ein Staat, der von allen getragen wird anstatt nur von einem launischen Dikator, ist für ausländische Investoren grundsätzlich interessanter.
Und selbstveständlich muss den Libyern auch klar sein, dass sie nach dem Wegfall des Regimes halt auch selber anpacken müssen. Es kann nicht sein, dass sie sich über mangelnde Arbeit beschweren, aber z.B. zig ausländische Ölarbeiter beschäftigen.
Nightwatch schrieb:Die mangelnde wirtschaftliche Perspektive lässt sich nicht wegzaubern und deshalb werden die Demokratiebewegungen scheitern. Im wesentlichen gibt es drei mögliche Entwicklung. Implosion a la Somalia, erneute Errichtung einer quasidiktatorischen Herrschaft oder Aggression nach Außen. Nichts davon ist erstrebenswert.Sagt niemand, dass es leicht wird oder schon übermorgen zu Ende. Ich setze trotzdem darauf, dass Libyen eine föderale Demokratie wird.
Luetzow schrieb:Es ist nicht so das ich Libyen nicht die Demokratie gönnen würde oder die Pensionierung von Gadaffi für eine schlechte Idee halte, aber ich sehe nicht das die Rebellen eine bessere Alternative darstellen, da man fast nichts über sie weiss und das was man weiss nicht gerade ermutigend ist.Wir wissen aber mit Sicherheit, was die Alternative zu den Rebellen ist: die Weiterführung einer brutalen Diktatur. Das ist für mich nicht erstrebenswert. Wie ich schon geschrieben habe, müssen die Rebellen ein politisches Konzept vorlegen, das über die Beseitigung Gadhafis hinausgeht. Aber wenn sie nicht vollständig auf den Kopf gefallen sind, dann werden sie begreifen, dass davon der Goodwill der interantionalen Gemeinschaft ihnen gegenüber abhängt.
Luetzow schrieb:Auch ist nicht zu erkennen das die Aufständigen in irgendeiner Weisse die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben.Jedenfalls zu Beginn des Aufstands schien es so. Praktisch der ganze Osten Libyens, sowie die meisten Städte im Westen (auch Teile von Tripolis) haben sich der Bewegung angeschlossen. Danach, als sich das Kriegsglück gegen die Rebellen gewandt hat und die Repression im Westen zu wirken begann, hat sich das vielleicht wieder geändert. Im Moment ist die Situation wohl ziemlich verfahren, da es keinen schnellen Sieg einer Seite gegeben hat.
Luetow schrieb:Außerdem widerdert mich die einseitige Medienkampange im Spiegel und anderswo ziemlich an. Nichts an dieser Revolution wirkt irgendwie authentisch. Die meisten Bilder sind gestellt und die meisten Stories einfach ungeprüft von einer Partei übernommen worden.Es steht Dir frei, verschiedene Quellen zu Rate zu ziehen und zwischen den Zeilen zu lesen. Quellenkritik ist ebenfalls erwünscht. Aber Du hast eigentlich mit Deinem Bilder-Post dasselbe gemacht, was Du anprangerst: Unreflektiertes Übernehmen einer Quelle und eigenes Dazudichten (durch die Bildüberschriften). Falls Du das ironisch gemeint hast, ist mir das entgangen.
Luetzow schrieb:Es ist selten das ich Nigthwatch mal zustimmen muss, aber hätte man Gadaffi vor Bengasi nicht aufgehalten dann wäre der Spuck mit 1-2000 Toten vielleicht vorbei gewesen und die "Tarifverhandlungen" der Stämme hätte sich im Zelt fortgesetzt.Und damit heisst Du die Gadhafi-Diktatur ebenfalls gut. Da kann ich Dir dann leider nicht recht geben.
Luetzow schrieb:So ist die Nato aber nun Kriegspartei geworden und steht auch noch auf der wohl schwächeren Seite. Dies wird den Konflikt nur erheblich verlängern und viel mehr Opfer fordern. Allein scheinen die Aufständigen nichts auf die Reihe zu kriegen. Das wird entweder mit Bodentruppen der Nato oder mit einem langen Bürgerkrieg enden.Nach meinen Masstäben ist diese Intervention gerechtfertigt. Die NATO darf einfach nicht versagen. Das Ziel, Gadhafi zu stürzen, muss erreicht werden. Sonst war alles für die Katz und die NATO ist bis auf die Knochen blamiert. Aber das hängt auch vom Verhalten der Rebellen ab. Die müssen sich halt auch weiterentwickeln, vor allem im militärischen Können.
Luetzow schrieb:Ob die Tunesier und Ägypter ein besseres Los gezogen haben hoffe ich mal. Aber in Libyen halte ich keine Partei für unterstützenswert.In allen drei Ländern hat sich die Bevölkerung gegen ein autokratisches Regime erhoben, um ihr Recht auf Selbstbestimmung durchzusetzen und die repressiven Despoten zum Teufel zu jagen. Ich sehe nicht, was daran schlecht ist.