Türkei
Und ich sehe das, unter Rückgriff auf geschulte Augen, deutlich anders. Siehe dazu etwa den Kommentar auf der Webpräsenz des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, unter Bezug auf die aktuellen Geschehnisse in Arabien:

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Die Türkei bzw. ihre politische Führung – Ministerpräsident Erdogan, Staatspräsident Gül und Außenminister Davutoglu – sind in Maghreb und Maschrek gern gesehene und respektierte Gäste. Eine repräsentative Umfrage, welche vor den Freiheitsrevolten von der renommierten türkischen Stiftung für wirtschaftliche und soziale Studien TESEV in sechs arabischen Ländern (Ägypten, Saudi-Arabien, Libanon, Syrien, Irak, Jordanien und Iran) erhoben wurde, untermauert diesen Zuspruch. Mehr als 65 Prozent der Befragten sehen die funktionierende Symbiose von Islam und Demokratie als potentielles Muster für ihren Staat. Die türkische Regierungspartei AKP ist sozusagen ein Prototyp einer regierungsfähigen islamisch-demokratischen Partei – sie stellt ein Produkt jahrzehntelanger politischer und besonders ideologischer Emanzipation dar.

Ihre Wurzeln hat die AKP in den islamistischen Parteien des Vaters des türkischen politischen Islams, Necmettin Erbakans. Erdogan und Gül emanzipierten sich Ende der neunziger Jahre von Erbakan und schworen, zumindest öffentlich, dem politischen Islam ab. Die Gründer der AKP erkannten, dass sie im Rahmen der Demokratie ihre politischen Visionen auf eine breitere Legitimationsbasis stellen konnten und somit auch erfolgversprechendere Machtoptionen hatten. Ein theokratischer Staat im Sinne Erbakans findet jedoch in der türkischen Gesellschaft nur sehr wenig Rückhalt. Nur durch ihre demokratische Emanzipation erlangte die AKP Akzeptanz und Legitimation in der eigenen Bevölkerung sowie der europäischen Politik. Wie selbstbewusst die Regierungspartei war, stellte sie 2003 unter Beweis. Sie verweigerte unter Verweis auf einen demokratisch gefällten Parlamentsbeschluss den USA bei der Irakinvasion die Gefolgschaft. Die türkische Demokratie düpierte die Amerikaner und bescherte den Türken eine nie dagewesene arabische Achtung. Aufgrund der Verbindung von islamischer Lebensweise und demokratischen Strukturen sowie der selbstbewussten und beachteten Außenpolitik betrachten viele Araber die Türkei auf staatlicher und politischer Ebene als ein erstrebenswertes Vorbild.
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Weiterhin kann die türkische Republik im wirtschaftlichen Bereich punkten. Die AKP-Regierung übernahm die wirtschaftlichen Altlasten der Vorgängerregierungen, welchen Misswirtschaft, Korruption und einer extremen Wirtschaftskrise des Jahreswechsels 2000/2001 geschuldet waren. Unisono mit dem Wahlsieg der AKP 2002 prosperierte auch die Wirtschaft. Das türkische Pro-Kopf-Einkommen stieg innerhalb von neun Jahren von 2160 Dollar auf mehr als 10000 Dollar. Im Vergleich dazu liegt Ägypten heute auf dem Niveau, auf dem die Türkei vor neun Jahren stand. Diese Entwicklung fußt unter anderem auf einem überproportionalen Anstieg türkischer Importe in die arabischen Länder. Die Wirtschaftskontakte zogen zudem eine partielle Aufhebung der Visapflicht nach sich. Diese türkische wirtschaftliche Erfolgsgeschichte und der gesellschaftliche Mehrwert lassen sich auch auf die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft zurückführen – ein entscheidendes Detail, welches den arabischen Ländern und ihren Herrschern nicht verborgen bleibt. Somit beeinflusst die Türkei unterschwellig ihre Wirtschaftspartner, ganz nach dem Sprichwort: Wandel durch Handel.
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Könnte die türkische Demokratie demnach ein Wegweiser für die Menschen im Maghreb und dem Nahen Osten sein? Die Akzeptanz einer solchen Gesellschaftsform, wie sie die Türkei aufweist, ist laut der TESEV-Umfrage gegeben. Anscheinend findet in einigen islamisch arabischen Gesellschaften ein Umdenken statt. Lange standen sich die säkular-europäischen und islamisch-arabischen Gesellschaftsordnungen unvereinbar gegenüber. Die Türkei schaffte es jedoch, unter ihrer islamisch geprägten Regierung einen Mittelweg zu beschreiten. Ein demokratischer Rahmen, in dem der Islam sehr wohl seinen legitimen Platz einnimmt. Natürlich gibt es in der türkischen Demokratie noch Defizite, aber sie befindet sich auf dem prosperierenden Weg. Die Türkei und ihre Regierungspartei könnten daher als eine Art Schablone, zumindest aber als Inspiration, für die demokratisch gesinnten Menschen in den arabischen Ländern dienen.
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