27.02.2011, 14:24
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Zitat:Staaten im Umbruch
Ein Turkmene ist kein Clown
27.02.2011, 10:10
Von Sonja Zekri
Tunesien, Ägypten, Libyen ... Wer tritt eigentlich die Nachfolge der lupenreinen Diktaturen an? In Zentralasien sitzen die Herrscher noch fest im Sattel. Aber kein Regime ist so exzentrisch, so hermetisch, so rätselhaft wie Turkmenistan.
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Eine Welle der Wut schwappt vom Maghreb bis an den Persischen Golf und ist damit an den Grenzen einer Region angekommen, deren Demokratiedefizite sprichwörtlich sind: Mittelasien. Usbekistans Präsident Islam Karimow hat Jahre vor Gaddafis Blutbad Hunderte Demonstranten in Andijan massakrieren lassen. Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew bereitet sich nach mehr als zwanzig Jahren im Amt soeben auf eine sichere Wiederwahl vor. Wie einst in Tunesien geben sich die Endlosherrscher in Taschkent oder Duschanbe als Bollwerk gegen religiösen Fanatismus und islamistischen Terror. Wie früher in Kairo ist ihr Mantra das Versprechen auf Stabilität.
Als abschreckendes Beispiel für Demokratieexperimente in der Region gilt Kirgistan: zwei Umstürze in fünf Jahren, Pogrome, Armut, ein ohnmächtiger Staat. Wie in Tripolis ist Gewalt oft das Instrument politischer Auseinandersetzung. Und: Es sind islamische Gesellschaften, nach 70 Jahren sowjetischem Zwangsatheismus oft glühend gläubig.
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Noch sind Zentralasiens Gebirge und Wüsten ideale Kulissen für pompöse Machtinszenierungen auf Kosten darbender Völker. Aber kein Regime ist so exzentrisch, so hermetisch, so rätselhaft wie Turkmenistan.
Fahren wir also hin.
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Seit seinem Tod im Dezember 2006 wird Turkmenistan von Gurbanguly Berdymuchammedow regiert, Nijasows ehemaligem Zahnarzt (und späteren Gesundheitsminister). Und seither tut sich etwas. Delegationen aus Washington, Berlin und Brüssel antichambrieren in Aschgabad. Denn der Boom in China und Indien, der Wohlstand Europas, selbst der Frieden in Afghanistan und Pakistan: Für all das braucht man die Ressourcen vom Kaspischen Meer. Nach Jahrzehnten der Isolation dürfen nun manchmal sogar Journalisten einreisen
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Der Westen hat hier - wie in Libyen und Saudi-Arabien - kein Interesse am unkontrollierten Wandel. Denn Turkmenistan besitzt die viertgrößten Gasvorkommen der Welt. Auf den Öl- und Gaskonferenzen hofieren westliche Firmenvertreter Turkmenistans Machthaber. Neil Mallon Bush, Vorsitzender von TX Oil Ltd und Bruder von George W. Bush, gurrte im November, er wünsche dem turkmenischen Volk "ein langes Leben, Frieden und Glück". Ihn, Neil Bush, beeindrucke vor allem die "Klarheit der Ziele" des Präsidenten.
Dabei sind dessen Absichten so unkalkulierbar wie eine Tiefseebohrung. Nach China und Iran will Berdymuchammedow exportieren. Er lässt sich von Europa umwerben, das turkmenisches Gas in die Nabucco-Pipeline von der Türkei nach Österreich füllen will, um sich aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Er leiht Amerika ein Ohr, das eine Röhre nach Afghanistan, Pakistan und Indien bauen will. Ein Projekt, das Spötter mit Blick auf den Krieg am Hindukusch und wegen der Feindschaft zwischen Islamabad und Delhi als "dumm" bezeichnen. Und niemand weiß, ob Turkmenistan genug Gas für alle hat.
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Turkmenistan ist keine Facebook-Gesellschaft. Internet-Cafés gibt es erst seit kurzem. Aber man spürt eine neue Renitenz, eine wütende Offenheit und weniger Angst. Im Iranian Truckstop, einer Fernfahrerkneipe an der iranischen Grenze, hängen die Bilder der Herrscher aus Teheran und Aschgabad nebeneinander. Seufzend zeigt eine Besucherin auf Mahmud Ahmadinedschad: "Das ist endlich mal ein international respektierter Staatsmann. Unserer dagegen..."