Ägypten
Thomas Wach schrieb:
Zitat:Deine Position ist normativ die gerade archetypische Manifestation der westlichen Doppelmoral und des heuchlerischen Westler: Du ordnest das Schicksal eines Volkes, sein Recht auf Freiheit usw. nicht nur pauschal der Souveränität und der Sicherheitswahrnehmung (ja, Wahrnehmung!!!) eines anderen Volkes unter. Das allein ist selektiv und problematisch. Noch schlimmer wird es, wenn man in die ägyptische Binnenperspetive geht. Da plädierst du letztlich für Kollektiv- und Sippenhaft des ägyptischen Volkes...
Mal von deinen Vorwürfen abgesehen: Es noch alles recht fraglich und von Widersprüchen durchsetzt. Auch wenn 1 Mio. Ägypter demonstriert, so erscheint mir dies bei einem Land mit 80 Mio. Einwohnern, von denen ca. 50% unter 35 und rund 34% sogar unter 18 Jahren sind, auch nicht allzu viel (man könnte hier mit der Besiedelung des Landes argumentieren, aber fast 50% der Ägypter - also ca. 40 Mio. - leben in Städten, also genau dort, wo nach unserer Berichterstattung der Aufstand stattfindet). D. h. umgerechnet auf die Bevölkerung gehen wiederum wenige tatsächlich auf die Straße. Wir sehen hier bei uns nur immer Bilder von Demonstranten und meinen, "das" Volk will Mubarak weghaben. Aber ist das so? Man hört in Zwischensequenzen und auf Privataufnahmen oft einfache Leute (Taxifahrer, kleine Händler, Bauern), die einem Sturz Mubaraks wiederum nicht so spontan zustimmen würden und die selbst die Unruhen fürchten. Ich meine damit nicht die (vermutlich) gestellten Sympathiedemonstrationen.

Und dies ist zweischneidig (in Bezug auch auf meine eigene Argumentation), weil a) eine gewisse Mubarak-Sympathie meine Befürchtungen hinsichtlich einer Islamisierung durchaus widerlegen (beides passt ja eher schlecht zusammen), aber b) zugleich wird auch deutlich, dass nicht "das" Volk wie ein Mann den obersten Pharao absägen will. Und das wiederum ist für die Befürworter des Sturzes problematisch. Weil: Man stelle sich mal vor, wie dann diejenigen dastehen (auch hier im Forum), die vehement einen Sturz gutgeheißen haben, wenn die Masse der Ägypter den Sturz gar nicht möchte?

Insofern ist gut denkbar, dass die Revolte, die zumeist von jüngeren Menschen getragen wurde, dadurch zustande kam, dass es schlicht um soziale Sorgen ging – und tatsächlich sind die Perspektivlosen, die Frustrierten eine Mehrheit –, aber nicht um einen kompletten Systemwandel. Man muss also darauf achten, in einen Aufstand nicht sofort einen Wunsch nach Wandel hineinzuinterpretieren (was ich anfangs auch tat).

Und in der Tat scheint derzeit etwas der "Schwung" aus dem Aufstand herauszukommen...

Hierzu:
Zitat:Die Revolution in Ägypten legt eine Atempause ein

Kairo (Reuters) - Der Aufstand in Ägypten legt eine Atempause ein. Dabei ist der Streit über Präsident Husni Mubaraks Verbleib im Amt weiter ungelöst. Während der harte Kern der Demokratiebewegung am Montag auf dem Tahrir-Platz in Kairo ausharrte und auf größeren Zulauf zu den am Dienstag und Freitag geplanten Massenprotesten setzte, demonstrierte die Regierung Normalität: Sie verkürzte die ohnehin kaum beachtete Ausgangssperre um eine Stunde. Statt um 19.00 Uhr beginnt sie jetzt von 20.00 Uhr und dauert weiterhin bis 06.00 Uhr. Die USA rieten derweil zu einem vorsichtigen Übergang bei ihrem wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt, der jährlich 1,3 Milliarden Dollar US-Militärhilfe erhält.

Die zumeist jungen Demonstranten harren seit nunmehr 14 Tagen auf dem Tahrir-Platz im Herzen der Hauptstadt aus und wollen ihn erst nach dem Rücktritt Mubaraks räumen. Die Regierungsgegner widersetzten sich in der Nacht zum Montag erfolgreich einem Versuch der Armee, ihren Radius auf dem Platz einzuschränken. Die rund 2000 Menschen lehnten auch Gespräche mit der Regierung ab.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE7160A520110207">http://de.reuters.com/article/worldNews ... A520110207</a><!-- m -->

Bei 2.000 Demonstranten ist recht schlecht von einem Volksaufstand zu sprechen. Da rennen in Stuttgart mehr wegen ausgerissener Bäume herum...

Schneemann.
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