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Warum lieben viele Italiener Berlusconi?

Er hat Schwächen. Er umgeht Vorschriften. Er ist Chef von einem großen Harem. Dennoch ist vielen Italienern ihr Premierminister nicht peinlich. Von Roberto Saviano

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Ein interessanter Einblick, der offen die Zustände benennt die inoffiziell schon lange bekannt waren. Wobei ich die Endaussage am interessantesten finde. Das Italien einfach nur weiter ist als z.B. Deutschland.

Auf den ersten Blick schwer vorstellbar. Der kleingeistige, Obrigkeitshörige Deutsche der morgens seine Meinung über den ausländischen Abschaum in der Zeitung mit den großen Buchstaben bestätigt findet und abends beim Bier sich seine kulturelle Grundversorgung bei diversen Casting- und Panel-Shows holt. Die ganzen kleinen Alfreds und Friedhelms als Dauerbetrüger an der Gesellschaft?

Andererseits - wieso eigentlich nicht? Vielleicht wird der Deutsche nicht zum Italiener der das Austrickens des Systems als Sport ansieht, aber das Denkmuster "Ich nehme mir ohnehin nur das was mir zusteht, war ja lange genug anständig." ist meiner Meinung nach durchaus "Deutschentauglich". Zumal man es aus moralischer Sicht nicht einmal verurteilen kann. In einem Land in dem dreistellige Milliardenbeträge über Bankenrettungsschirm und Eurorettungsfonds an Banker verschenkt werden, aber nicht mal ein paar kleine Millionen für Schulobst zur Verfügung stehen fragt man sich schon wieso gerade der kleine Mann anständig bleiben soll. Oder in einem Land wo Hartz IV-Empfänger als Schmarotzer beschimpft werden, obwohl sie 40 Stunde die Woche arbeiten und trotzdem, dank fehlender Mindestlöhne, nicht genug für ein selbstständiges Leben verdienen. Wieso soll so jemand noch zuerst an die Gesellschaft und dann erst an sich denken? Wobei das schon höhere Rechtfertigungen wären. Der Durchschnittsdeutsche wird als Klein-Sarrazin einfach nur seine "legitimen Ansprüche" kreativ durchsetzen, bevor ihm "der faule Türke" zuvorkommt.

Sein wir ehrlich - moralisch gesehen ist der Boden für ein deutsches Italien schon lange bereitet. Und auch wenn wir eine andere Mentalität als die Italiener haben, dürfte es im Endergebnis keinen großen Unterschied zwischen dem italienischen Kleinganoven, der versucht andere zu übervorteilen und dem deutschen Kleinbürger geben, der sich nur das holt was ihm seiner Meinung nach sowieso zusteht. Und nicht nur beim Schönrechnen der Kilometerzahl zum Arbeitsplatz bei der Steuererklärung.
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