19.01.2011, 00:26
Zitat: Im Südlibanon hat die israelische Führung ganze 11 Jahre das Ende des libanesischen Bürgerkriegs verschlafen und weiterhin eigene Truppen und Hilfstruppen (SLA) unnötigerweise im schiitischen Südlibanon gehalten. Der Rückzug kam schlicht zu spät und war eben politisch nicht eingebettet in weitere Verhandlungsversuche. Die Israelis haben schlicht aus Eigenverschulden, durch die schlechte Behandlung der ursprünglich ganz und gar nicht antiisraelisch eingestellten schiitischen Bevölkerung des Südlibanon sich selbst den Feind herangezüchtet und dann eben diplomatisch und politisch den richtigen Zeitpunkt zum Rückzug, zum Exit, verschlafen. Man hat 11 Jahre das Ende des Bürgerkriegs verschlafen und so die Feindmusterwahrnehmung bei der Hizbollah unnötigerweise zementiert. Als Rache bzw. nun als überzogene Reaktion für die überzogen lange Okkupation der Israelis hat die Hizbollah nun weiter den Konflikt fortgeführt.Das die Israelis diese genannten elf Jahre im Südlibanon untätig geblieben sind, mag richtig sein, vielleicht hätte sie i. d. T. mehr tun sollen. Aber egal, es war eben so, wie es ist. Das man zudem einen Puffer zum damals noch instabilen Libanon aufrecht erhalten wollte, ist außerdem nachvollziehbar. Außerdem war man in Jerusalem nicht gleich geneigt, die Verbündeten der SLA in Stich zu lassen.
Bei Gaza ist es ähnlich. Hier hat man auch erst nach Jahren der zerstörten Hoffnungen und nicht in einem umfassenden politischen Prozess, sondern nach militärischer Gewalt und einem blutigen Aufstand, sich zurückgezogen. Zudem war das Timing völlig verheerend: Was blieb denn haften bei den politisch entscheidenden Kreisen der Hamas, des Dschihad oder der Fatah aus ihrer Sicht angesischts des Rückzugs?? Dass eben die beiden ersten Gruppierungen scheinbar "Recht hatten", dass Israel sich nämlich nicht in den relativ friedlichen 1990er Jahren im Zuge des Friedensprozesses sich zurückgezogen hat, sondern erst nach dem Blut, der Gewalt und den Opfern der zweiten Intifada. Da blieb dann bei den Führer der Hamas hängen, dass Gewalt und Widerstand gegen die Israelis doch das einzige Mittel gegen die Besatzung ist.
Gleichwohl aber waren die 90er Jahre auch nicht so „relativ friedlich“, wie du schreibst. Einige der schlimmsten und opferreichsten Terroranschläge in Israel (bspw. 1994 Busanschlag mit 22 Toten, 1995 Anschlag in Beit Lid mit 21 Toten, 1996 Busanschlag mit 26 Toten) sowie die 1. Intifada fallen in diese Zeit. Zudem gab es auch in den 90ern Gegenschläge der Israelis und zahlreiche gezielte Tötungen (Abu Jihad etwa). Grund zur Zuversicht auf eine schnelle Lösung bestand also in Israel nicht...
Zitat:Da war Scharons gute Absicht, der ich ehrlich gesagt auch gar nicht traue, ein Schuss in den Ofen, zumindest in der Form, zu der Zeit, in dieser Weise. Überdies glaube ich auch, dass Scharon keinen Friedenswillen demonstriert hat aus Einsicht oder Gutmütigkeit, sondern dass eben doch das Kalkül der Hamas mit Bezug auf den Widerstand aufging: Angesichts der paar Siedler in Gaza waren die Kosten und Opfer der Kämpfe schlicht zu hoch und so konnte die Hamas die Israelis per paläst. Selbstopferung aus Gaza herausekeln.Selbst wenn es so wäre, wäre dies eine ernüchternde Feststellung. Den übertragen aufs „große Ganze“ hieße dies, dass die arabische Seite erkannt hat, dass sie „Israel wo hinausekeln kann“ mit Terror. Was hieße das? Rein theoretisch hieße dies, dass die arabisch-palästinensische Seite nun annehmen müsste, dass sie letztlich mit Terror und Untergrundkampf Israel selbst schlagen kann, d. h. das Land hinfort ekeln könnte und deswegen jedwede Friedenbemühung nicht mehr ernst nehmen müsste. Und wenn dies stimmt, dann weiß man ja, was die Israelis vom Vertrauen in die Friedenbereitschaft des Gegenübers zu halten haben. Nämlich nichts mehr. Kurzum, die Theorie wäre verhängnisvoll, weil nämlich nur noch der Showdown bliebe...
Schneemann.