Türkei
Zitat:Das Osmanische Reich war damals an mehreren Fronten im Krieg und auf dem besten Weg unterzugehen...
Das sehe ich nicht ganz so. Wenn wir uns die Lage betrachten, so war sie für das Osmanische Reich nicht allzu schlecht. Zwar hatte es in der Tat schwere Rückschläge an der anatolischen Front im Winter 1914/15 (Schlacht nahe Sarıkamış) gegeben, aber diese bedrohten noch nicht das osmanische Staatswesen als solches. Darüber hinaus aber war die Lage recht überschaubar, bei den Dardanellen (Gallipoli) konnte man die Alliierten in Schach halten (außerdem begannen die Hauptkämpfe um die Dardanellen erst nach dem Beschluss zum Vorgehen gegen die Armenier) und in Mesopotamien waren bislang keine größeren Kampfhandlungen erfolgt (diese begannen erst ab Herbst 1915).

Insofern: Das die Lage nicht sonderlich rosig war, besonders in Anatolien, ist sicher richtig. Aber ums Überleben kämpfte das Osmanische Reich zu diesem genannten Zeitpunkt noch nicht. Dies erklärt auch zwei Faktoren: 1.) Man konnte eine relativ große Anzahl an Gendarmen und Armeeangehörigen für das Vorgehen gegen die Armenier freimachen (wäre die Kriegslage schlechter gewesen, hätte der Plan wegen der sicherlich schlechteren Personalverfügbarkeit zumindest nicht in der Intensität durchgeführt werden können); und 2.) ist es doch so, dass man sich mit den Armeniern auf eine Volksgruppe konzentrierte, die an dem einzigen Brennpunkt (nämlich in Anatolien) eine gewichtige Rolle spielte. Man konnte also einerseits an einem Brennpunkt "aktiv" werden und eine dort befindliche unliebsame Gruppe aus dem Weg räumen und zugleich einen strategischen Brennpunkt etwas stabilisieren.
Zitat:wonach der Angriff der Armenier mit den Russen gegen das eigene Volk sozusagen verübt wurde. Im südlichen Anatolien wurden die Armenier durch die französische Besatzungsmacht mit Kriegsmaterial bestens ausgerüstet.Was daraufhin folgte waren Gräueltaten auf Siedlungen , wo in der Zeit die meisten männlichen Einwohner im Gefecht an mehreren Fronten waren. Frauen und Kinder waren sozusagen zu jedem Übergriff schutzlos ausgeliefert.

Allein Im Provinz Van im Osten der Türkei kamen bei den Überfallen durch armenische Verbände mehr als 200.000 Zivilisten ums Leben.
Ich bestreite nicht, dass es auch Übergriffe und Verbrechen der Armenier und bewaffneter armenischer Gruppen gegenüber Türken gab. Gleichwohl allerdings konnte ich die Zahl von 200.000 türkischen Opfern jetzt nicht in meinen Büchern finden. Wie auch immer: Es hat diese armenischen Gewalttaten sicherlich auch gegeben, egal wieviele Opfer es nun gab, aber selbst dann könnte dies kein Argument sein, eine gesamte Bevölkerungsgruppe zu eliminieren. Vor allem, wenn man a) die armenischen bewaffneten Verbände im eigenen Heer bereits separat zusammengefasst hatte (ihnen also schnell habhaft werden könnte) und b) diejenigen bewaffneten und nichtregulären armenischen Gruppen mit einer Anti-Guerilla-Operation, die im Umfang und im logistischen Aufwand geringer wäre als die Deportation von 2 - 2,5 Millionen Menschen (wohlgemerkt, die Deporatationsabsichten, noch nicht der Mord, es dürften deutlich weniger als 1,5 Millionen Tote im Gesamtrahmen gewesen sein, wie oben geschrieben im vorhergegangenen Post), hätte schlagen können.

Insofern: Ein türkisches Vorgehen gegen bewaffnete armenische Gruppen wegen Übergriffen auf Türken, auch mit den (leider) immer bestehenden und vorkommenden Brutalitäten eines Guerilla-Krieges verbunden, wäre nachvollziehbar. Aber man konzentrierte sich nicht auf diese Gruppierungen (alleine), sondern deportierte quasi alle und ein ganzes Volk, Kinder, Frauen, Alte. Schlicht alles, was man an Menschen kriegen konnte, wurde entrechtet, deportiert und großteils auch ermordet. Und das ist eben der Knackpunkt, weswegen ich dazu neige, die Vorkommnisse als Genozid zu verstehen...

Schneemann.
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