Iranisches Atomprogramm
Meine Position kommt wohl hier doch der von Quintus und Kosmos am nähsten.
Es gehört ne mächtige Portion geschichtsvergessener Chavinismus dazu, von ein paar Turbanträgern zu reden, die sich uns gegenüber aufspielen wollen. Da halte ich mal ganz schnell dagegen, dass diese Turbanträger Jahrtausende auf die unzivilisierten Westler herunter blicken konnten. Es gab mal einen Werbespot, ich kenne leider den Kontext nicht mehr, aber da ging es um Rassismus und Vorurteile im weitesten Sinne. Und da ging es auch darum, dass wir, die ja auf andere herunterblicken, zu anderen Zeiten noch in den Busch *****, als die anderen schon zivilisiert waren. Wenn ich solche unüberlegten Zeilen immer lese, dann weiß ich, was die kritischen Feuilletonisten um Thomas Steinfeld mit westlichen Fundamentalisten meinten. Aus einer unüberlegten westlichen Sicht ist es einfach nur ein paar Turbanträger, die uns herausfordern. Aus ihrer Sicht sind wir ein homo novus, ein Emporkömmlinmg, der sich seit geraumer Zeit anmaßt, in ihrer Region den Dominator zu spielen.
Das mal grundsätzlich.

Ansonsten kann ich bezüglich der Ausführungen zum Kriegführen und zur Technologieverhinderung zu sagen, dass es mir da graut. Weißte, Nightwatch, es sind solche Aussagen, bei denen ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskomme. Zuerst glaubst du einschätzen zu können aus deiner Beton-Scheuklappen-pro-Israel Perspektive, was aus der Sicht für Iran rational sei und was nicht. Dann erklärst du einfach mal, Iran verhalte sich irrational, was du übrigens damit gleichsetzst, dem Westen gegenüber zu kuschen und sich der Hegemonie zu beugen. Und dann fängst du an in bester Ludendorf-totalitärem-totalem Krieg Gedöns, das man sicher nicht Demokratien, sondern primär totalitären Systemen zuordnet, am besten die "Auslöschung" des iranischen Staates als funktionierendes, fähiges Gemeinwesen um jeden Preis zu fordern. Solche aberwitzigen Kriegsphantasien, die auch noch betonen, dass man alle Kosten auch tragen wird und alle aberwitzigen Nebenfolgen, sind in Wahrheit die echten Auswüchse an Irrationalität. Denn Rationalität ist immer nur ein Zweck-Mittel-Verhältnis und Gesinnungsethik totalitärer Prägung verdient am aller ehesten das Verdikt "irrational".

Letztlich geht es um politische Kosten, denn Technologie, das Rad der Moderne und das Wachstum des Wissens kann man nicht mit Bomben einfach so vernichten. Da können nur materielle und politische Kosten hochgetrieben werden für die Iraner, die allerdings wie Quintus schon betonte, auch für uns schmerzliche Nebenfolgen haben können.
Eine Ausradierung der iranischen Möglichkeiten kann nur vonstatten gehen, wenn man wie die Nazis in Polen vorgeht: Man versucht, die gesamte Intelligenz auszuradieren und alle etwaigen Insfrastrukturen auszuradieren. Das wäre dann totaler Krieg und beinahe totale Vernichtung. Wenn du wie die Nazis agieren möchtest Nightwatch, dann bitte. Aber dann würde der Westen seine graumste Fratze zeigen und dies würde auf uns in der einen oder anderen Weise zurückfallen.

Dann noch ein paar Worte zum Iran und seiner Rolle. Wie gesagt, historisch hat Persien eine eminent wichtige Rolle. Überdie hat der Iran selbst seit geraumer Zeit keinen Angriffskrieg geführt, sondern wurde stattdessen angegriffen. Unterstützung für wahabitisch beeinflußte, mit Al Quaida liierte Al Shabab Milizen in Somalia halte ich für eine absichtlich verzerrte Fehldarstellung, die werden von Eritrea unterstützt (dass der Iran und Eritrea sich annähern, hat andere Gründe). Da haben saudische und sonstige golfarabische Quellen ganz andere Bedeutung. In Sachen Sponsoring von Terrorismus liegt also der Iran bestenfalls im Mittelfeld, da haben Saudi-Arabien, Pakistan, auch und gerade die USA auch sehr häufig schon ganz andere Impulse gesetzt. Zudem ist die angeblich aggressive Rolle des Irans auch zu kontextlos gedacht: Hier geht es vor allem um die jahrhundertelange Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten, wobei eben letztere schlicht in vielen Ländern politisch diskriminiert werden und unterdrückt werden. Da gäbe es so oder so ab nem bestimmten Zeitpunkt Potenzial für Konflikte, der Iran als schiitische Vormacht ist bestenfalls ein Katalysator, insbesondere, weil die schiitischen Araber auch nicht unbedingt den Iran als natürlichen Verbündeten bei jeder Gelegenheit akzeptieren würden. Da geht es also nicht um einen aggressiven Iran, sondern vor allem um einen neuen Akt in dem alten Stück Schia versus Sunniten. Hier geht es um den schiitischen Halbmond, der sich erhebt. Probleme gäbe es da so oder so unter bestimmten Konstellationen.

Also, man sollte sachlich und nüchtern bleiben. Eine iranische Atombombe ist kein Weltuntergang, will aber natürlich aus guten Gründen niemand im Westen. Was also ist entscheidend: Sowohl China als auch Russland mit bestimmten Zugeständnisse, gutem Zureden zu wirtschaftlichen Sanktionen zu bewegen. Man könnte auch mal so kreativ sein und sowohl Russland als auch China mal mit einer klaren Wahl konfrontieren: Entweder ihr zieht mit und wir begrenzen das ganze oder das ganze artet militärisch aus und das wird in der einen oder anderen Weise auch euch negativ treffen. Letztlich müsste man nicht nur mit Blick auf Iran, sondern auch gerade mit Blick auf den Sicherheitsrat viel mhr diplomatische Kleinarbeit betreiben.
Denn ein Krieg, wie gesagt, setzt unangenehme Eigendynamiken in Kraft und nur um ein paar rechte israelische und amerikanische Falken zu gefallen, möchte ich den Westen nicht vorschnell in einen verlustreichen Konflikt ziehen sehen.
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