Iran
Tiger schrieb:....
Erich - wenn ich dir einen Revolver schenken würde, würdest du ihn falls ein Aufruf zur Abgabe von Schusswaffen ergeht auch abgeben?
ich hab ihn gar nicht erst genommen :wink: so, wie Deutschland auf den Erwerb von Atomwaffen verzichtet hat - obwohl es zum Bombenbau problemlos in der Lage wäre -
aber ich versteh diejenigen, die sich einen Revolver beschaffen wollen, vor allem, wenn der Nachbar ständig droht, im Haus einzubrechen und die Familie zu verdreschen
:wink:
Tiger schrieb:Was du da schreibst klingt schön, ist aber undurchführbar.
Wer gibt schon gerne ein Macht- und Prestigeobjekt aus der Hand?
....

Warum haben sich denn bislang Staaten Atomwaffen zugelegt?
Weil sie sich bedroht fühlten und weil sie fürchteten das ihre konventionellen Kräfte sich als zu schwach erweisen würden.
Sogar die USA haben sich aus dieser Motivation heraus Atomwaffen zugelegt. Zu jenem Zeitpunkt, als sie diese entwickelten, kämpften sie nicht nur gegen die Wehrmacht und die japanischen Streitkräfte, sondern hatten bereits einen möglichen Krieg mit der Sowjetunion - deren Rote Armee gerade dabei war, Hitler halb Europa abzunehmen - im Auge.
Ähnlich war es bei der Sowjetunion, China, Israel, Nordkorea, Pakistan...
....

Ich bin ziemlich überzeugt davon, das aus dem gleichen Grund der Iran nach Atomwaffen strebt.
Die iranischen Streitkräfte sind nicht gerade gut, und man war so dumm sich mit Israel und den USA zwei Staaten mit starkem Militär zum Feind zu machen. Die Aufrüstungen der arabischen Staaten am Persischen Golf verbessern die Lage auch nicht gerade.
Genau das ist doch die Lage, die sich seit dem Irak-Einmarsch noch mal deutlicher zeigt:
Ein Staat mit Atomwaffen (Nordkorea) ist faktisch unangreifbar, ein Staat ohne Atomwaffen (Irak) ist es nicht. Die Atombombe ist die ultimative Vergeltungswaffe gegen einen Angriff und damit der höchstmögliche Schutz.

Solange nun Atomwaffenstaaten in kriegerischer Rhetorik schwelgen wird es immer Staaten geben, die sich bedroht fühlen und daher ein entsprechendes Potential aufbauen möchten. (Es ist doch kein Geheimnis, dass auch der Iran heftig bedroht wird. Und ich habe manchmal den Eindruck, das ist weniger wegen des Atomprogrammes des Landes sondern weil hier eine unbotmäßige Regierung an der Macht ist, die sich eben nicht den Wünschen der Großmacht von jenseits des Atlantiks beugt.)

Schauen wir uns doch die bekannten Atomwaffenbesitzer an (Israel nehme ich aus, weil der Staat den Besitz nie offiziell zugegeben hat):
Pakistan ist unter diesen Atomwaffenbesitzern so ziemlich das instabilste Staatsgebilde. Pakistan begründet nun seine Atomwaffen mit der indischen Bombe, Indien begründet seine Atomwaffen mit der chinesischen Bombe usw. usw. usw.
wir werden also - solange es Atomwaffen gibt - immer einen Staat haben, der mit der Begründung "die anderen" seine eigenen Bomben rechtfertigt.

Was also sollen wir tun? Zuschauen, dass und wie immer mehr Staaten in den Besitz der Atomwaffen geraten?
Immerhin - das wäre ein Denkansatz: schließlich hat die gegenseitige Bedrohung mit "absoluter Vernichtung" im "kalten Krieg" verhindert, dass ein heißer Konflikt entstanden ist. Das "Gleichgewicht des Schreckens" hat in Europa die längste Friedensperiode der Geschichte bewirkt.

Das Problem daran ist, dass mit der weiteren Verbreitung - die aufgrund dieser Logik zwangsläufig wäre - das Risiko eines atomaren Konflikts immer mehr zunimmt. Das muß nicht einmal "der Verrückte" sein, der unzurechnungsfähig einen solchen Krieg provoziert. Die unbeabsichtigte Auslösung einer atomaren Katastrophe wird immer wahrscheinlicher, je mehr Fehlerquellen bestehen.

Die Atomwaffenstaaten haben nun nicht umsonst im Atomwaffensperrvertrag eine Verpflichtung auf sich genommen - nämlich, mit dem Ziel der Abschaffung dieser Waffen zu verhandeln. Diese Verpflichtung (die bisher nicht einghalten wurde) ist das Gegenversprechen für die "Habenichtse", selbst auf solche Atomwaffen zu verzichten.
Wenn die Atomwaffenstaaten - die ja ohnehin als Vetomächte im UN-Sicherheitsrat schon priveligiert sind - diese Verpflichtung nicht einhalten, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass der "Nichtverbreitungsvertrag" immer löchriger wird.
Eine Vereinbarung, ein Vertrag, verpflichtet nun mal alle Beteiligten.

Im Endeffekt haben wir also nur zwei Optionen:
entweder die Atomwaffen komplett abzuschaffen
oder die Weiterverbreitung sehenden Auges in Kauf zu nehmen
(Technologie, noch dazu militärische Technologie, hat sich noch nie begrenzen lassen).
Bei dieser letzten Variante wäre allenfalls noch eine "Eindämmung" auf einen "Club führender Regionalmächte" möglich, also ähnlich wie in Europa, wo GB und F als einzige europäische Staaten über diese Waffensysteme verfügen und damit auch ein gewisses Abschreckungspotential für die anderen europäischen Staaten aufrecht erhalten.
Im Endeffekt läuft vieles in einer solchen Tendenz:
Bei Indien ist der Atomwaffenbesitz auf relativ wenig Protest der Weltgemeinschaft gestoßen, ich könnte mir vorstellen, dass auch Brasilien so in eine Rolle als Atomwaffenstaat schlüpfen könne.

Und damit kommen wir zurück zum Iran:
Wäre der Iran - eine klassische Regionalmacht, deren Vorgängerstaaten schon in der Antike "Weltgeschichte" schrieben und mit dem "Römischen Reich" konkurrierten - ein Staat, der in eine solche Rolle als "regionale Führungsmacht" schlüpfen könnte?

Immerhin hat der Iran mit Pakistan einen Atomwaffenstaat benachbart, und von Pakistan aus wird das iranischstämmige Volk der Belutschen in seinen Anstrengungen um Autonomie gefördert.
Es gibt sogar Gerüchte, die Bush-Regierung habe solche Bestrebungen unterstützt, um Teheran zu schwächen.
Die Begründung "die anderen haben aber" lässt sich also für den Iran gegenüber der pakistanischen Bombe durchaus auch anführen.

Und Iran ist ein alter Nationalstaat, der ethnisch, kulturell und sprachlich, militärisch und wirtschaftlich, das Potential hätte, die Region über Afghanistan bis nach Tadschikistan zu dominieren.
Iran ist sozusagen der "natürliche Gegenpol" zu den arabischen Staaten (und war das im Übrigen seit den Zeiten der Babylonier immer wieder) und auch zu den türkischen Staaten im Norden.
Sobald es eine arabische oder kasachische oder usbekische Bombe gibt wird niemand mehr dem Iran die Beschaffung einer eigenen Bombe absprechen können.

Und ich gehe jetzt einfach von der regionalen Vormacht aus - nicht von irgendwelchen Regierungen oder politischen Strömungen. Regierungen können sich ändern, können wechseln. Die Stellung eines Landes in seiner Region ist dagegen wesentlich konstanter. Wirtschaftskraft und gewachsene historische Gemeinsamkeiten und Beziehungen überdauern einen Regierungswechsel.

Unter dem Schah (der nun auch ein autoritärer Diktator und kein demokratischer Herrscher war) haben die USA die Iranische Atomenergiepolitik angestoßen.
Jetzt - weil eine den USA reserviert gegenüberstehende Regierung im Iran herrscht - ist das iranische Atomprogramm plötzlich die größte Bedrohung des Weltfriedens.
Wäre das auch so, wenn es eine US-freundliche Regierung gäbe?

Die Frage, die sich also stellt, ist:
wenn wir zunehmend die Verbreitung der Atomwaffen auf regionale Führungsmächte tolerieren, können wir dann auch dem Iran eine Stellung als regionale Führungsmacht zugestehen?
Und wenn wir den Iran als regionale Führungsmacht akzeptieren - braucht der Iran dann noch Atomwaffen als ultimatives Abschreckungspotential?
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