14.09.2009, 20:48
Ingenieur schrieb:
Ferner: Man darf nicht vergessen, dass Russland immer wieder in verschiedenen Phasen vom Westen maßgeblich mit aufgebaut wurde. Peter der Große machte den Anfang und brachte erste moderne Elemente in die russische Gesellschaft ein, die er sich zuvor im Westen abgeschaut hatte (u. a. Schiffbau, Schulwesenreform, Kleidungsstil, etc.). Russland blieb nichtsdestotrotz das rückständigste Land in Europa, obwohl Briten, Deutsche, Holländer, Franzosen und teils auch Amerikaner investierten und Hochöfen, Eisenbahnlinien, Telegraphie, Werften (etwa am Schwarzen Meer), Nähereien, Straßen und Kraftwerke lieferten und bauten. Doch trotz dieser Energie aus dem Ausland blieb Russland immer noch ein Land, dass Ende des 19. Jhd. immer noch fast 22 Mio. Leibeigene kannte und wirtschaftlich eher schlecht im Vgl. zu anderen westlichen Staaten abschnitt. Und die berühmte Transsibirische Eisenbahn, das Jahrhundertbauwerk Russlands? Wurde von Belgiern und Franzosen hauptsächlich finanziert und von Italienern und Koreanern gebaut. Nur etwa 30% der Arbeiter stammte aus Russland selbst.
Und man darf auch nicht vergessen, dass Peter der Große, als er eine erste russische Kamtschatka-Expedition losschicken wollte, fast verzweifelte, weil er keinen fähigen Russen fand. Und wen nahm er schließlich als Expeditionsleiter? Vitus Bering, einen geborenen Dänen, nach dem heute noch die Beringstraße benannt ist. An der Petersburger Akademie der Wissenschaften lehrten damals mehr Ausländer als Russen, darunter auch viele Deutsche.
Und unter den Sowjets wurde die russische Gesellschaft endgültig „verblödet“, ja gleichgeschaltet. 1927 zählten etwa 68 Prozent der Menschen in der Sowjetunion zum Arbeiterproletariat (wohlgemerkt: nach Sowjetdefinition), im Jahre 1931 waren es bereits 87,4 Prozent (Quelle: MEISSNER, Boris: Der soziale Strukturwandel im bolschewistischen Russland. In: Sowjetgesellschaft im Wandel. Russlands Weg zur Industriegesellschaft. Hrsg. von MEISSNER, Boris. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1966, S. 38f.). Im gleichen Jahr war auch die Zahl der Studenten in der UdSSR um 26 Prozent zurückgegangen (Ebd.), was nicht gerade ein Erfolgszeichen sein dürfte.
Und selbst in späteren Jahren gelang Russland der eine oder andere Überraschungsclou auch nicht von selbst. Egal ob die Atombombe 1949 (Verrat der Rosenbergs), MiG-15 (deutsche Techniker), „Sputnik“ (deutsche Techniker) oder die Tu-4 (Nachbau einer notgelandeten amerikanischen B-29). Insofern würde ich mit den Vergleichen zu westlichen Staaten etwas vorsichtiger sein.
Schneemann.
Zitat: Ein Russe muss sich hier nicht rechtfertigen.Auch ein Russe sollte sich aber zumindest mal etwas erklären (können), so wie jeder andere dies auch tun sollte, wenn er behauptet, er sei stolz auf sein Land, nur weil er dort geboren wurde.
Zitat:Es genügt nur ein kurzer Blick in das Geschichtsbuch oder ein kurzer Blick in die klassische Musik, Mathematik, Physik oder Ingenieurwissenschaften um zu erkennen, dass dieses Land einiges hervorgebracht hat, was die Menschheit weiter gebracht hat und keinen Vergleich mit großen westeuropäischen Staaten scheuen braucht.Ja und Nein. Sicherlich gibt es herausragende russische Intellektuelle oder Wissenschaftler. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass das Sowjetsystem – und ich denke, dass ist ein zentraler Kritikbaustein hier – eine recht „spezielle“ Auffassung der Wissenschaftsförderung hatte, die sich auf militärische Aspekte, die Schwerindustrie und Agrartechniken konzentrierte (die aber auch so ideologisch verbrämte Spinner wie Lysenko hervorbrachte). In Sachen Medizin, Infrastruktur, Gesellschaft, etc. blieb man auf der Stufe eines Entwicklungslandes, ja, man konnte den eigenen Bürgern nicht mal einen gescheiten Kühlschrank anbieten. Des weiteren darf man auch nicht vergessen, dass viele bekannte russische Intellektuelle (besonders Schriftsteller) im eigenen Land teils nicht angesehen waren, ja als Dissidenten betrachtet wurden, nur weil diese – die den Überblick noch hatten – das Sowjetsystem zu kritisieren gewagt hatten. Und wenn z. B. Jelzin, wo er einmal am Herzen operiert werden musste, darüber sich Gedanken macht, sich lieber im Westen behandeln zu lassen, so erlaubt dies ein Einblick in ein zutiefst marodes Gesundheitssystem. Wenn selbst die oberste Führung ins Ausland geht, um sich behandeln zu lassen, würde ich mir Gedanken machen...
Ferner: Man darf nicht vergessen, dass Russland immer wieder in verschiedenen Phasen vom Westen maßgeblich mit aufgebaut wurde. Peter der Große machte den Anfang und brachte erste moderne Elemente in die russische Gesellschaft ein, die er sich zuvor im Westen abgeschaut hatte (u. a. Schiffbau, Schulwesenreform, Kleidungsstil, etc.). Russland blieb nichtsdestotrotz das rückständigste Land in Europa, obwohl Briten, Deutsche, Holländer, Franzosen und teils auch Amerikaner investierten und Hochöfen, Eisenbahnlinien, Telegraphie, Werften (etwa am Schwarzen Meer), Nähereien, Straßen und Kraftwerke lieferten und bauten. Doch trotz dieser Energie aus dem Ausland blieb Russland immer noch ein Land, dass Ende des 19. Jhd. immer noch fast 22 Mio. Leibeigene kannte und wirtschaftlich eher schlecht im Vgl. zu anderen westlichen Staaten abschnitt. Und die berühmte Transsibirische Eisenbahn, das Jahrhundertbauwerk Russlands? Wurde von Belgiern und Franzosen hauptsächlich finanziert und von Italienern und Koreanern gebaut. Nur etwa 30% der Arbeiter stammte aus Russland selbst.
Und man darf auch nicht vergessen, dass Peter der Große, als er eine erste russische Kamtschatka-Expedition losschicken wollte, fast verzweifelte, weil er keinen fähigen Russen fand. Und wen nahm er schließlich als Expeditionsleiter? Vitus Bering, einen geborenen Dänen, nach dem heute noch die Beringstraße benannt ist. An der Petersburger Akademie der Wissenschaften lehrten damals mehr Ausländer als Russen, darunter auch viele Deutsche.
Und unter den Sowjets wurde die russische Gesellschaft endgültig „verblödet“, ja gleichgeschaltet. 1927 zählten etwa 68 Prozent der Menschen in der Sowjetunion zum Arbeiterproletariat (wohlgemerkt: nach Sowjetdefinition), im Jahre 1931 waren es bereits 87,4 Prozent (Quelle: MEISSNER, Boris: Der soziale Strukturwandel im bolschewistischen Russland. In: Sowjetgesellschaft im Wandel. Russlands Weg zur Industriegesellschaft. Hrsg. von MEISSNER, Boris. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1966, S. 38f.). Im gleichen Jahr war auch die Zahl der Studenten in der UdSSR um 26 Prozent zurückgegangen (Ebd.), was nicht gerade ein Erfolgszeichen sein dürfte.
Und selbst in späteren Jahren gelang Russland der eine oder andere Überraschungsclou auch nicht von selbst. Egal ob die Atombombe 1949 (Verrat der Rosenbergs), MiG-15 (deutsche Techniker), „Sputnik“ (deutsche Techniker) oder die Tu-4 (Nachbau einer notgelandeten amerikanischen B-29). Insofern würde ich mit den Vergleichen zu westlichen Staaten etwas vorsichtiger sein.
Zitat:Und dass die Russen es nach dem traumatischen 20. Jahrhundert zu einem halbwegs nicht allzu blutigen Systemwechsel gebracht haben ist gerade aus deutscher Sicht mit Respekt anzuerkennen, wenn man sich an unseren Systemwechsel zur Demokratie 1918/19 erinnert.Systemwechsel? Welcher Systemwechsel? Jelzin war ein Chaot und der KGB-Mann Putin ist sein Thronfolger, der heute wieder seine Machtübernahme plant, und die Wahlen kann man auch nicht als frei ansehen. Das ist kein Systemwechsel, ich bitte dich. Allenfalls eine Farce eines solchen.
Schneemann.