Raketenabwehrschilde
Wir sollten uns mal nicht so weit weg vom Thema entfernen. Klar, die machtpolitische Struktur der Welt und die Frage, wie stark die USA überhaupt noch sind, sind interessant, aber nicht unbedingt direkt Thema.
Allerdings, wenn wir hier schon thematisch bunt durcheinander wirbeln, mal ein paar mehr oder minder kurze Einordnungen und Kommentare:

(1) Die machtpolitische und geopolitische Struktur der Welt
Die Welt kannte schon immer Imperien und einige Teile der Welt waren durchaus auch mehr oder minder durchweg von solchen imperialen Kolossen bestimmt worden. Allerdings halte ich die These für etwas gewagt, dass zukünftig die Welt von einer Art Direktorium der großeren Imperien beherrscht werden. Historisch war nämlich der direkte Kontakt und die Auseinandersetzung von Imperien nicht die Regel, im Gegenteil, gerade die Herausbildung eines Imperiums, die Stellung einer Hegemonialmacht gegen andere, sagen wir mal ambitionierte oder Mittelmächte, war entscheidend für das Schicksal einer Region. Und gerade Europa kennt historisch sicherlich nicht nur die Konkordanz der Imperien, sondern den Wettbewerb der mittleren und sonstigen Mächte um die Hegemonie. Und selbst heute kann man angesichts der Globalisierung nicht nur das Zusammenwirken der vermeintlichen Imperien als Notwendigkeit behaupten, man kann genauso gut angesichts von Fragmentierung, wirtschaftlicher Beschleunigung, Staatszerfall usw. gerade die Wirkung nichtstaatlicher Akteure oder auch die Bedeutung der unzähligen Mittelmächte betonen, weil schlicht auch "Imperien" heute innere Stärkung und Reichweite fehlt, um global zu wirken. Aber ich werde Erichs Konzept sicherlich noch später umfassender mal bearbeiten...

(2) Polen als ostmitteleuropäische Macht
Auch hier würde ich gerne weiterhin weder für schwarz, noch für weiß, sondern für "grau" argumentieren. Polen hat historisch schon nie sich auf Verbündete verlassen können, um andere hervorpreschende Staaten und Reiche zu bekämpfen. Das gilt gerade auch für Russland. Ob nun die USA bei Polen steht oder nicht, Polen wird immer seine Position gegenüber Russland zu vertreten wissen und dies versuchen. Dazu braucht man auch nicht unbedingt die EU, die als handelnder Akteur nunmal aufgrund der eigenen Zerrissenheit viel zu oft ausfällt und eben nur ein starker wirtschaftlicher Rahmen, aber eben kein außenpoliticher Handlungsrahmen ist. Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, mit Schweden, mit den Balten usw., auch mit der der Ukraine entsprechende machtpolitische Blockadepositionen aufzubauen, die ein immer noch wankendes Russland nicht ohne Weiteres ignorieren kann. Und dann kann man je nach Lage auch mit Frankreich oder Großbritannien Politik machen, alles in allem also steht Polen auch ohne eine sowieso nicht existente amerikanische Präferenz für Polen nicht völlig isoliert gegenüber Moskau da und ist eben auch nicht nur auf den schwere, bürokratischen und stetig uneinigen Apparat der Eu angewiesen stets und ständig.

(3) Die polnisch-amerikanische Freundschaft..
... war schon immer etwas einseitig. Viele polnische Kommentaren kritsierten die fehlende Wertschätzung für Polen doch schon seit Jahren, beispielswiese anläßlich einer Einführung der Visumspflicht für die osteuropäischen Staaten, von der Polen trotz einer Kommandozone im Irak und später einer Provinzkommandantur in Afghanistan nicht verschont wurde. Zudem waren die Basen auch in Polen nicht völlig umstritten und auch bezüglich der Einschätzung der Gefährlichkeit der iranischen Raketen teilte man in Polen nie ganz die Alarmiertheit aus den USA oder Israel. Aus meiner Sicht wäre das ganze sogar ein gewisser Gewinn für Polen, sofern man die USA dazu bewegen würde, die in den anhänglichen Zusatzprotokollen zur Stationierung der Raketen vorgesehen amerikanischen Versprechen zu erfüllen. Da hieß es aber bislang, dass sich die Stationierung der ersten Patriot-Batterie weiter verzögert, wobei ich noch nichts gefunden habe, dass sie endgültig storniert wird. Überdies ging es da ja noch um günstige Erwerbsbedingungen für weitere Patriot-Batterien und zusätzliche F-16.
Wenn die Polen doch nocht kriegt, auch ohne Basis, wäre das ganze sicher mit etwas Realitätssinn kein Verlust für Polen. Sollten sich die USA aber auch allen Zusagen herauswinden, dürfte sich das doch als Gesichtsverlust für die USA bei Polen, in Ostmitteleuropa und auch in Sachen Glaubwürdigkeit bei anderen Verbündeten erweisen.

(4) Die Bedeutung der BMD...
wird hier bei einigen maßlos überschätzt. Bestenfalls mit ner großen Portion GLAUBEN wird man davon ausgehen, dass diese Abfangraketen tatsächlich effektiv zum Schutz vor ballistischen Raketenangriffen dienen würden. Sobald ein Gegner ein MIRVs einsetzt, ist das System sowieso am Ende seiner Kapazitäten, ebenso wenn ein Gegner mehr als eine Handvoll Raketen aufbieten kann, schlicht weil die Trefferwahrscheinlichkeit eines kill vehicels als recht niedrig datiert wird.
Als Komponente einer mehrgliedrigen Raketenabwehr mag das System vielleicht wirlich einsatztechnisch begrenzt Sinn machen, aber für sich genommen ist das ganze wenig mehr als propagandistische Abschreckung und für eben diese will Obama eben seine Dollars nicht mehr ausgeben - eine durchaus verständliche Entscheidung in der heutigen Zeit.
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