Israel-Palästina
Thomas Wach schrieb:
Zitat: Ich bitte dich Schneemann, du kannst doch nicht im Ernst dieses israelische "Undankbarkeitsargument" hier bringen. Die israelische und durch und durch selbst referentielle Position, dass die "substanziellen" Zugeständnisse Israels nur kontraproduktiv waren für Israel und sich nicht ausgezahlt haben, ist doch nur die akteursspezifische, unreflektierte Sicht der Dinge, die nur eine Seite der Medaille ist.
Das denke ich nicht. Zumeist war es doch leider so, dass wenn ein israelischer Rückzug erfolgte, es meistens keine friedliche Entwicklung seitens radikaler Kräfte gab. Und wenn die Israelis dann wieder zurückschlugen – egal ob nun verhältnismäßig oder nicht –, wurde das Siedlungsargument angeführt als Begründung für die Anschläge. Das aber zuvor ein Rückzug stattgefunden hatte, welcher eklatant missbraucht wurde, wurde meistens ausgeblendet.
Zitat: Selbst Hobbes, der in seinem Leviathan per se die Skizze für einen durchaus totalitären Staat lieferte, sah das Widerstandsrecht der Bürger vor für den Fall, dass der Leviathan sich am Eigentum der Bürger vergriff. Und wie sollte man da aus westlicher Sicht am Widerstandsrecht der Palästinenser grundlegend zweifeln, wenn sich der "israelische Leviathan" immer weiter in das Land der Palästinenser frisst?
Naja. Dass die Palästinenser auf die Barrikaden gehen, ist teils verständlich. Nur darf man nicht vergessen, dass Israel lange Zeit nun wirklich nicht in der Rolle des Leviathans war, sondern wohl eher in der Rolle des Davids kämpfte, so 1948, 1967 und auch noch 1973. Erst in den 80er Jahren, etwa seit dem Libanon-Krieg 1982, begann die israelische Armee wirklich auch überlegen zu sein und zu werden, hauptsächlich in technischer Hinsicht. Davor spielte zahlenmäßige Übermacht aber keine Rolle, von einem Leviathan konnte also keine Rede sein, im Gegenteil, es waren die arabischen Nachbarn, die stark zahlenmäßig überlegen waren und mit Panzermassen aus sowjetischer Produktion angerückt kamen. Und dadurch, dass Israel selbst diese Kriege gewinnen konnte, rückte es auch erst in die Rolle einer Macht, die sich mit einem asymmetrisch agierenden Gegner auseinandersetzen musste. Hätten die Araber nicht mehrere Male versucht, den David ins Meer zu werfen, gäbe es heute auch keine Palästinenser, die von einem „Leviathan“ gefressen werden würden (was sie ja auch nicht wirklich werden), zumindest nicht in dem Umfang wie heute.
Zitat: Bis auf ein paar Städte ist die palästinensische Verwaltung ein bloßer lebloser Schatten und im Dienste der Okkupationsmacht.
Mag sein, aber man sieht ja, dass die palästinensischen Behörden nicht einmal die paar Orte selbst richtig verwaltet können, und das liegt nicht an Barrikaden oder Sperren oder sonst was, sondern eher an teils grassierender Korruption und anderer Chaoswirtschaft. Auch könnte man davon ausgehen, dass viele der selbstständigen Orte ein Opfer radikaler Gruppen würden. Und dies wiederum würde wieder Konflikte und neue Probleme mit sich bringen. Ein Rückzug aus dem Westjordanland wäre insofern auch deshalb (derzeit) ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn es vor diesem Hintergrund zu einem Ausgleich kommen soll.
Zitat: Grundsätzliches Problem ist dabei und da sind Nightwatch und leider auch zum Teil deine Posts gute Illustrierung, dass viele Kreise in Israel (und deren Freunde im Westen) die Problemdimension des Konflikts verkennen. Es geht nicht grundsätzlich um die Sicherheit Israels, es geht strukturell um die Versöhnung zweier Völker, bei dem eben das eine asymmetrisch schlechter gestellt ist und das sind nunmal die Palästinenser.
Richtig, es geht um die Versöhnung zweier Völker. Aber weißt du: Viele Israelis und auch Palästinenser wollen das sogar, zumindest sagen es viele und man kann dies häufig auch hören, wenn man die Leute alleine auf der Straße anspricht. Nur gibt es Leute im Ausland, die das partout nicht wollen, die Israel am liebsten von der Landkarte gefegt sehen möchten. Und diese werden einen Ausgleich nicht zulassen, sei es durch die Fütterung der palästinensischen Radikalen einerseits, sei es durch das Aufzeigen von Schwächen Israels durch z. B. Anschläge andererseits, was dann wieder israelische Wähler in die Hände von eigenen Hardlinern à la Lieberman (der ja eigentlich nicht mal Israeli ist) treibt. Und dann ist der Ausgleich mal wieder weiter weg denn je. Kurz: Solange Leute wie von der Hisbollah oder auch iranische Politiker ihre Finger im Spiel haben, wird es keinen Frieden geben. Und ja, leider zu Ungunsten der Palästinenser.

Schneemann.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Israel-Palästina - von Helios - 23.05.2004, 14:06
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 11.05.2021, 23:01
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 12.05.2021, 10:55
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 13.05.2021, 19:45
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 15.05.2021, 15:36
RE: Israel-Palästina - von Schneemann - 07.08.2022, 08:44

Gehe zu: