Israel-Palästina
Zitat:Naja, sagen wir so: Es ist zum Kotzen, ja. Aber auch nachvollziehbar – und sogar militärisch halbwegs de facto akzeptabel. Zwar sträuben sich einem zunächst die Haare, aber es waren leider einwandfreie und legitime Ziele, bzw. der Gegner hat sie zu legitimen Zielen gemacht, in dem er sie genutzt hat als Operationsbasen oder Waffenlager. Und wie bereits von mir geschrieben: In Schulungen bei der Bundeswehr – und ich war in einer Artillerieeinheit – wurde in solchen Fällen, d. h. wenn der Feind die im Grunde schützenswerten Ziele als Operationszentren zur Schädigung des eigenen Truppenkörpers nutzt, auch der Beschuss solcher Ziele als Option eindeutig erlaubt eingestuft, bzw. waren auch rechtlich einwandfrei. Insofern haben sich die Israelis – jetzt einmal in reiner (und damit auch steriler und theoretischer) militärischer Logik gedacht – nicht falsch verhalten

Es wurde auch deutlich von israelischer Seite ausgesagt, dass man sich im Krieg befindet und nicht in einer Polizeiaktion. Daraus ergibt sich auch die Vorgehensweise "heavy" vorzugehen und stets und stetig das Leben der Soldaten vor das Leben potentieller Zivilisten zu stellen. Das ist, wie du richtig schreibst, theoretisch legitime militärische Logik. Damit ist rein theoretisch - dieser Logik folgend - auch eine UN-Schule ein potentielles militärisches Ziel und tote Zivilisten Kollateralschaden und dazu noch legitim.
Das ist aber nur die graue Theorie, die zudem geschrieben, gedacht und entworfen wurde für den militärischen Kampf zweier durchorganisierter und gleichartiger Armeen in Europa im 19. und dann auch 20. Jahrhundert.
Wir haben hier aber weder zwei Armeen, noch zwei Staaten (im europäischen Sinne des Wortes, also als durchrationalisierte Gebilde im Sinne Max Webers), sondern eine ungleichartige Kampfsituation zwischen einem Staat inklusive ressourcenstarker Armee und einem sozial-politischen Gebilde, das in einem staatsfreien, mehr oder minder anarchischen Raum operiert und als bewaffneten Arm als Bande, Gang oder Miliz angesehen werden muss. Das ist der theoretische Einwand, der die reine Gültigkeit der militärischen Handlungslogik in Zweifel zieht.

Ganz praktisch muss man nun erstens einwenden, dass zumindest in einem Fall der Angriff wohl aus nächster Nähe, nicht aber direkt von dem Gebäude selbst kam und hier die Israelis wohl mehr oder minder unpräzise zurückgeschossen haben. Zweitens muss man einwenden, dass das Schlachtfeld eben kein militärischer Handlungsraum ist (wie sonst, wo auch räumlich Kombatanten und Nicht-Kombatanten getrennt werden sollen), sondern eben ein soziales und ziviles und dies eben aufgrund der Einschließung der Zivilisten in Gaza. Das Flüchten der Zivilisten war und ist (oder sollte sein) eine Norm, die die militärische Verfügbarkeit des Schlachtfelder sicher stellt. Hier aber ist die Zivilbevölkerung auf engsten Raum gefangen. Drittens muss man aus dem theoretischen Einwand und den praktischen Einwänden eins und zwei heraus einwenden, dass diese sozialen und zivilen Plätze (wenn überhaupt) dann nur kurzfristig und zweitweise einer pseudomilitärischen/semimilitärischen Verwendung durch "Kämpfer" zugeführt wurden, die eben nicht dazu führte, dass diese Einrichtungen nachhaltig, dauerhaft und "organisiert" als militärischer Raum und militärische Ziele anzusehen sind. Viel mehr waren sie kurzzeitig von dualem Nutzen (wie gesagt, wenn überhaupt). Die Trennung, die man nach der Theorie aus Europa kannte, gibt es eben hier nicht und ich zweifle daran, dass die bewusste Behauptung dieser Trennung und Anwendung dieser Theorie auf den neuen Kontext immer so gelungen ist.

Zitat:Die einzige Möglichkeit, wie man solche tragischen Zwischenfälle unterbinden könnte, wäre, wenn man auch von der Seite der UN aus jedwede Möglichkeit unterbindet, dass die jeweilige bewaffnete Gruppierung/Macht in den Einflussbereich solcher Objekte kommt.
Theoretisch nett, realiter in diesem Gebiet unter den jetzigen Umständen sicherlich etwas schwieirig zu bewerkstelligen ohne UN-Truppen.


Zitat:Ansonsten wird es auch in Zukunft ab und an krachen. Kurz: Man ist als Militär am besten beraten, wenn man schaut, wo der Feind sitzt, dass Objekt zusammenhaut und dann – wenn es wieder mal einen Protest gibt – im Büßergewand vor die Presse tritt und sich entschuldigt, aber das eigene Verhalten auch in Zukunft nicht ändern wird.
Wenn ich da mal in Sachen Zynismus fortfahren darf: Die in Deutschland bekannte Maxime,"Soldaten sind Mörder", wird wohl auch im Westen dann wieder neue Bedeutung erhalten. Letztlich halte ich das aber für kein gutes Vorgehen. Rein militärisch mag es aus dieser selbstreferentiellen Logik Sinn machen, aber ich zweifle daran, dass Militär in solchen Umständen sowieso die beste Lösung ist.

Zitat:Fragt sich, wer jetzt schuld ist, wenn erneut Unschuldige sterben. Wenn der Hamas was an ihren Leuten liegt, würde sie unverzüglich einer – zumindest – längeren Kampfpause zustimmen...
Ich kann nur betonen, dass man eben bei beiden Seiten auf die faktischen Befindlichkeiten achtet. In der Zeit war letzte Woche ein interessanter Beitrag, der über eine paläst. Selbstmörderin und ihre Motive Auskunft gab. Da merkt man, das (leider) nach 40 Jahren Besatzung eben die Motive und Prioritäten der radikaleren, politisierteren Palästinenser nicht unbedingt darin liegen, zu überleben. Man hat andere Ziele und ist aufgrund der durch die Umstände produzierten Gesinnungstehik und ideologischen Verblendung und Ausrichtung auf ganz andere Ziele aus. Das ist eben die Prägung in den Denk- und Sichtweise.
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Israel-Palästina - von Helios - 23.05.2004, 14:06
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 11.05.2021, 23:01
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 12.05.2021, 10:55
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 13.05.2021, 19:45
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 15.05.2021, 15:36
RE: Israel-Palästina - von Schneemann - 07.08.2022, 08:44

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