03.10.2007, 13:41
Erich, das Themengebiet, dass du hier thematisieren willst, gäbe genügend Stoff ab für ne Aufsatzsammlung und ein ganzes Buch (bzw. ne Dissertation...
).
Aber mal so kurz wie möglich ein paar Gedanken:
Ich denke, dass wir aufpassen müssen mit bestimmten Begriffen. Modernität und konservative Einstellungen müssen nicht unbedingt sich ausschließen. Ich hab mich immer wieder daran gestoßen, wieso Quintus die Islamisten als modernes/postmodernes Phänomen charakterisiert hat. Ich sah diese Bewegungen dagegen immer als Reaktion auf die Modernisierung an und als stark orientiert an der veralteten Tradition bzw. einer eingebildeten, selbst konstuierten fiktiven Tradition. Wie geht das zusammen? Mir schwannte es schon und nach der Lektüre von Olivier Roy (nur zu empfehlen!!) konnte ich dann dieses scheinbaren Widerspruch endgültig zusammenfassen:
Der gewaltbereite Islamismus bzw. Neofundamentalismus (Roy unterscheidet noch) ist ein formal modernes Phänomen, das dadurch entstanden ist, dass die veralteten, traditionellen Strukturen dieser Länder durch den Einfluß der Moderne, der globalen Wirtschaft, durch die weltweite Kommunikation inzwischen aufgebrochen wurden und werden. Dadurch gibt es zunehmend entwurzelte Individuen, die im Rückgriff auf religiöse Lehren diese radikalisieren und eine neue, moderne, aber im Rückgriff auf eine für sie verzerrte Tradition, geprägte religiöse Lehre sich konstruieren.
Der Islamismus und Fundamentalismus ist also bei aller antimodernen inhaltlichen Auslegung formal durchaus recht modern.
Und so muss man die islamischen Länder auch generell sehen: Die Moderne hat durchaus schon Einzug gehalten, nur gefällt uns halt deren erste Erscheidungsformen nicht so recht.
Allerdings glaube ich nicht, dass die Religion gänzlich verschwinden wird. Bis auf Europa hat sich nirgends eine völlige Säkularisierung durchsetzen können. Die USA und der Ferne Osten (also Japan und Südkorea) sind weiterhin relativ stark bei allen Gegenbewegungen durch religiöse und moralische Codes geprägt. China ist aufgrund der kommunistischen und nationalistischen Ausrichtung des Regimes eine gewisse Ausnahme. Aber selbst in Europa gibt wieder Bewegungen hin zur Religiösität. Und es gibt es sowohl in Europa, als auch in den USA und dem Fernen Osten einiges an religiöser Radikalisierung.
Daher glaube ich eher nicht, dass das Abnehmen radikaler religiöser Bewegungen die entscheidende Variable ist. Das sind letztlich Symptome, keine entscheidenden Ursachen.
Die islamischen Gesellschaften sind erst dabei sich aus ihrer alten traditionellen, tribalen Struktur zu lösen. Das ist entscheidend. Daher sind auch islamistische und neofundamentalistische zwar entartete, aber durchaus strukturell nützliche Entwicklungen, um diese Staaten aus ihrem Dornrößchenschlaf zu reißen. Nur müssen dann entsprechende gemäßigte Entwicklungen weiter unterstützt werden bzw. in Ruhe gelassen werden. Daher gehe ich letztlich mit dir - auch wenn meine Analyse etwas anders läuft - konform Erich: Diese Staaten brauchen Zeit und vor allem nicht ständig unsere Einmischungen. Auch wenn es vielen nicht gefällt: Gerade der Iran oder auch der Libanon sind Vorzeigemodelle: Hier entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit eigenen Problemen neue Strukturen. Dies ist nicht immer positiv und nicht ohne Probleme und Entartungen. Aber die Auferlegung von Demokratie a la Irak muss scheitern.

Aber mal so kurz wie möglich ein paar Gedanken:
Ich denke, dass wir aufpassen müssen mit bestimmten Begriffen. Modernität und konservative Einstellungen müssen nicht unbedingt sich ausschließen. Ich hab mich immer wieder daran gestoßen, wieso Quintus die Islamisten als modernes/postmodernes Phänomen charakterisiert hat. Ich sah diese Bewegungen dagegen immer als Reaktion auf die Modernisierung an und als stark orientiert an der veralteten Tradition bzw. einer eingebildeten, selbst konstuierten fiktiven Tradition. Wie geht das zusammen? Mir schwannte es schon und nach der Lektüre von Olivier Roy (nur zu empfehlen!!) konnte ich dann dieses scheinbaren Widerspruch endgültig zusammenfassen:
Der gewaltbereite Islamismus bzw. Neofundamentalismus (Roy unterscheidet noch) ist ein formal modernes Phänomen, das dadurch entstanden ist, dass die veralteten, traditionellen Strukturen dieser Länder durch den Einfluß der Moderne, der globalen Wirtschaft, durch die weltweite Kommunikation inzwischen aufgebrochen wurden und werden. Dadurch gibt es zunehmend entwurzelte Individuen, die im Rückgriff auf religiöse Lehren diese radikalisieren und eine neue, moderne, aber im Rückgriff auf eine für sie verzerrte Tradition, geprägte religiöse Lehre sich konstruieren.
Der Islamismus und Fundamentalismus ist also bei aller antimodernen inhaltlichen Auslegung formal durchaus recht modern.
Und so muss man die islamischen Länder auch generell sehen: Die Moderne hat durchaus schon Einzug gehalten, nur gefällt uns halt deren erste Erscheidungsformen nicht so recht.
Allerdings glaube ich nicht, dass die Religion gänzlich verschwinden wird. Bis auf Europa hat sich nirgends eine völlige Säkularisierung durchsetzen können. Die USA und der Ferne Osten (also Japan und Südkorea) sind weiterhin relativ stark bei allen Gegenbewegungen durch religiöse und moralische Codes geprägt. China ist aufgrund der kommunistischen und nationalistischen Ausrichtung des Regimes eine gewisse Ausnahme. Aber selbst in Europa gibt wieder Bewegungen hin zur Religiösität. Und es gibt es sowohl in Europa, als auch in den USA und dem Fernen Osten einiges an religiöser Radikalisierung.
Daher glaube ich eher nicht, dass das Abnehmen radikaler religiöser Bewegungen die entscheidende Variable ist. Das sind letztlich Symptome, keine entscheidenden Ursachen.
Die islamischen Gesellschaften sind erst dabei sich aus ihrer alten traditionellen, tribalen Struktur zu lösen. Das ist entscheidend. Daher sind auch islamistische und neofundamentalistische zwar entartete, aber durchaus strukturell nützliche Entwicklungen, um diese Staaten aus ihrem Dornrößchenschlaf zu reißen. Nur müssen dann entsprechende gemäßigte Entwicklungen weiter unterstützt werden bzw. in Ruhe gelassen werden. Daher gehe ich letztlich mit dir - auch wenn meine Analyse etwas anders läuft - konform Erich: Diese Staaten brauchen Zeit und vor allem nicht ständig unsere Einmischungen. Auch wenn es vielen nicht gefällt: Gerade der Iran oder auch der Libanon sind Vorzeigemodelle: Hier entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit eigenen Problemen neue Strukturen. Dies ist nicht immer positiv und nicht ohne Probleme und Entartungen. Aber die Auferlegung von Demokratie a la Irak muss scheitern.